Frage an Anne Franke bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Anne Franke
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Frage von Volker K. •

Frage an Anne Franke von Volker K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Franke,
ich habe einige Fragen zur Landwirtschaft:

1 Sie schreiben,dass wir eine ökologischere Landwirtschaft brauchen in der 7% der Fläche ohne Chemikalien bleiben. Was sagen Sie zur Forderung von Agrarkommissar Ciolos daß unabhängig davon, jeder Landwirt weitere 7% seiner Ackerflächen stilllegen soll?

2 Schwächt die zusätzliche Stilllegung nicht schwach entwickelte ländliche Räume?

3 Ökologisch wirtschaftende Betriebe bewirtschaften im Durchschnitt mehr Fläche. Wollen Sie diese nach Arbeitskraft oder nach Umweltleistung fördern? Mit welcher Berechtigung begrenzen Sie bei einem größeren Betrieb der höhere Umweltleistungen je Hektar erbringt,die Förderung gegenüber dem kleinen Intensivbetrieb?

4 Die EU-Vorschläge sehen eine Stilllegung von 7% der Ackerflächen vor, auch wenn diese anders benannt wird. Wo haben Sie eine schriftliche Bestätigung dass die Vorschläge der EU-Kommission zu ökologischen Vorrangflächen Anbau ermöglichen?

5 Aktuell führte die Änderung der Schweinehaltungsverordnung zu einem großen Betriebssterben - gleiches würde bei einem Verbot der Anbindehaltung für die Milchviehbetriebe passieren, über die Hälfte der Milchviehbetriebe in Bayern wirtschaften mit Anbindehaltung. Wie wollen Sie in Zukunft verhindern, dass durch neue Auflagen z.B. im Bereich Tierschutz, kleine Betriebe zum aufgeben gezwungen werden?

6 Technische Entwicklungen führen zu wachsenden Betrieben, vor 60 Jahren ackerte ein Bauer mit Pferdepflug ein Tagwerk am Tag - heute pflügt er mit einem 4-Scharpflug und einem über 100 PS Schlepper die gleiche Fläche in einer Viertelstunde. Bei der Tierhaltung sieht es ähnlich aus, in unserem Nachbardorf gab es vor 25 Jahren noch 14 Milchviehbetriebe-heute ist nur einer übrig und melkt in einem modernen Laufstall mit rund 60 Kühen doppelt soviel Milch wie alle 14 vor 25 Jahren. Wie wollen Sie diese technische Entwicklung stoppen/zurückdrehen um den Rückgang der Betriebe zu verhindern?

Herzlichen Gruß,

Volker Kauder

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Sehr geehrter Herr Kauder,

1. Selbstverständlich brauchen wir eine ökologischere Landwirtschaft. Sie kennen als Landwirt sicher die Schäden, die durch das Ausbringen vieler chemischer Mittel auf unsere Äcker seit über 60 Jahren, entstanden sind. Chemikalienrückstände und Uran im Trinkwasser und in Flüssen sind nur eine Folge. Sie wollen sicher nicht, dass der Steuerzahler all diese Schäden bezahlen muss.

2. Dacian Ciolos hat im Okt. 2011 7% ökologische Vorrangfläche für jeden Betrieb vorgeschlagen. Ausgenommen sind Biobetriebe. Sie wissen selbst, dass es sich dabei nicht um Stilllegung handelt. Die Frage bleibt, warum der Bauernverband trotz besseren Wissens diesen Vorschlag immer wieder als Stilllegung verunglimpft. Könnte es sein, dass sich der Bauernverband nicht so sehr für die bäuerliche Landwirtschaft sondern vielmehr für die Agro-, Chemie- und Pharmaindustrie einsetzt? Natürlich kämpfen die betroffenen Konzerne gegen drohende Umsatzeinbußen. Nicht die bäuerliche Landwirtschaft würde leiden, sondern die Chemie- und Pharmakonzerne.

3. Ich will 30% der Direktzahlungen nach den Kriterien des Greenings, also flächengebunden vergeben. Da aber die Förderung nach der Fläche dazu führt, dass die Bauern, die am meisten besitzen, noch dazu am meisten Förderung bekommen, diese Förderung den Run nach den knappen Fläche anheizt und gleichzeitig die Spezialisierung und Rationalisierung weiter fördert, müssen wir von der Förderung nach der Fläche wegkommen. Ich hoffe, das leuchtet ein.
Mit den flächengebundenen Direktzahlungen unterstützen wir das kapitalistische Prinzip: Wer viel hat, bekommt viel. Wir machen damit die bäuerliche Landwirtschaft kaputt. Wollen Sie das?
Ich will, dass das Land bevölkert und lebendig bleibt. Ich will, dass der Beruf des selbstständigen Bauern und des Handwerkers erhalten bleibt. Denn mit der selbstständigen Arbeit verbinde ich ein ganzes Stück Lebensqualität. Die weitere Abwanderung und das Pendeln in die Städte ist für mich nicht unterstützenswert. Öffentliche Gelder darf es nur für gesellschaftliche Leistungen geben. Deshalb braucht es Kriterien, die die Art der Bewirtschaftung bewerten. Dazu sind die von der KTBL in vielen Jahren erarbeiteten Arbeitsbedarfskennzahlen der richtige, völlig unbürokratische Gradmesser. Die Förderung nach Arbeitsbedarf - bitte nicht verwechseln mit Arbeitskraft - bewirkt, dass sinnvolle kleine und mittlere Strukturen in nachhaltiger Wirtschaftsweise erhalten bleiben. Bitte lesen Sie dazu Prof. Hovorka oder Prof. Onno Poppinga.

4. die Frage erübrigt sich

5 und 6. Selbstverständlich bleibt die technische Entwicklung nicht stehen, sondern erleichtert zum Glück in vielen Bereichen die Arbeit, auch in der Landwirtschaft. Aber schauen Sie sich landwirtschaftliche Betriebe an, und Sie werden sehen, dass die Arbeitsbelastung nicht weniger, sondern in den letzten Jahren immer mehr geworden ist. Viele Bauern und Bäuerinnen arbeiten bis zum Umfallen und verdienen doch so wenig, dass fast nichts bleibt. Die Ratschläge der Landwirtschaftsämter verleiten viele Landwirte dazu, große neue Ställe zu bauen und sich dafür hoch zu verschulden. Wenn dann der Milchpreis sinkt, steht schnell die Bank vor der Tür und pfändet den Hof.
In meinen Augen ist die Anbindehaltung nicht so schlecht wie sie dargestellt wird, wenn sie mit ausreichend Weidegang kombiniert wird. Da haben sie völlig recht, dass das Verbot, dazu führen wird, dass bäuerliche Betriebe aufgeben müssen. Das widerspricht meinen Zielen.