Frage an Anna Lührmann bezüglich Soziale Sicherung

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Anna Lührmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Henning D. •

Frage an Anna Lührmann von Henning D. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Frau Lührmann,

zuerst einmal freue ich mich, dass auch Sie mit Ihrem Alter im Bundestag sitzen. Es ist schon erschreckend wenn irgendwelche 35-40 jährige als "junge wilde" o.ä. bezeichnet werden.

Dazu habe aber eine kleine Frage:
Ist es eigentlich möglich als einzelner Abgeordneter in Berlin etwas zu bewegen? (insbesondere in den Jahren 2002-2005 mit Regierungsverantwortung). Mir erscheint es oft so, dass eine Vielzahl von Themen durch den Vorstand vorgegeben werden, sodass eine eigene Meinung es hier sehr schwierig hat.

Nun aber zu meinen eigentlichen Thema:
Das Thema Bürgergeld. Seit einigen Monaten werden ja verschiedene Bürgergeld-Modelle in der Öffentlichkeit diskutiert. Haben Sie sich schon einmal damit befasst? Wenn ja, würde ich Ihre Meinung sehr dazu interessieren.

Danke schön

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dietrich,

zuerst einmal herzlichen Dank für Ihr Kompliment. Was Ihre erste Frage betrifft, so ist mein konkreter Wirkungskreis als einzelne Abgeordnete natürlich vornehmlich auf die Themenfelder konzentriert, die ich für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Haushaltsausschuss vertrete. Innerhalb dieser Kompetenzen, die in meinem Fall acht Themengebiete des Haushalts umfassen, kann ich über die Arbeitskreise unserer Fraktion eigene Ideen einbringen und gegebenenfalls durchsetzen, da ich hier entsprechende inhaltliche Verantwortung trage und Detailarbeit leiste.

Ich habe nach der Regierungsverantwortung für mich eine persönliche Bilanz gezogen, auf die ich nicht ohne Stolz blicke. Da habe ich einige meiner Ziele klar erreicht – nämlich mehr Geld für Bildung und Forschung, gegen Rechtsextremismus und für generationenübergreifende Projekte erwirkt. Damit ein klares JA als Antwort auf Ihre Frage, ob es möglich ist, als einzelne Abgeordnete in Berlin etwas zu bewirken.
Grundsätzlich ist es ist schlichtweg nicht leistbar, als Abgeordnete Expertin in allen Angelegenheiten zu sein – dies spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass es Arbeitsteilung von Abgeordneten bereits seit der Frühzeit des Parlamentarismus gibt, um die Willensbildung und Entscheidungsfindung des Parlaments zu erleichtern. Ich bin in vielen Fällen natürlich auf die Information und Kooperation mit den ExpertInnen meiner Fraktion angewiesen, um überhaupt eine Entscheidung treffen zu können – lasse mich von den inhaltlich zuständigen Abgeordneten informieren und entscheide mich auf dieser Basis, ob ich mich der Fraktionsmeinung anschließen kann. Zudem ist es natürlich so, dass Abgeordnete auch nicht als Einzelgänger, sondern als Repräsentanten ihrer Parteien gewählt werden. Die Bindung an eine Partei ist jedoch rein freiwillig und dient dazu, das Mandat halbwegs effizient wahrnehmen zu können. Wenn ich die Meinung meiner KollegInnen beim besten Willen nicht teile, bin ich trotz Fraktion frei in meiner Entscheidung.

Gut finde ich am Bürgergeld, dass man damit alle Sozialversicherungen zusammenfassen könnte und so eine Menge Bürokratie einsparen würde. Das macht schon Sinn. Die Höhe von 1000 EUR jedoch würde dazu führen, dass wir Mehrausgaben im dreistelligen Milliarden Bereich hätten. Wenn man so viel Geld als Staat in die Hand nehmen würde, dann sollte man es wirklich zu den sozial Schwächsten umverteilen und nicht nach dem Gießkannenprinzip verschwenden. In Deutschland sollten wir uns auf diejenigen konzentrieren, die keine vernünftigen Zugänge haben zum Bildungssystem oder Arbeitsmarkt - also Kinder aus sozial schwachen Familien, Menschen mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende… Diesen Menschen hilft man vor allem indem man vernünftige öffentliche Institutionen bereitstellt - Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Unis, Weiterbildung etc.

Dieses sollte verbunden werden mit einen Ausbau von Hartz IV zu einer sozialen Grundsicherung. Dabei müssten vor allem die eigenständige Absicherung von Frauen verbessert und die Altersvorsorge geschützt werden. Die Zahlung einer solchen sozialen Grundsicherung sollte auch durchaus an die Bereitschaft geknüpft werden, „der Gesellschaft etwas zurück zu geben“ – darunter verstehe ich mehr als in der heutigen Praxis anerkannt wird, nämlich ein Spektrum, das von der „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ im gemeinwirtschaftlichen Sektor bis hin zum bürgerschaftlichen Engagement reicht. Wahlmöglichkeiten und Eigeninitiative müssen vor Zuweisung gehen. Die soziale Grundsicherung sollte sich auch den gewandelten Beschäftigungsformen anpassen und beispielsweise für die Gruppe der „neuen Selbständigen“ aus dem Medien- und Kulturbereich unkompliziert zugänglich sein.

Mit freundlichen Grüßen
Anna Lührmann

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