Was wollen Sie eigentlich gegen die zunehmende Armut bei Hartz 4 Empfängern und Rentnern mit Transferleistungen tun?

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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jörg S. •

Was wollen Sie eigentlich gegen die zunehmende Armut bei Hartz 4 Empfängern und Rentnern mit Transferleistungen tun?

Sehr geehrte Frau Baerbock, Ihre Partei hat mal erzählt, das sie Hartz 4 auf 550€, oder 600€ erhöhen wollten, doch nun wird das Thema überhaupt nicht mehr erwähnt, geschweige denn, drüber gesprochen. Mir kommt es so vor, als ob Ihnen die armen Menschen vollkommen egal sind. Naja, kann ich ja auch irgendwie verstehen, denn Ihr Portemonaie ist ja voll genug, warum sollten Ihnen dann noch die Armen im Land etwas angehen und damit meine ich nicht unbedingt Familien, sondern auch Menschen die alleine Ihr Leben meistern müssen, ohne am sozialen Leben teilnehmen zu können. Mit dem Hartz 4 bzw. mit einer kleinen Rente plus Transferleistung kann man das ja leider nicht. Dann brauchen Sie sich auch nicht wundern, wenn Ihnen diese Stimmen bei der Wahl fehlen.

Mit freundlichen Grüßen

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Arme Menschen sind uns überhaupt nicht egal, Armut zu bekämpfen ist uns ein zentrales Anliegen. Denn auch die ökologische Transformation unserer Wirtschaft wird nur gelingen, wenn alle Menschen teilhaben können. Das ist heute nicht der Fall. Wir haben in den vergangenen Jahren deshalb ein umfassendes Reformprogramm entwickelt, mit dem wir zu einem sozialen Ausgleich beitragen wollen.

Die Grundsicherung ist mit zahlreichen Problemen behaftet. Die Regelsätze sind heute zu niedrig, um Teilhabe zu ermöglichen und viele Menschen erhalten trotz Anspruch keine Unterstützung. Selbst etwas hinzuzuverdienen lohnt oft kaum. Sie ist nicht existenzsichernd, viele Menschen fühlen sich stigmatisiert sowie durch Sanktionsdrohungen entmündigt und die Zugangshürden sind sehr hoch. Das mussten insbesondere Selbstständige in der Pandemie erfahren. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und durch eine Garantiesicherung ersetzen und haben dazu bereits ein detailliertes Konzept veröffentlicht (Fraktionsbeschluss Garantiesicherung). Die Garantiesicherung wollen wir umsetzen, indem wir die Regelsätze schrittweise anheben auf 600 Euro (in einem ersten Schritt den Erwachsenen-Regelsatz um 50 Euro), die Sanktionen abschaffen, die Vermögensprüfung durch eine Selbstauskunft ersetzen, die Hinzuverdienstgrenzen verbessern und die sogenannte Bedarfsgemeinschaft Schritt für Schritt abschaffen. Die Garantiesicherung schützt vor Armut, und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle Existenzminimum. Sie stärkt Menschen in Zeiten des Wandels und eröffnet Chancen und Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben.

In der Rente wollen wir sicherstellen, dass alle Menschen im Alter von ihrer Rente leben können. Dazu wollen wir das gesetzliche Rentenniveau stabilisieren, die Grundrente zur Grünen Garantierente weiterentwickeln, die mehr Leute einbezieht und besser vor Altersarmut schützt und eine sogenannte Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für Geringverdiener*innen einführen. Mit der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage wollen wir Arbeitgeber*innen, die niedrige Löhne zahlen, verpflichten, dass sie mehr für ihre Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlen. Damit setzen wir direkt beim Erwerbsleben an und sorgen dafür, dass auch Geringverdienende und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhalten, ohne im Alter auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Perspektivisch wollen wir alle Sozialversicherungen zu Bürgerversicherungen umbauen, so dass in die Renten-, Kranken und Pflegeversicherung alle mit allen Einkommensarten (auch aus Vermögen) einzahlen. Das ist ein entscheidender Schritt zu einer stabilen und wirkungsvollen langfristigen Absicherung aller Menschen.

In der Steuerpolitik wollen wir dafür sorgen, dass alle einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sollen ebenso wie Menschen mit sehr hohen Einkommen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Schaut man sich aber die Entwicklung im Bereich der Einkommensteuer an, stellt man fest, dass der Einkommensteuersatz für Spitzeneinkommen seit 1990 in mehreren Stufen um 11 % auf heute 45 % abgesenkt wurde. Für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen, waren die Entlastungen deutlich geringer. Das ist aus unserer Sicht nicht gerecht. Denn Steuern sind nicht nur die Grundlage für die Finanzierung unseres Gemeinwesens, sondern auch ein zentraler Hebel für Gerechtigkeit. Aus diesem Grunde wollen wir kleine und mittlere Einkommen durch eine Anhebung des Grundfreibetrags entlasten. Da angesichts der Corona-Krise die Lage der öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren sehr angespannt sein wird, müssen nach unserem Verständnis alle Veränderungen im Steuerrecht mindestens aufkommensneutral sein. Deshalb wollen wir im Gegenzug den Spitzensteuersatz moderat anheben.

Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.gruene.de/themen/sozial-gerechter-klimaschutz und hier: https://www.gruene.de/themen/soziales

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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