Frage an Bärbel Kofler bezüglich Finanzen

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Bärbel Kofler
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Frage von Joachim L. •

Frage an Bärbel Kofler von Joachim L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Kofler,

Sie haben dem ESM zugestimmt obwohl sie wissen, das dieser keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt.
Wie können Sie sicherstellen, dass die BRD nicht doch für die Vergemeinschaftung der Schulden herangezogen wird?

Mit freundlichen Grüßen

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Sehr geehrter Herr Lauktien,

zu Ihrer Einschätzung dass der ESM keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt: Der ESM-Vertrag sieht einen Gouverneursrat vor. Dieser Rat besteht aus den Finanzministern der Mitgliedsstaaten. Und die Finanzminister sind natürlich gegenüber ihren nationalen Parlamenten und Regierungen rechenschaftspflichtig. Außerdem gelten entweder Einstimmigkeitsprinzip oder Mehrheitsanforderungen von 85 %, sodass der deutsche Finanzminister stets ein Vetorecht hat. (Artikel 5 ESM Vertrag). Kompetenzverschiebungen in Richtung Parlament, in Richtung Demokratie sind hier sehr wichtig, denn es ist nicht begrüßenswert, dass wir im Verhältnis zur Kommission und zum Rat, bestimmte Kompetenzen abgeben.
Der Gouverneursrat kann nicht bedingungslos und unwiderruflich Geld in beliebiger Höhe abrufen: Das ist nur insoweit möglich, als das Geld bereits vom Deutschen Bundestag als zugesagt beschlossen und noch nicht abgerufen ist. Abgesehen davon kann überhaupt nur abgerufen werden, wenn der deutsche Vertreter zustimmt. Er hat also eine Vetomöglichkeit. Tatsächlich gilt gemäß Artikel 9 Absatz 3 des ESM-Vertrages, dass der geschäftsführende Direktor Kapital von den Mitgliedsstaaten abrufen kann. Eine Ausweitung des Rettungsschirmes über die vereinbarte Summe hinaus erfordert nach Art. 10 Abs. 1 des ESM-Vertrages die erneute Entscheidung des Bundestages. Hinzu kommen die bisher festgelegten Volumina aus dem deutschen Anteil der EFSF und der Kredite aus dem Griechenland-Hilfspaket.
Der Gouverneursrat ist auch nicht ganz so frei, wie manchmal verbreitet. Der ESM, der Notkredite und Bürgschaften zur Verfügung stellt, beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag und braucht nach GG Art 59/2 als Grundlage ein innerstaatliches Zustimmungsgesetz. In diesem Gesetz ist die Parlamentsbeteiligung dadurch gegeben, dass die Richtlinien, die der Gouverneursrat erlässt, vom Haushaltsausschuss des Bundestages kontrolliert werden. Wenn wir bedenken, dass es hier um Wirkungen und Rückwirkungen vielen Staaten geht, wird schnell deutlich, wie kompliziert die Abstimmungsprozesse sein werden.
Sie sprechen sich gegen die Vergemeinschaftung von Schulden aus: Dazu möchte ich Ihnen aus einer Meldung von tagesschau.de vom 25.07.2012 zitieren, nach der Europas Top-Ökonomen einen Krisenplan mit einem europäischen Schuldentilgungsfonds vorschlagen: „Der Pakt sieht vor, dass die Euro-Staaten gegenseitig für einen Teil ihrer Verbindlichkeiten gemeinsam einstehen und sich zugleich verpflichten sollen, die Schulden auf 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung abzubauen. Dazu sollen nationale Schulden, die die 60-Prozent-Marke übersteigen, in einen gemeinsamen Tilgungsfonds ausgelagert werden. Für den Tilgungsfonds würden alle Euro-Mitglieder gemeinsam haften. (…) Die 17 europäischen Wirtschaftsexperten widersprechen damit auch den rund 170 deutschen Ökonomen, die nach dem jüngsten EU-Gipfel Anfang Juli in einem Offenen Brief vor einem stärkeren Engagements Deutschlands in der Euro-Krise gewarnt hatten.“

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bärbel Kofler, MdB

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