Frage an Annalena Baerbock bezüglich Digitale Agenda

Portrait von Annalena Baerbock
Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
0 %
/ 547 Fragen beantwortet
Frage von Cedric M. •

Frage an Annalena Baerbock von Cedric M. bezüglich Digitale Agenda

Wie stehen Sie heute zur Bestandsdaten-Auskunft, Vorratsdatenspeicherung, Chatkontrolle, der CUII und dem Staatstrojaner?
In China gibt es ein social scoring system. Wie stehen Sie diesen gegenüber?
Wie stehen Sie zu Open-source software im öffentlichen Dienst?
Was möchten Sie konkret unternehmen, um die IT-Sicherheit in deutschen Unternehmen und Behörden zu stärken oder gehört dies nicht in Ihre Agenda?
Nutzen Sie persönlich einen Security Schlüssel?
Welche Maßnahmen möchten Sie zur Digitalbildung der Bevölkerung unternehmen?
Wie fördern Sie konkret Digitalisierung, sollten Sie die Regierung anführen?
Wie fördern Sie die Digitalisierung der Schulen?
Werden Sie die Behörden digitalisieren um Bürokratie abzubauen? Wie?
Wie stehen Sie zu vpns und dem Tor Netzwerk zur Anonymisierung des Internetverkehrs?

Portrait von Annalena Baerbock
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und die vielen Fragen.

Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung und beste Prävention gewährleistet. Gute IT-Sicherheit und klare rechtsstaatliche Standards sichern Grundrechte. Der Staat bleibt in der Pflicht, diese zu gewähren. Generelle Hintertüren in digitalen Geräten, die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Chatkontrolle, private Durchsetzung von Websperren und Anwendungen oder das Infiltrieren von technischen Geräten (Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ) lehnen wir ab. Zudem wollen wir eine Pflicht Sicherheitslücken zu melden und aktiv auf ihre Behebung hinzuwirken. Unternehmen dürfen nicht dazu verpflichtet werden, die IT-Sicherheit und Netzintegrität auf Kosten der Allgemeinheit zu gefährden. Für Früherkennung, Analyse und das gemeinsame Vorgehen staatlicher Stellen braucht es ressortübergreifende Strategien zur Bekämpfung hybrider Bedrohungen, klare rechtliche Vorgaben und eine starke parlamentarische Kontrolle für das Handeln der Bundeswehr im Cyberraum.

Digitalgestützte Instrumente zur massenhaften Überwachung des Lebens einzelner Menschen und die damit verknüpfte Honorierung oder Bestrafung von sozial erwünschtem Verhalten lehnen wir vollumfänglich ab.

Freie und offene Software ist die Grundlage für unsere Anforderungen in Bezug auf Offenheit, Teilhabe und Sicherheit. Den Einsatz von offenen und diskriminierungsfreien Standards, Formaten, Schnittstellen und Software (inklusive Apps) in Behörden und bei der Behördenkommunikation treiben wir voran. Doch oftmals fehlt es den Entwickler*innen an Unterstützung, diese dauerhaft auf dem neusten Stand der Technik zu halten und anwendungsfreundlich zu gestalten. Wir treten daher dafür ein, eine eigenständige öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die gesellschaftlich relevante freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft, Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen. Wir bauen die öffentliche Förderung für die Entwicklung von freier und quelloffener Standard-software aus und wollen öffentlich finanzierte Software mit offenen Lizenzen zugänglich machen.

Gute IT-Sicherheit und klare rechtsstaatliche Standards sichern Grundrechte. Der Staat bleibt in der Pflicht, diese zu gewähren. Gute IT-Sicherheit ist die Voraussetzung für Unternehmen, sich vor Gefahren durch Cyber‐Kriminalität und Spionage zu schützen. Der Staat ist hier in Gewährleistungspflicht. Wir werden beste IT-Sicherheit durch unabhängige Auditierungen und Zertifizierungen vorantreiben. Vor allem die KMUs müssen stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unter-stützt werden. Die IT-Sicherheit gefährdende Maßnahmen wie den Handel und Offenhalten von Sicherheitslücken beenden wir. Ein IT-SiG 3.0 muss mehr Sektoren erfassen und positive Anreize setzen. Die Unabhängigkeit des BSI stärken wir.

Die Teilhabe an politischen, kulturellen und ökonomischen Prozessen innerhalb der Gesellschaft ist für uns das eigentliche Ziel von Digitalkompetenz. Wir wollen Angebote bündeln. Bestehende Angebote der digitalen und Medienbildung sollen geprüft, gebündelt und in der Breite bekannt gemacht sowie bestehende Ideen und Erfahrungen vernetzt und die Evaluation und Begleitforschung von Projekten koordiniert werden. Wir unterstützen die Entwicklung von Konzepten in der Medienbildung von Schüler*innen und wollen mit einer starken Bundeszentrale für politische Bildung und einer Bundeszentrale für digitale Bildung kritische Medienkompetenz fördern. Um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Hass im Netz zu verbessern, wollen wir leicht auffindbare Informations- und Beschwerdemöglichkeiten schaffen. Mitmach- und Medienkompetenz sowie politische Bildung begreifen wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen und Jugendhilfe und wollen sie konzeptionell und finanziell stärken. Was die Verbreitung von Verschwörungsmythen und Fake News betrifft, plädieren wir dafür, die sozialen Netzwerke stärker in die Pflicht zu nehmen.

Digitalisierung muss gestaltet werden. Selbstbestimmung, Offenheit und Nachhaltigkeit sind dabei unsere leitenden Werte. Ein monolithisches Digitalministerium ist für die Querschnittsaufgabe Digitalisierung dabei wenig zielführend. Das mangelhaft bearbeitete und koordinierte Feld der Digitalisierung muss dringend priorisiert werden. Wir haben schon lange kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem. Digitalpolitik muss mit Kabinettsrang und eigenem Budgetrecht versehen werden. Es muss eine klare und effektive Koordinierung in der Bundesregierung und mit den europäischen Partnern erfolgen. Dabei reicht nicht die Umsetzung von Einzelmaßnahmen in den Zuständigkeiten der Ministerien. Vielmehr muss eine ressortübergreifende Modernisierungsvision entwickelt werden, hinter die sich alle Ministerien stellen und diese konkret und kooperativ umsetzen. Dazu gehört auch, dass alle Ressorts mit gutem Beispiel vorangehen und innovativeres Arbeiten ermöglichen und mit eigenständigeren Agenturen sozial-ökologische Innovationen und Digitalisierung vorantreiben.

Mit mehr barrierefreien Open- und E-Government und sicheren digitalen Beteiligungsformaten und Open Government wollen wir unsere Verwaltung modernisieren und unnötige Bürokratie abbauen. Verwaltungsverfahren sollen stets digital gedacht und gestaltet werden, vor allem auch in der Zusammen-arbeit mit Unternehmen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass auch der persönliche Kontakt mit den Bürger*innen möglich ist und durch mobile Angebote ergänzt wird. Verwaltungsleistungen müssen auch Menschen zugänglich sein, die diese nicht digital nutzen können oder wollen. Die Nutzung der digitalen Verwaltungsleistungen soll über einen zentralen Zugang erfolgen. Das bestehende Datenportal GovData wollen wir zu einem zentralen und nutzerfreundlichen Open- und E-Government-Portal aus-bauen. Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden muss nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein. Mit hoheitlichen e-IDs sollen digitale Leistungen erleichtert und beschleunigt werden.

Die anonyme Nutzung digitaler Dienste ist europarechtlich gesichert und ein wichtiges Element zur Wahrung der Bürgerrechte in der digitalen Welt.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Annalena Baerbock
Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen