Frage an Burkhardt Müller-Sönksen von Sebastian K. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Müller-Sönksen,
Ihre Rückantwort auf die Frage von Herrn L. hat mich als kleinen Kreativen mit ein paar Fragezeichen zurückgelassen, daher würde ich gerne noch ein paar Rückfragen stellen.
Zunächst würde mich interessieren: Wie definieren Sie geistiges Eigentum? Ich selber bin in der Entwicklung von Computerspielen tätig und dort ist es mein Bestreben, meine Ideen für ein breites Publikum verfügbar zu machen und eben nicht nur für mich zu behalten. Ich kann hier den Bezug zum materiellen Eigentum, auf welches Sie sich mit Artikel 14 beziehen, nicht ganz nachvollziehen. Beziehen Sie sich hier lediglich auf Schutz vor Plagiaten (wettbewerbsrechtlich)? Denn ein Teilen jenes "Eigentums" mit der Öffentlichkeit ist doch das Bestreben eines jeden Kreativen?!
Gehen wir aber mal den Schritt zum materiellen Eigentum weiter: Ein Verbraucher hat eine Kopie eines meiner Werke im Laden gekauft. Nun ist diese Kopie sein Eigentum, aufgrund von durch Publisher diktierten DRM-Mechanismen kann er jedoch nicht frei darüber verfügen. Ein gebrauchter Weiterverkauf ist nicht möglich, Installationsbeschränkungen und weitere Restriktionen liegen vor. Wo wird Ihrer Meinung nach hier der Schutz des Eigentums gewährleistet?
Zuletzt ein Beispiel von Kollegen eines anderen Entwicklerstudios: Es handelt sich um ein Indie- (Independent) Studio, welches seine Projekte vollständig privat vorfinanzierte und bei der Suche nach einem Publisher (Verlag) als bestes Angebot 13% Umsatzbeteiligung erhielt - obwohl seitens des Verwerters keine weitere Projektfinanzierung vorgenommen werden musste.
Mir stellt sich daher die Frage, auf welcher Basis Sie das grundsätzliche Hinterfragen solcher Verwertungsprozesse kriminalisieren? Wird die kulturelle Wertschöpfung nicht eher durch derartige Geschäftsgebahren ausgetrocknet? Die kleinen Entwickler leiden bereits heute unter dem Image, welches vor Allem durch Verwerter-Konzerne aufgebaut wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Kreutz
Sehr geehrter Herr Kreutz,
vielen Dank für Ihre Fragen, für deren Beantwortung ich die Berichte der Enquete-Kommission des Bundestags "Internet und digitale Gesellschaft" abwarten wollte, die unter anderem das von Ihnen beschriebene Spannungsfeld zum Gegenstand ihrer Beratungen gemacht hat.
Hinsichtlich der Begriffsklärung zum "geistigen Eigentum" haben sich allerdings wenig neue Erkenntnisse ergeben. So schließe ich mich weiterhin der Definition des Bundesverfassungsgerichts an, wonach das Urheberrecht als Nutzungsrecht "Eigentum" im Sinne des Artikels 14 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz gewährleistet und die grundsätzliche Zuordnung des wirtschaftlichen Wertes eines geschützten Werkes an den Urheber gebietet.
Im Übrigen sehe ich keinesfalls einen Widerspruch zu der von Ihnen beschriebenen Praxis. Denn erst durch eben diesen gewährleisten Schutz des Werkes kann der Urheber frei über die Nutzung durch Dritte entscheiden. Sie als Urheber können Ihr Werk verschenken, auf Zeit oder dauerhaft die Nutzung erlauben, oder die Rechte dauerhaft übertragen. Insofern schafft der Schutz des Eigentums erst die Voraussetzung, dass sich der Urheber entscheiden kann, ob er die von Ihnen angesprochenen Nachahmungen unterbindet, oder als Weiterentwicklung wertet und zulässt. Nicht zuletzt müssen und sollen viele Kreative von der Verwertung ihrer Werke leben können, weshalb ich bezweifele, dass sich jeder Urheber Ihrer Position uneingeschränkt anschließen würde. Insofern gilt es sowohl die Möglichkeit der freien Zugänglichmachung, als auch die der Nutzung unter einer angemessenen Vergütung sicherzustellen.
Zwischenzeitlich sind wir in eine konstruktive Debatte um das Urheberrecht im digitalen Zeitalter eingetreten und auch dank klärender Urteile wie jüngst der BGH-Entscheidung zur Zulässigkeit des Weiterverkaufs gebrauchter Software wurde dringende Probleme gelöst. Selbst die Piraten-Partei hat einige missverständliche Äußerungen zumindest relativiert und eigene Positionen vorgestellt, so dass sich ein klareres Bild der unterschiedlichen Interessen und Konfliktlinien ergibt.
Ich möchte betonen, dass es weder für mich persönlich, noch innerhalb der FDP Denkverbote oder eine Kriminalisierung von Fragen gibt. Im Gegensatz zu manch anderen Diskutanten bemühen wir uns aber um eine ganzheitliche Betrachtung der Interessenlage zwischen Urhebern, Verwertern, Nutzern und zum Beispiel Providern. Wir verschließen uns nicht vor Änderungsinitiativen, stehen aber immer an der Seite der Urheber. Der Urheber soll frei entscheiden können, ob und wie er Geld verdienen will.
Für mich unterstreichen Ihre Beispiele deshalb unsere Position:
Ein starkes Urheberrecht hat in der modernen Medien- und Informationsgesellschaft eine Schlüsselfunktion, weil es Kreative zur Innovation anspornt und ihre Unabhängigkeit erhält. Wir wollen, dass auch zukünftig jeder Urheber frei über die Verwertung seiner Kreativleistung entscheiden kann und nicht faktischer Kollektivierung ausgeliefert wird. Gleichzeitig sehen auch wir die Umwälzungen, die das Internet unserer Gesellschaft gebracht hat, und werden die notwendigen gesetzgeberischen Anpassungen vornehmen.
Für weitere Rückfragen stehe ich Ihnen sehr gerne im persönlichen Kontakt zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr Burkhardt Müller-Sönksen