Frage an Annalena Baerbock bezüglich Familie

Portrait von Annalena Baerbock
Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
0 %
/ 545 Fragen beantwortet
Frage von Barbara H. •

Frage an Annalena Baerbock von Barbara H. bezüglich Familie

Viele Eltern verzweifeln an der Drogensucht ihrer Kinder unter 18 Jahren. Staatliche Behörden, Ärzte, Psychiatrien verweisen auf die Eltern als Erziehungsberechtigte. Diese haben bei einer Sucht keinen Einfluß mehr. Einsperren ist Freiheitsberaubung. Zwangseinweißungen scheitern oftmals vor Gericht. Gedealt wird an und vor Schulen. Wie sollen und können Sie Eltern in dieser Problematik helfen? Kinder sind die Zukunft des Landes.

Portrait von Annalena Baerbock
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hartmann,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Jugend- und Gesundheitsschutz sind die wichtigsten Kriterien für eine verantwortungsvolle Drogenpolitik. Kinder sind von klein auf in vielfältiger Weise Suchtmitteln ausgesetzt. Der Weg zur Schule führt vielleicht an einer großen Plakatwerbung für Zigaretten oder Tabakerhitzer vorbei, beim Fußball am Nachmittag ist die Biermarke, die den Verein sponsert, allgegenwärtig. Sie leben in einer Welt, in der Alkohol in vielen Alltagssituationen ganz selbstverständlich getrunken wird. Suchtmittel gehören zu unserem Leben und damit auch zum Leben unserer Kinder. Eine suchtmittelfreie Welt können wir uns nicht vorstellen. Etwa drei Millionen Kinder kommen aus einer suchtbelasteten Familie und sind nicht nur mit der Krankheit ihrer Eltern, sondern auch mit einer Stigmatisierung und etlichen Hürden im Hilfesystem konfrontiert. Kinder nutzen auch selbst potentielle Suchtmittel. Schon kleine Kinder spielen mit glücksspielähnlichen Apps auf dem Smartphone oder Tablet, die nicht immer von seriösen Angeboten zu unterscheiden sind. Mit der Pubertät spielt auch der Substanzkonsum im Freundeskreis eine zunehmende Rolle: Nikotin, Alkohol, Cannabis und andere Substanzen sind für viele Jugendliche zugänglich und erschwinglich.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Drogen für Minderjährige besonders gefährlich sind. Auch das Gehirn wird schneller strukturell geschädigt, solange es sich noch in der Entwicklung befindet. Kinder und Jugendliche müssen befähigt werden, sich kritisch und kompetent in der Welt zu bewegen und ihren eigenen Platz darin mitzugestalten. Optimalerweise erhalten Kinder einen Zugang zu vielfältigen Angeboten, die ihnen ein selbstbestimmtes und gesundes Aufwachsen ermöglichen. Sie sollten Zugang zu ihrer eigenen Kreativität bekommen und sich und ihre Fähigkeiten im Bereich der Musik, Kunst und Bewegung ausprobieren können. Die beste Prävention setzt in den Lebenswelten der Kinder an und trägt dazu bei, dass junge Menschen eine Resilienz gegen den gesundheitsschädlichen Gebrauch von Drogen und Suchtmitteln entwickeln.

Für Jugendliche gilt mindestens genauso klar wie für Erwachsene, dass einem Fluchtversuch aus der Realität mit Akzeptanz und Verständnis begegnet werden muss. Kinder sind Kinder. Sie probieren aus, sie machen auch mal Fehler und sie reagieren auf ihre Mit- und Umwelt. Oft sind exzessives Computerspielen oder Substanzkonsum nur ein Symptom dafür, dass etwas Tieferliegendes nicht in Ordnung ist. Ursachen können beispielsweise Druck in der Schule, Auseinandersetzungen in der Familie oder Gewalterfahrungen sein. Eltern und Institutionen stehen in der komplexen Verantwortung, die Situation weder zu bagatellisieren, noch mit Härte und Zuspitzung zu reagieren, die zu weiterer Eskalation führen. Der Zugang zu sozialer und psychologischer Hilfe ist mit großen Hürden verbunden und wird oft erst gewährleistet, wenn es bereits zu spät ist. Sozialarbeiter*innen berichten, wie die Kriminalisierung Hilfsangebote erschwert. Betroffene brauchen Hilfe statt Strafverfolgung. Süchtige brauchen Hilfe und keine Vorwürfe. Eine am Gefährdungspotential der jeweiligen Substanz ausgerichtete Drogenpolitik, die Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt stellt, ist der richtige Weg. Kinder und Eltern brauchen Zugang zu niedrigschwelliger Hilfe und Beratung - nicht erst, wenn es zu spät ist. Deswegen muss die Prävention in den Lebenswelten einen höheren Stellenwert bekommen, dafür muss das Präventionsgesetz reformiert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Annalena Baerbock
Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen