Frage an Carsten Sieling bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Carsten Sieling
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Frage an Carsten Sieling von Helmut B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Sieling,

das Thema was mich z. Zt. am meisten bewegt, ist die Geheimdienstaffäre um die NSA und die Bundesrepublik.

Ich wll jetzt hier nicht alle Stellen aufführen, die jetzt involviert sind.Vermutlich sind sie Ihnen aber bekannt. In diesem Zusammenhang habe ich heute der Frau Bundeskanzlerin unter Facebook einige Zeilen geschrieben, die ich Ihnen hiermit am Ende der Frage mitteilen möchte.

Was gedenken Sie oder Ihre Partei dagen zu unternehmen, wie soll Ihre Aufklärung aussehen und was erfährt die Öffentlichkeit. Außerdem möchte ich gerne wissen, was die ganzen Geschehnisse im Verhältnis zu den USA bedeuten.

ich werde die Ihnen gestellte Frage auch den anderen Bundestagsabgeordneten für meinen Wahlkreis stellen.

MfG

Helmut Bomhoff

NS.: Der Origialtext wurde von mir gekürzt, weil ich hier die Anzahl der Zeichen ansonsten überschreite.

"Was die Zukunft bringt, liegt in unserer Hand".

Ein guter Vorsatz "Was die Zukunft bringt, liegt in unserer Hand", wie ich meine.

Guten Tag Frau Bundeskanzlerin, ich bin entsetzt darüber, wie die USA jetzt gegen (noch) freie Bürger und die freie Meinungsäußerung vorgehen.

Der NSA-Chef Keith Alexander äußerte kürzlich, ohne mit der Wimper zu zucken, dass alle, die verschlüsselt kommunizieren, als terrorverdächtig eingestuft und präventiv gespeichert werden, weil sie derselben Strategie zugeordnet werden. Auch eine Rede seines Vorgängers Michael Hayden, der sowohl Chef der NSA als auch der CIA war, spricht eine überaus deutliche Sprache. Er setzte am Dienstag kurzerhand die weltweiten Unterstützer von Whistleblowern sowie sonstige Aktivisten mit Terroristen gleich.

Als Unterstützer von Snowden gelte ich jetzt in den USA als Terrorist. Damit fühle ich mich durch die USA als bedroht.

Sie Frau Bundeskanzlerin und ihre Regierungsmannschaft tut m. E. nichts dagegen bzw. dafür, dass wir in unserem Nachkriegsdeutschland in Frieden leben können. Ich bin so enttäuscht von dieser ganzen Entwicklung,

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bomhoff,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.

Nach allem, was wir derzeit aus den Medien wissen, handelt es sich bei der NSA-Geheimdienst Affäre um eine Globalüberwachung, über die zwar immer wieder spekuliert wurde, die mich und die SPD aber in ihrem Ausmaß zutiefst erschüttert.

Klar ist, dass zumindest die NSA intensiv mit amerikanischen Internet-Unternehmen wie Facebook, Google & Co zusammen gearbeitet haben, um an höchstpersönliche Daten der Nutzer und Kunden zu gelangen. Wenn die Behauptungen stimmen, dann gäbe es durch die umfassende Verknüpfung von privaten Daten der Internet-Unternehmen und der gesammelten Erkenntnisse der Nachrichtendienste erstmals in der Geschichte die Möglichkeit, ein fast lückenloses Profil von Millionen von Menschen zu erstellen. Ein Profil, das nicht nur Meinungsäußerungen, Kontakte und Bewegungen umfasst, sondern auch die intimsten Wünsche. Nie zuvor waren wir dem gläsernen Bürger, dem gläsernen Konsumenten, der gläsernen Persönlichkeit so nah wie heute.

Ein derartiges Vorgehen verstößt meiner Ansicht nach gegen elementare Prinzipien unseres Grundgesetzes und ist durch nichts zu rechtfertigen. Denn wenn Menschen zu Objekten ihrer Daten gemacht werden, ist die Menschenwürde verletzt. Es verletzt unsere informationelle Selbstbestimmung genauso wie unser Recht auf Post- und Fernmeldegeheimnis. Die Bundesregierung sollte dies eigentlich wissen. Anstatt aber genau diese Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, versagt die deutsche Bundesregierung im Umgang mit dieser Krise auf ganzer Linie. Innenminister Friedrich gibt vor, von nichts gewusst zu haben. Die Bundeskanzlerin führt ein folgenloses Telefonat mit Präsident Obama und lässt sich mit Floskeln abspeisen.

Als SPD fordern wir ernsthafte Regierungskonsultationen, den sofortigen Stopp der Abhörpraxis in Deutschland und den Aufschub der Verhandlungen der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen. Es reicht eben nicht aus, Krisengipfel durchzuführen und Briefe mit Fragebögen zu verschicken. Die Bundesregierung muss offenlegen, was und wann sie von diesen Vorgängen wusste und was sie getan hat und zu tun gedenkt, den Grundrechtsschutz der Bundesbürger zu schützen. Auch muss sie darauf drängen, dass die Daten deutscher Staatsbürger unverzüglich gelöscht werden. Zudem muss sie endlich nicht nur in Sonntagsreden den Datenschutz hoch halten, sondern sich auf europäischer Ebene für ein wirksames europäisches Datenschutzrecht einsetzen. Im ursprünglichen Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung war eine sogenannte "Anti-FISA-Klausel" enthalten, die aber gestrichen wurde. Eine solche Regelung könnte einer solchen Überwachung deutscher und europäischer Bürger einen Riegel vorschieben.

Darüber hinaus werden wir die Bundesregierung dazu auffordern, sich auf europäischer Ebene für die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in die Datenschutz-Grundverordnung einsetzen. Das gilt übrigens auch für eine dringend gebotene Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, von den Vorgaben der jetzigen Richtlinie abzuweichen und grundrechtsschonendere Maßnahmen vorzuziehen. Hier ist die schwarz-gelbe Bundesregierung vier Jahre lang untätig geblieben.

Zu Ihrer zweiten Frage: Grundsätzlich ist es sicherlich noch zu früh, die Auswirkungen auf das deutsch-amerikanische Verhältnis abschließend zu bewerten. Angesichts der massiven Vorwürfe gegen die USA im großem Stil EU-Vertretungen abgehört zu haben, ist aus meiner Sicht und der meiner Partei diplomatische Zurückhaltung völlig fehl am Platz.

Die EU-Kommissarin Viviane Reding hat deshalb gut daran getan, offen auszusprechen, was im Europäischen Parlament bereits die Runde macht: Solange die USA den Abhörskandal nicht aufklären und verbindlich weitere Spionageaktionen einstellen, darf es notfalls keine Gespräche zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA geben.

Zweifelsohne hat ein transatlantischer Markt Vorteile für beide Seiten, aber nicht um jeden Preis und schon gar nicht auf Kosten fundamentaler Grundwerte der EU. Die freundschaftlichen Beziehungen zu den USA gründeten immer auch auf einem ähnlichen Wertekanon demokratischer Grundwerte und -prinzipien. Hierzu gehört auch die Achtung der Privatsphäre und das Recht der freien Meinungsäußerung. Die Verbundenheit beruhte auf der Achtung dieser gemeinsamen Standards, die Vertrauen schafften.

Die Enthüllungen der vergangenen Tage machen deutlich, dass die USA offensichtlich nach dem Prinzip "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" agieren. Dieses Prinzip aber hat noch keiner Freundschaft gute Dienste erwiesen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Carsten Sieling MdB