Frage an Benjamin Strasser bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Benjamin Strasser
FDP
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Frage von Ottmar M. •

Frage an Benjamin Strasser von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Strasser,

in einem Antrag an den Bundestag vom 8.5.19 behauptet die FDP-Fraktion, Rußland führe Krieg in der Ukraine und liefere Nachschub für die Volksrepubliken. Welche OSZE-BERICHTE bestätigen diese Behauptung?
Mit Minsk II haben Deutschland, Frankreich und die Ukraine die Volksrepubliken und deren Autonomie anerkannt. Weshalb dürfte also Rußland nicht liefern?
- zentrale [staatliche] Machtorgane leisten Unterstützung bei grenzüberschreitenden Kooperationen der einzelnen Gebiete der Oblaste Donezk und Lugansk mit Regionen der Russischen Föderation;
die Schaffung von Einheiten der Volkspolizei [sic "Volksmiliz"] auf Entscheidungen örtlicher Räte mit dem Ziel einer Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk;
heißt es in den Ergänzungen zum Abkommen. Weshalb dürfte Rußland denn nun keinen „Nachschub“ zur Aufrechterhaltung der öff. Ordnung liefern, wenn die Ukraine es nicht tut? Kennen Sie das Abkommen überhaupt? Wenn Rußland in der Ukraine „Krieg führt“, wie es im Antrag heißt, warum verhandelt man dann nicht mit Rußland, denn gewinnen kann ihn die Ukraine offensichtlich nicht und außerdem hat die Ukraine doch in Minsk einen Waffenstillstand unterschrieben, in dem vereinbart wurde, wann und unter welchen Umständen die Ukraine die Kontrolle über die Grenze zurückerhält. Wozu bedarf es denn da Ihrer „Ergänzungen“? Sind die nicht überflüssig und kontraproduktiv, denn warum sollten sich die Regierungen der Volksrepubliken absetzen lassen? Wie soll das überhaupt geschehen? Mit Gewalt? Weshalb mischt sich der Westen dort überhaupt ein und wenn schon, warum wird kein Druck auf die Ukraine ausgeübt, das Abkommen endlich umzusetzen? Falls Sie jetzt das Assoziierungsabkommen bemühen, wurde das überhaupt von einer verfassungmäßig legitimierten Regierung unterschrieben? Oder war die dazu gar nicht legitimiert?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse am Antrag "Neuer Impuls für Frieden in der Ukraine" der Fraktion der Freien Demokraten.

Die OSZE berichtet fast täglich und detailliert über Verstöße gegen den Waffenstillstand, der in den Minsker Vereinbarungen verhandelt wurde. Nach dem Mandat der OSZE, deren Mitglied auch Russland ist, dient die OSZE ausschließlich der Beobachtung und darf keinerlei politische oder militärische Schuldzuweisung vornehmen. Dennoch lässt sich aus den Berichten schließen, dass sowohl Separatisten als auch das ukrainisches Militär regelmäßig in Kampfhandlungen involviert sind. Diese Reporte sind öffentlich einsehbar, zum Beispiel https://www.osce.org/ukraine-smm/reports. Zudem gibt es zahlreiche Berichte, die die Einschränkung des OSZE-Mandats durch bewaffnete Aufständische der "Volksrepubliken" bezeugen, beispielsweise https://www.spiegel.de/politik/ausland/ostukraine-osze-drohne-abgeschossen-kritik-aus-berlin-und-paris-a-1236355.html, https://www.welt.de/politik/ausland/article136800724/OSZE-Chef-ist-Behinderung-durch-Separatisten-leid.html und https://www.deutschlandfunk.de/osze-im-ukraine-konflikt-neutrale-beobachter-unter-feinden.1773.de.html?dram:article_id=343255.

Die Aktivitäten russischer Militärs sind ebenso gründlich belegt. Mehrere russische Zeitungen, wie die „Pskowskaja Gubernija“, berichten über Trauerfeiern für in der Ukraine gefallene Soldaten. Die umfangreichste Analyse hierzu liefert der US-amerikanische Think Tank Atlantic Council, der zahlreiche öffentlich zugängliche Beweismittel für russische Aktivitäten in der Ostukraine gesammelt hat. Der Bericht „Hiding in Plain Sight“ basiert auf Medienberichten, Bildern und Videos aus YouTube sowie VKontakte – dem russischen Facebook. Er stellt zudem fest, dass nicht nur beurlaubte russische Soldaten, sondern auch aktive Truppen in der Ukraine im Einsatz sind. Und dass diese ihre Herkunft verschleiert haben, indem sie ihre Hoheitsabzeichen und Namensschilder entfernten oder abdeckten. Ein Blick in das Waffenarsenal der ukrainischen Armee im Frühjahr 2014 zeigt auch, dass ein Großteil der Waffen, die derzeit in der Ostukraine zum Einsatz kommen, nicht aus Beständen des ukrainischen Staats stammen kann. Das Internationale Aufklärungsteam zum Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges 17 (MH 17) hat zudem offengelegt, dass die Boeing von einer russischen Buk-Rakete getroffen wurde, die für einen Tag aus Russland in die Ostukraine verlegt worden war.

Die Minsker Vereinbarungen sind - anders als eine Vielzahl an Resolutionen des UN-Sicherheitsrates - völkerrechtlich nicht bindend. Unser Antrag "Neuer Impuls für Frieden in der Ukraine" geht daher auch bewusst auf die aus unserer Sicht bestehenden Schwachstellen ein. Dazu zählen wir u.a. fehlende Konsequenzen für die Missachtung der Maßnahmen in Minsk und die fehlende Priorisierung der Maßnahmen. Denn nur in einer sicherheitspolitisch stabilen Situation sind politische Reformen möglich. Unserer Ansicht nach ist dafür eine umfangreiche UN-Blauhelmmission nötig, die die russisch-ukrainische Grenze kontrolliert, illegale Grenzübertritte vermeidet und den Waffenstillstand sowie die vorgegebene Entflechtung und Abrüstung der Region umsetzt.

Wir Freien Demokraten achten das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Nationen sowie insbesondere die territoriale Souveränität. Russische Sicherheitsinteressen sind davon gänzlich unberührt. In Anbetracht der offensiven Handlungen Russlands gegen die souveräne Ukraine nach 2014, zuletzt den massiven Eingriff in das Staatsangehörigkeitsrecht durch Präsident Putin sowie die militärische Attacke gegen ukrainische Patrouillenboote im Asowschen Meer und die ebenfalls völkerrechtlich illegale Inhaftierung von 23 ukrainischen Soldaten in Russland, sollte unser aller Fokus auf den Sicherheitsinteressen der Ukraine und Europas liegen, nicht alleinig auf denen eines Staates mit einer expansiven, militaristischen und aggressiven Außenpolitik.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort helfen.

Benjamin Strasser MdB

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