Frage an Bärbel Kofler bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Bärbel Kofler
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Frage von Annette R. •

Frage an Bärbel Kofler von Annette R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Kofler,

Ich (seit vielen Jahren in muslimisch-christlicher Ehe mit Kindern) habe davon erfahren, dass über 60 Ihrer Kolleginnen und Kollegen einen Alternativentwurf zur rechtlichen Regelung der Beschneidung von Minderjährigen vorgelegt haben, der die Legalisierung dieses mit Risiken behafteten, schmerzhaften und irreversiblen Eingriffs von der Einwilligung ab dem Alter von 14 Jahren und nur durch zugelassene Fachärzte und nach ausführlicher Aufklärung vorsieht.

Können Sie diesem Alternativentwurf zustimmen?

Mit freundlichen Grüßen, Annette Ryll

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Sehr geehrte Frau Ryll,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen vom 19. November 2012. Das Urteil des Landgerichts Köln zur Beschneidung eines minderjährigen Jungen, das über den konkreten Fall hinaus zwar keine rechtliche Bindungswirkung hat, führte trotzdem zu einer erheblichen Verunsicherung unter Juden und Muslimen in Deutschland und löste eine breite öffentliche Diskussion aus.

Die Thematik der Beschneidung aus religiösen Gründen muss man sehr differenziert und mit viel Empathie für die betroffenen Gruppen diskutieren. Die Beschneidung hat sowohl in der jüdischen als auch in der muslimischen Religion eine jahrtausendealte Tradition.

Einerseits wird argumentiert der Schutz der Kinder sei fundamental für unserer Rechtsordnung. Andererseits wird dargelegt, dass es unseren jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch künftig möglich sein müsse, grundlegende Glaubensinhalte in unserem Land zu praktizieren. Diese wiederstrebenden Interessen zu einem Ausgleich zu bringen ist sehr schwierig.

Zu dem Regierungsentwurf stehen derzeit noch ein alternativer Gesetzentwurf, sowie weitere Änderungsanträge zur Diskussion, die sicherlich von Abgeordneten verschiedener Fraktion getragen werden. Diesen Donnerstag wird der Regierungsentwurf zum Umfang der Personensorge bei der Beschneidung des männlichen Kindes in den Bundestag eingebracht. Am 26. November 2012 findet eine öffentliche Expertenanhörung im Rechtsausschuss statt, bevor der Gesetzgebungsprozess weitergeht. Die Liste der geladenen Sachverständigen ist sehr breit aufgestellt und ermöglicht in der Anhörung eine Diskussion mit kontroversen Meinungen und Beiträgen.

Der Deutsche Ethikrat diskutierte bereits am 23. August 2012 öffentliche über die Bescheidung von minderjährigen Jungen aus religiösen und weltanschaulichen Gründen. Dabei wurden medizinische, religiös-kulturelle, straf- und verfassungsrechtliche sowie ethische Aspekte thematisiert. Der Ethikrat empfiehlt, rechtliche Standards für die Beschneidung von minderjährigen Jungen einzuführen und dabei sollen folgende Mindestanforderungen gelten:

• die umfassende Aufklärung und Einwilligung der Sorgeberechtigten
• eine qualifizierte Schmerzbehandlung
• die fachgerechte Durchführung des Eingriffs und
• die Anerkennung eines entwicklungsabhängigen Vetorechts des betroffenen Jungen.

Auf dieser Grundlage und nach den entsprechenden fachlichen Anhörungen und Beratungen werde ich in Abwägung der beiden oben angeführten Aspekte für mich eine abschließende Entscheidung treffen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bärbel Kofler

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