Frage an Cem Özdemir bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Cem Özdemir
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas R. •

Frage an Cem Özdemir von Andreas R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Özdemir,

gerne würde ich Ihnen zwei Fragen stellen.

Zunächst an Sie als Bundesvorsitzenden der Grünen. Sie sind gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Nahrungsmittel. Gerade diese Nahrungsmittel helfen aber in vielen Regionen der Welt die Ernährung der dortigen Bevölkerung sicherzustellen, da sie u.a. resistenter gegen Schädlinge oder Wetterphänomene sind. Wie erklären Sie also diesen Menschen, dass sie größeren Hunger leiden müssen, weil Sie und Ihre Partei gegen den Einsatz von entsprechenden Nahrungsmitteln sind?

Im Zusammenhang mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage tut sich mir außerdem eine Frage auf, die sich auf die künftige Politik der Bundesregierung bezieht. In den letzten Monaten beteiligt sich der Staat nämlich an immer mehr großen Unternehmen wie der HRE-Bank oder Opel. Denken Sie, dass das Bestand haben soll? Wie ist Ihre Position hier?

Ich danke Ihnen schon einmal für die Beantwortung meiner Fragen.

Freundliche Grüße,

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Retsum,

ja, wir sind aus ganz verschiedenen Gründen gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Nahrungsmittel. Zum einen gibt es bisher keine Möglichkeit, gentechnisch veränderte Pflanzen im Freiland ohne Nebenwirkungen auf andere Pflanzen oder Tiere zu testen. Erste Studien weisen darauf hin, dass sich gentechnisch veränderter Mais ohne weiteres mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen mischt. Andere Studien wiederum deuten darauf hin, dass gentechnisch veränderte Futtermittel z.B. bei Kühen zu Krankheitsfällen geführt haben. Gesicherte Erkenntnisse gibt es bereits darüber, dass die schädlingsbekämpfenden Wirkungen z.B. im gentechnisch veränderten Mais auch bei Tieren funktionieren, die dem Mais nicht schaden.

Der zweite Grund unserer Ablehnung besteht in der industriellen Vermarktung gentechnisch veränderten Saatguts. Weltweit beherrschen einige wenige große Firmen den Markt. Der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen führt in der Regel zu Monokulturen, um die durch die Gentechnik erworbenen neuen Eigenschaften voll ausnutzen zu können. Das Saatgut darf dank der bisherigen Lizenzpolitik nicht mehr wie bisher aus der Ernte gewonnen, sondern muss wiederum bei den Saatgutfirmen erworben werden. Das führt vor allem in Ländern der Dritten Welt schnell in die Abhängigkeit, weil sich gerade Kleinbauern teures Saatgut nicht leisten können.

Drittens hat der Anbau gentechnisch veränderter Maissorten bereits jetzt Auswirkungen z.B. auf die Imkerei. Der ehemalige Verbraucherminister Horst Seehofer ließ den Anbau einer bestimmten Sorte gentechnisch veränderten Maisart zu. Da der Mais bisher nur zu Versuchszwecken, nicht aber als Lebensmittel zugelassen ist, darf beispielsweise Honig, der mit diesen Maispollen versetzt ist, nicht auf den Markt gebracht werden. Entschädigungszahlungen für die Imker sind bisher nicht vorgesehen.

Auf den Punkt gebracht: Aus grüner Sicht wiegt der theoretische Nutzen genmanipulierter Lebensmittel die Risiken bei weitem nicht auf. Wir setzen dagegen auf eine nachhaltige und ökologisch orientierte Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung. Vielfalt ernährt die Welt. Ausführliche Informationen zum Thema finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/cms/agrogentechnik/rubrik/1/1467.gentechnik.html

Jetzt zu Ihrer zweiten Frage. Es war und ist eine zentrale Aufgabe der Politik, unser Land so gut wie möglich vor den Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewahren. Dabei kann auch ein Engagement für gefährdete Unternehmen angebracht sein – es muss aber auch richtig gemacht werden. Die Bundesregierung hat es allerdings versäumt, die Bürgschaften über Milliarden von Steuermitteln mit Bedingungen zu verknüpfen, die ein „weiter so wie bisher“ unmöglich machen. Die Bundesregierung hat es sogar verabsäumt, die Risiken für die Steuergelder zu minimieren.

Wir fordern deshalb einen weltweit gültigen Green New Deal: Ökologische Erneuerung, nationale und globale Solidarität und eine engagierte Finanzmarktregulierung. Das bedeutet kurz gesagt:

Auf nationaler Ebene:
- Regelungen für Managergehälter
- Ausbau der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
- Neuordnung der Landesbanken

Europaweit:
- System europäischer Aufsichtsbehörden für alle grenzüberschreitend tätigen Finanzinstitutionen
- Transparenz bei Ratingagenturen, damit diese ihre Interessenkonflikte offenlegen
- Einführung einer Finanzumsatzsteuer

International:
- Schattenbanken schließen – keine versteckten Risiken mehr
- Vorsorge bei Banken – Puffer für schlechte Zeiten aufbauen
- Ungleichgewichte bei Handel und Währungskursen verhindern

Ausführliche Informationen zu diesem Themenkomplex finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/cms/finanzen/rubrik/0/91.finanzen.html

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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