Frage an Anna Lührmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Anna Lührmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Viktor F. •

Frage an Anna Lührmann von Viktor F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Lührmann,

wie es bekannt ist, werden in vielen Hinsicht Menschenrechte im Islam unterdrückt - was Glaubensfreiheit betrifft ist eine davon. In vielen muslimischen Länder wird Abkehr von muslimischen Glauben mit der Tode bestraft - in Iran, Saudi-Arabien, Afghanistan, Pakistan, Sudan und Mauretanien.
Letzte mir bekannte Todesurteil ist vor kurzem in Saudi-Arabien verkündet worden - türkische Friseur Sabri Boday wurde von einem saudischen Gericht zum Tode verurteilt, weil er im Streit mit seinem ägyptischen Nachbar Gott verflucht haben soll. Boday verbrachte bereits die letzten 13 Monate im Gefängnis. Andere Fall - die in Deutschland lebende Exil-Iranerin Mina Ahadi lebt jetzt unter Polizeischutz ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,466082,00.html ), weil sie von muslimischen Glauben abgekehrt ist.

Das Problem, wie ich es sehe liegt daran, daß es hier nicht um die „islamischen Extremisten“ geht - sondern um die islamische Gesetze.

Meine Fragen an Sie und die GRÜNE - was wird gemacht, damit solche schreckliche und menschenrechswidrige islamistische Gesetzte in Deutschand nicht verbreitet werden? Wie distanzieren sich öffentlich die in Ihrer Partei vorhandene Muslime von Glaubensbrüdern in Saudi-Arabien? Was wird gemacht, um die Situation mit Menschenrechten in Islamischen Länder zu verbessern? Wie distanzieren sich öffentlich die in Deutschand lebende Muslime von Glaubensbrüdern in Saudi-Arabien? Und, wenn die in Deutschland lebende Muslume sich gar nicht von Glaubensbrüdern in Saudi-Arabien distanzieren, warum wird Verbreitung von islamischen Religion in Deutschland erlaubt?

Viele Grüße,

Viktor Flemming

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Herr Flemming,

vielen Dank für ihre Anfrage, die Sie auf abgeordnetenwatch.de an mich gerichtet haben. Bitte entschuldigen Sie zunächst, dass ich Ihnen erst heute hierauf antworten kann.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Grundlage unseres Zusammenlebens in Deutschland bildet und als nicht verhandelbarer Grundkonsens für alle in Deutschland lebenden Menschen zu verstehen ist. Dieses Grundgesetz, welches u. a. durch eine unabhängige Justiz, den Verfassungsschutz und die Polizei geschützt wird, garantiert aber auch eine umfassende Meinungs- und Religionsfreiheit.

Deshalb halte ich es auch für dringend nötig, noch einmal hervorzuheben, dass der Islam nicht per se eine gewalttätige Religion bzw. Glaubensrichtung darstellt. Vielmehr muss hier ganz klar unterschieden werden zwischen einerseits einem kleinen Kreis gewaltbereiter Extremisten bzw. religiöser Fundamentalisten, die ihre radikalisierte Weltsicht mit allen verfügbaren Mitteln durchsetzen wollen, sowie andererseits der übergroßen Mehrheit der Musliminnen und Muslime in Deutschland, die ihre friedliche Religion praktizieren und leben möchten. Ganz so, wie dies AnhängerInnen anderer Glaubensrichtungen wie dem Christentum, dem Judentum usw. auch tun. Hier eine Unterscheidung zu treffen und den Islam im Vergleich zu anderen Religionen zu disqualifizieren, wäre ein falsches und fatales Signal für viele unserer Mitmenschen in Deutschland.

Die in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime haben sich in diesem Zusammenhang auch stets ablehnend gegenüber religiös motivierter Gewalt geäußert und wiederholt unterstrichen, dass ihre Religion missbraucht und fehlinterpretiert wird, wenn sie von Extremisten für die gewaltsame Erreichung politischer Ziele als Rechtfertigungsgrundlage herangezogen wird. Die vergleichbare Instrumentalisierung des Christentums ist uns aus der europäischen Geschichte nur zu gut bekannt.

Daher muss es uns in erster Linie darum gehen, eine aufgeklärte Integrationspolitik zu betreiben und den Islam als Teil unserer Gesellschaft zu begreifen, den er zweifelsohne darstellt. Ein friedliches Zusammenleben in Deutschland verlangt in allererster Linie nach gegenseitigem Respekt, Dialog und kultureller wie religiöser Toleranz. Das Schüren von Vorurteilen und die Isolierung und Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen kann schon deshalb keine ernstzunehmende Antwort auf die Frage sein, wie wir mit Musliminnen und Muslimen sowie Menschen anderer Glaubensrichtungen jenseits des Christentums umgehen wollen.

Insgesamt setzen sich Bündnis 90/DIE GRÜNEN über nationale Grenzen hinweg weltweit für den Schutz und die Durchsetzung der Menschenrechte ein. Unser Engagement ist hier nicht auf muslimische Länder beschränkt und kann einige beachtliche Erfolge vorweisen. Hierzu gehört u .a., dass unter Rot-Grün das Amt des Beauftragten für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe etabliert wurde. Für die Ausweitung seiner Kompetenzen weden wir in Zukunft weiter kämpfen. Auch wurde auf Betreiben der rot-grünen Bundesregierung das unabhängige Deutsche Menschenrechtsinstitut gegründet, das bereits zu einem wichtigen Instrument der Menschenrechtsarbeit und -bildung in Deutschland geworden ist. Schließlich konnte durch das nachdrückliche Engagement des bündnisgrün geführten Auswärtigen Amtes das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes durch Deutschland ratifiziert werden, welches einen Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit auf internationaler Ebene darstellt.

In der Hoffnung, Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Anna Lührmann

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