Frage an Bernd Irmler bezüglich Recht

Bernd Irmler
DIE LINKE
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Frage von Joachim P. •

Frage an Bernd Irmler von Joachim P. bezüglich Recht

Der BGH hat die Assekuranzen in Deutschland nach jüngst ergangenem rechtskräftigen Urteil zur Transparenz in ihrem Finanzgebaren gegenüber dem Verbraucher und dem Staat verpflichtet.
Frage:
Sollte der Banken-und Sparkassensektor in Deutschland in gleicherweise zur Transparenz in seinem Finanzgebaren insbesondere bei der Gestaltung seiner Zinsstruktur für Dispostionskredite (s.a. Hamburger Abendblatt Kommentar letzte Woche ) gesetzlich verplichtet werden? Sollte Alg-Empfängern das Recht eingeräumt werden, hochverzinsliche Dispostionskredite in niegrigverzinslichte Ratenkredite umzuschulden, bisher wird dieser Zielgruppe dieses Recht sogar von öffentlich-rechtlichen Sparkassen vorenthalten!
Sollte der gesetzlich festgelegte Unterhaltssatz von Euro 345.-/332.- Alg II von Zinszahlungen freigestellt werden, um weitere Verelendung zu verhindern? Sollten diese Zinszahlungen vom Staat übernommen werden? oder sollte das Insolvenzrecht entsprechend zu Lasten der Gläubiger geändert werden?

Halten Sie die Frage" Können wir uns den Sozialstaat überhaupt noch leisten" für ebenso absurd wie die unmögliche Frage von Tschechen an die realen Hamburger " Können wir es uns überhaupt noch leisten, das Wasser der Elbe einfach über Dresden nach Hamburg rauschen zu lassen, wo doch die Hamburger das Wasser der Elbe einfach ungestaut und unkommentiert in die Nordsee stromern lassen?

Danke! für die Antwort!

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Petrick,

Ihre Fragen betreffen allesamt das große Problem Arbeitslosigkeit. Durch die neoliberale Politik der letzten 20 Jahre, verstärkt noch durch die der Regierung Schröder-SPD-Grüne, wird den "Kleinen Leuten" immer mehr genommen, werden sie immer mehr belastet - während den Konzernen und den Reichen immer mehr geschenkt wird. Eine unglaubliche Umverteilung von unten nach oben ist seit Jahren im Gange. Während den Konzernen Milliarden Steuern geschenkt wurden, werden die Ärmsten der Armen immer mehr zur Kasse gebeten. Wir haben in Deutschland über 8 Millionen Rentner, die weniger als 600 Euro Rente monatlich beziehen. Über 9 Millionen Minijobber erhalten gerade mal 400 Euro im Monat für ihre Arbeit. 5 Millionen (offiziell) Arbeitslose - in Wirklichkeit sind es weit mehr - müssen sich mit immer weniger Geld durchs Leben kämpfen. Die Rentnerin, die z.B. nur 400 Euro Rente erhält, muss 40 Euro Praxisgebühr und hohe Zuzahlungen für Medikamente zahlen. Und obendrein werden den Rentnern seit 1.7.2005 noch höhere Gebühren für Krankenversicherung abgezogen - und das ist der Gipfel - auch noch 0,5 Prozent Beitrag für eine Krankentagegeldversicherung von der Rente abgezogen, obwohl Rentner überhaupt keinen Anspruch auf Zahlung eines Krankentagegeldes haben. Das ist eine Unverschämtheit! Wie soll jemand von 400 Euro monatlich leben können? Noch dazu ist er nicht krankenversichert und müsste 100 Jahre als Minijobber arbeiten, um gerade mal 100 Euro Rentenanspruch zu haben.

Jemand, der 30 Jahre oder länger sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, erhält, wenn er arbeitslos geworden ist, gerade mal 1 Jahr lang Arbeitslosengeld und wird dann gleich behandelt wie jemand, der nie in seinem Leben etwas gearbeitet hat und fällt in die Sozialhilfe. Und selbst dieses "Arbeitslosengeld 2"(345.- € West, bzw. 321 € Ost) erhält er erst dann, wenn er eventuell angespartes oder seinen bis dahin erworbenen Besitz verhökert hat und nicht mehr besitzt. Das ist schlichtweg eine Beleidigung aller Menschen, die fleissig und anständig gelebt haben und unsozial wie es unsozialer nicht mehr geht. Überall, landauf, landab werden Beschäftigte genötigt, zu niedrigeren Löhnen oder länger für das gleiche Geld oder gar unbezahlt zu arbeiten, auf Weihnachts- und Urlaubsgeld soll fast überall verzichtet werden.
Die Binnenkonjunktur wird immer schlechter. Immer mehr Handwerker und kleine Geschäfte haben Probleme, weil es am Umsatz fehlt. Von wo soll denn das Geld kommen, damit die Masse der Leute wieder konsumiert?

Schröder erklärte, dass er im Falle eine Wiederwahl seine Politik der Agenda 2010 und HartzIV konsequent fortsetzen werde – Frau Merkel will die Mehrwertsteuer erhöhen und das Rentenalter auf 67 Jahre hochsetzen – alles Massnahmen, die für noch schlechtere Bedingungen für die Beschäftigung in unserem Lande sorgen werden.

Nur durch eine umfassende Änderung der Politik können all die Probleme beseitigt werden. Dazu ist erforderlich, dass erst einmal die Steuervergünstigungen der letzten 7 Jahre für Konzerne rückgängig gemacht werden. Es darf doch nicht angehen, dass Lohnabhängige den Löwenanteil an Steuern bezahlen, während Konzerne und Reiche immer weniger bezahlen. Das Lohnsteueraufkommen beträgt 2005 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden 135 Milliarden Euro, während die veranlagte und nicht veranlagte Einkommensteuer zusammen gerade mal 15 Milliarden beträgt. Würde man die steuerlichen Voraussetzungen wieder so herstellen, wie sie bei Antritt der Regierung Schröder noch bestanden, wäre bereits genügend Geld da, um alle notwendigen Sozialmassnahmen des Staates zu bezahlen. Natürlich muss man auch eine Vermögenssteuer wieder einführen und eine allumfassende Bürgerversicherung, damit endlich einmal diejenigen mitbezahlen müssen, die, obwohl sie die Reichsten im Lande sind, bisher überhaupt nichts zum Sozialen beigetragen haben. Minijobs müssten zum allergrössten Teil verboten werden. Es kann doch nicht angehen, dass ganze Discounterketten und Warenhäuser praktisch nur noch Minijobber beschäftigen und dadurch Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen vernichtet werden. Die elende Lohndrückerei muss beendet werden. Der seit Jahren praktizierte angeblich notwendige Sozialabbau wird mit falschen Argumenten begründet.

Ich kenne eine Menge Leute, die wenig Geld zur Verfügung haben. Gäbe man denen nur einhundert Euro mehr im Monat, würden sie dieses Geld ausgeben. Weil sie es zum Leben brauchen! Das ist de Fakt! Nicht Lohndrückerei sondern höhere Löhne brauchen wir! Welcher Unternehmer stellt denn zusätzliche Leute ein, wenn der Umsatz ständig zurückgeht? Nur wenn die Umsätze steigen, wird zusätzliches Personal benötigt. Damit die Löhne wieder steigen, sind starke Gewerkschaften notwendig. Die FDP-Forderung nach Abschaffung der Gewerkschaften ist deshalb absolut schwachsinnig.

Die Linkspartei hat auf alle Anforderungen die richtigen Antworten. Wir wollen mehr Geld für die Arbeitslosen (420.- €), Umwandlung von 1-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Jobs(1550.- € monatlich als Bruttolohn für den Betroffenen), letzten Endes die Abschaffung von HartzIV, Wiedereinführung der Arbeitslosenhilfe und Zahlung des Arbeitslosengeldes nach absolvierten Arbeitsjahren, ein höheres Kindergeld (250.- €), einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.400.- €, niedrigere Steuern für Geringverdiener, Mindestrente von 800.- € - und eine solidarische Bürgerversicherung, d. h. im Endeffekt Abschaffung der Praxisgebühr und der Zuzahlungen, durch die Miteinbeziehung der Reichen, die bisher nichts zum Sozialsystem beitragen, möglich. Das alles wird die Kaufkraft der Massen erheblich stärken und die Binnenkonjunktur beleben, was zur Schaffung von Millionen Arbeitsplätzen führen wird. Staatliche Konjunkturprogramme werden zusätzlich zur Schaffung von Arbeitsplätzen sorgen. Das alles ist – entgegen den Behauptungen einiger neoliberaler Kritiker – durchwegs solide finanzierbar.

Wer weiß schon, dass im Oktober 2000 die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft(INSM) gegründet wurde? Geldgeber ist der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, der jährlich rund 10 Mio. Euro bereitstellt. Ziel der INSM ist es, der deutschen Bevölkerung weiszumachen, dass Sozialabbau, Renten- und Lohnkürzungen notwendig seien, damit Deutschlands Wirtschaft gerettet werden kann? Obwohl die deutsche Industrie in den letzten Jahren immer höhere Gewinne einfährt und Deutschlands Konzerne Exportweltmeister geworden sind? Da werden Wissenschaftler und Politiker bezahlt, damit sie mit gefälschten Argumenten uns allen die neoliberale Politik des Sozialabbaus schmackhaft machen sollen, damit die Konzerne noch mehr Profite erwirtschaften können? Tatsache aber ist, dass diese neoliberale Politik seit 20 Jahre mehr als bewiesen hat, dass sie schuld ist an den Millionen Arbeitslosen und an der Verarmung immer mehr unserer Bürger. Dem werden wir mit der Linkspartei ein Ende bereiten!

Zu Ihrer Frage nach Zinssätzen für AlgII-Empfänger: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass jemand, der von 345.- bzw. im Osten von 321.- Euro monatlich leben muss, noch in der Lage ist, irgendwelche Kredite abzuzahlen? Das AlgII-Geld reicht ja nicht einmal zum allernotwendigsten. Deshalb ist Ihre Frage dazu unsinnig.

Ob wir uns den Sozialstaat „überhaupt noch leisten können“, fragen Sie. Ich antworte Ihnen: Wir brauchen einen wirklichen Sozialstaat. Denn immer mehr Menschen in Deutschland brauchen Solidarität und Unterstützung. Ein System, in dem es nur Reichen gut geht, ist nicht akzeptabel. Was wir uns nicht mehr länger leisten klönen, ist ein Staat, der den Kleinen Leuten immer mehr wegnimmt. Mittlerweile besitzen 10 Prozent der Deutschen über 90 Prozent des gesamten Vermögens und 90 Prozent der Menschen nicht einmal 10 Prozent des Gesamtvermögens. Das muss geändert werden.