Frage an Anna Lührmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Anna Lührmann
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Frage von Dirk K. •

Frage an Anna Lührmann von Dirk K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Abgeordnete sind dazu da, in einer Demokratie die Interessen der Wähler zu vertreten. Nun hat der Brüsseler Bürgermeister Zehntausenden Europäern und auch Tausenden Deutschen, die am 11. September in Brüssel eine Schweigeminute für die Opfer der Terroranschläge des 11. September abhalten, dem EU-Parlament eine Petition übergeben und zugleich gegen die "schleichende Islamisierung Europas" demonstrieren wollten, die freie Meinungsäußerung verboten. Außerhalb Deutschlands melden sich auch Abgeordnete - und finden die Entscheidung des Brüsseler Bürgermeisters und belgischer Gerichte zugunsten des Demonstratrionsverbots je nach politischer Ausrichtung entweder gut oder schlecht. Wie aber stehen deutsche Abgeordnete zum Brüsseler Demonstrationsverbot? Bislang hat sich - nach unserer Kenntnis - noch kein deutscher Abgeordneter zur Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit in der europäischen Hauptstadt geäußert. Zum Hintergrund: Die Brüsseler Demonstration war offen für Menschen aller Hautfarben, nicht politisch ausgerichtet, umfasste Teilnehmer aus 26 EU-Staaten und der Schweiz, Angehörige der Religionsgemeinschaften der Juden, Christen, Atheisten, Hindus, Sikhs, Muslime, Bahai, Buddhisten etc. und wäre die erste multikulturelle Demonstration dieser Größenordnung in Brüssel (mit mehr als 20.000 registrierten Teilnehmern) gewesen. Was halten deutsche Abgeordnete vom Verbot einer Demonstration, die zugunsten des Erhalts europäischer Werte und gegen die Aufgabe von Teilen unserer Kultur stattgefunden hätte? Würden sie eine solche Entscheidung auch in Deutschland mittragen? Darf man in Europa noch seine Meinugn offen kundtun? Und werden deutsche Abgeordnete die Ereignisse im europäischen Parlament thematisieren?

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Lieber Herr König,

die Demonstrationsfreiheit ist ein elementares BürgerInnenrecht, welches nur im Einzelfall bzw. nur dann beschränkt werden sollte, wenn aus seiner Durchsetzung unmittelbar Schäden bzw. erhebliche Einschränkungen anderer zu erwarten sind. Meines Wissens nach wurde die Demonstration in Brüssel, angesetzt für den 11. September, am 09. September von Bürgermeister Freddy Thielemans aufgrund von erheblichen Sicherheitsbedenken abgesagt. Im Vorfeld gab es offenbar zunehmend Hinweise darauf, dass gewaltbereite Extremisten die Demonstration für ihre Zwecke instrumentalisieren könnten. Zusätzlich leben in Brüssel viele Muslime und es musste befürchtet werden, dass eine Demonstration, die sich "gegen die Islamisierung Europas" bzw. eine "Zerstörung europäisch-kultureller Werte" richtet, in der belgischen Hauptstadt zu direkten Unruhen führen könnte.

Zur inhaltlichen Frage: Europäische Kultur ausschließlich mit dem Christentum zu identifizieren halte ich für ebenso verkürzt wie für kulturelle Abgrenzung mobil zu machen und auf der Grundlage von islamophoben Stereotypen Ängste zu schüren, statt die vorhandenen Gemeinsamkeiten zu betonen und auf ein tolerantes Miteinander zu setzen. Integrationspolitik sollte auf Dialog setzen und nicht Konfrontation zum Ziel haben.

mit freundlichen Grüßen
Anna Lührmann

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