Frage an Bärbel Höhn bezüglich Umwelt

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Bärbel Höhn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Johannes B. •

Frage an Bärbel Höhn von Johannes B. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Höhn,

erklären sie mir bitte warum Sie einen den Atomausstieg propagieren obwohl Atomkraft eine

1. klimaneutrale
2. kostengünstige
3. sichere

Energiequelle ist.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Beck

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Beck,
ich muss Ihnen vehement widersprechen. Die Atomkraft ist weder klimaneutral noch sicher und kostengünstig.

1) Die Atomkraft ist NICHT klimaneutral:
Betrachtet man die gesamte Produktionskette vom Uranabbau bis zur Entsorgung, erzeugt die Atomkraft erhebliche Mengen an CO2, die den ohnehin marginalen Beitrag der Atomkraft zum Klimaschutz weiter reduzieren. Verwendet man zum Beispiel Uran aus Südafrika, fallen 125 g CO2 pro Kilowattstunde an. Selbst bei einer Überprüfung der Klimabilanz bei der reinen Stromerzeugung, wird der Klimaretter-Mythos dieser Technologie schnell enttarnt. Man muss nur einen Blick auf den Anteil der Atomenergie am Gesamtenergieverbrauch werfen: Weltweit trägt die Atomkraft nur zu 2,5% zur Deckung des globalen Energiebedarfs bei. Die 17 deutschen AKW schaffen es in Deutschland gerade einmal auf sechs Prozent. Um das Klimaimage aufzupolieren, müsste der Anteil der Atomenergie an der Energieproduktion deutlich gesteigert werden.

Hinzu kommt die schlechte Energiebilanz. AKW sind große, gefährliche Kraftwerke. Deshalb werden sie nicht mitten in der Stadt gebaut. Die erzeugte Wärme kann also nicht genutzt werden. AKW sind mehr Wolkenmaschine als Kraftwerk. Nur gut ein Drittel der Primärenergie kann zur Stromerzeugung genutzt werden, der Rest entweicht ungenutzt als heiße Luft. Pro erzeugter Kilowattstunde Strom werden also zwei Kilowattstunden Wärme verschwendet. Diese müssen noch einmal produziert werden – zumeist mit hohen CO2 Emissionen. Dezentrale gasbetriebene Blockheizkraftwerke haben eine deutlich bessere Energieausbeute, da auch die Abwärme genutzt wird. Sie stehen dann der CO2-Bilanz von AKW in nichts nach. Klassenbeste in Sachen Klima- und Energiebilanz sind jedoch unangefochten die Erneuerbaren – bei meist unendlichem Rohstoffvorrat.
Wirklichen Klimaschutz gibt es nur durch eine echte Energiewende ohne die Risikotechnologie Atomkraft. Das erfordert eine konsequente Politik für die drei E: den Ausbau der Erneuerbaren bei Strom, Wärme und Verkehr, Energieeinsparung und Energieeffizienz. Aber genau das wird durch ein Festhalten an der Atomkraft verhindert.

2) Atomkraft ist NICHT kostengünstig: Insgesamt hat die Atomkraft rund 100 Milliarden Euro an Subventionen erhalten, für das Atommülllager in Morsleben sowie den Abriss der Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gerade weitere 4,5 Milliarden Euro aufbringen. Dazu kommt, dass die großen Konzerne ihre Rücklagen für die Endlagerung bis heute nicht versteuern müssen, dadurch entsteht jährlich ein Steuerausfall von ungefähr 800 Millionen Euro. Und wenn die Meiler versichern werden müssten, könnten die Betreiber das gar nicht bezahlen.
Noch kein einziger Energieversorger hat ein AKW unter den Bedingungen des seit der Liberalisierung geltenden Wettbewerbs in Europa fertig gestellt. Denn neue Atomkraftwerke rechnen sich für Betreiber nur, wenn der Staat ihnen mit Subventionen kräftig unter die Arme greift, oder wenn Festpreise für den Kraftwerksbau sowie die Stromabnahme vereinbart werden. Beim Neubau des AKW in Finnland wurden gleich alle Subventionsregister gezogen. Außerdem wird der Bau deutlich teuer als geplant. Mittlerweile sind die Kosten von 3 Mrd. auf 4,5 Mrd. gestiegen – zu Lasten der Erbauer, Siemens und Areva NP, einem französischen Staatskonzern. Hier zahlt also letztlich der Steuerzahler wieder kräftig mit.
Atomstrom ist trotz aller Privilegien nicht billig, zumindest nicht für den Kunden. Auch eine Laufzeitverlängerung würde die Atomkraft für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht spürbar billiger machen. Ein Gutachten des Öko-Instituts errechnete ab 2010 eine Ersparnis von 50 Cent pro Monat und Person. Die alten, hochsubventionierten und abgeschriebenen Meiler bringen den Energiekonzernen hingegen einen Reingewinn von ein bis zwei Millionen Euro pro Anlage und Tag. Beim Verbraucherinnen und Verbraucher kommt davon schon heute nichts an. Daran würden auch Laufzeitverlängerungen nichts ändern, sie bringen für die Konzerne nur weitere Extraprofite.

3) Atomkraft ist nicht sicher Vor zwei Jahren kam es im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark fast zu einem GAU wie in Tschernobyl. In Schweden, wo man immer dachte, sicherer geht’s nicht. In Frankreich hat es diesen Sommer vier Vorfälle gegeben. Die Vorfälle in Brunsbüttel und Krümmel haben deutlich gemach, dass auch die deutschen AKW nicht sicher sind. Seit den sechziger Jahren verspricht die Atomwirtschaft den "katastrophenfreien" Reaktor- bis heute ein uneingelöstes Versprechen. Auch im Reaktortyp der neuen Generation namens EPR ist die Kernschmelze als schwerster denkbarer Unfall möglich – insbesondere im Falle von Sabotage oder Terrorangriffen. Nach dem 11. September ist eine ganz neue Gefahrenlage entstanden. Keiner der heute weltweit 442 betriebenen Reaktoren könnte dem gezielten Angriff mit einem voll getankten Großraumjet standhalten. Die Bundesregierung hat auf Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion festgestellt, dass ein Anschlag auf kerntechnische Einrichtungen als mögliche Option angesehen werden müsse. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit hat sogar Atomanlagen identifiziert, die nicht einmal gegen den Absturz von kleineren Militärflugzeugen geschützt sind. Die Reaktoren Biblis A und B, Phillipsburg und Brunsbüttel sind bei Terrorgefahren besonders gefährdet. Sie besitzen nicht einmal eine Schutzhülle und sind schon durch den Absturz kleinerer Flugzeuge gefährdet.
Ein zusätzliches Sicherheitsrisiko ist das hohe Alter der heute noch betriebenen AKW. Auch in Deutschland gilt: Die älteren Reaktoren haben ein höheres Sicherheitsrisiko. Es sind vor allem altersschwache Atommeiler wie Biblis A und B, Neckarwestheim oder Brunsbüttel, die auf den deutschen Störfalllisten ganz oben stehen. Nicht zuletzt geht vom atomaren Abfall für die nächsten Jahrtausende die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung aus. Während das Vorzeigebergwerk für Atommülllagerung im Salz, die Asse bei Wolfenbüttel, gerade in radioaktiver Lauge absäuft, empfehlen CDU/CSU und FDP die Produktion weiterer tausender Tonnen hochradioaktiven Strahlenmülls. Das ist ökonomisch unsinnig und ökologisch verantwortungslos.

Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn