Frage an Christa Goetsch bezüglich Bildung und Erziehung

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Christa Goetsch
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martha M. •

Frage an Christa Goetsch von Martha M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Götsch,

mit Erschrecken habe ich gelesen, dass die ganze Integration behinderter Kinder sinnlos erscheint, wenn wir sie den in den Intergrationsklassen wieder ausgrenzen, indem sie andere Zeugnisse bekommen als ihre nichtbehinderten Mitschüler.

Das Argument, dass Eltern ja wissen wollen, wie Ihre Kinder stehen, gilt ja wohl für alle Eltern egal ob das Kind behindert ist oder nicht.

Was möchten Sie bzw. Ihre Fraktion dagegen machen, dass nun Nichtbehinderte Kinder Notenzeugnisse und behinderte Kinder in derselben Klasse Berichtszeugnisse erhalten?

M.Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Müller,

danke für Ihre Anfrage. Auch uns bereitet es große Sorgen, wie die CDU mit der Frage der Integration umgeht. Wir haben inzwischen gemeinsam mit der SPD in der Bürgerschaft einen Antrag auf Gesetzesänderung eingebracht ( http://www.gal-fraktion.de/cms/default/rubrik/2/2598.drucksachen.htm ). Unser Ziel war natürlich, dass die Integrationsschulen mit der bewährten Praxis der einheitlichen Leistungsbewertung mit Berichtszeugnissen weitermachen können. Leider hat die CDU dies am 27. September mit ihrer absoluten Mehrheit abgelehnt. Wir haben daraufhin - wiederum gemeinsam mit der SPD - Eltern und Pädagoginnen vergangenen Donnerstag (11.10.) zu einem Fachgespräch ins Rathaus eingeladen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Dabei wurde deutlich, dass die Eltern bereits eine Volkspetition vorbereiten (alle Infos finden sie unter: http://www.integration-hamburg.info ). Wir werden versuchen das Thema bei der nächsten Sitzung des Schulausschusse auf die Tagesordnung zu setzen. Um Ihnen meine Position zu der Frage differenzierter darzulegen, füge ich ihnen am Ende der Mail einen Redeentwurf ein. Weitere Infos, wie z.B. unsere Pressemeldung zum Thema finden Sie auch hier: http://www.gal-fraktion.de/cms/default/rubrik/2/2635.pressemeldungen.htm

Bei all der Enttäuschung und dem Ärger über den Zwang zur Notengebung, freue ich mich über das große Engagement vieler Eltern und LehrerInnen, dass ich gerne wo möglich weiter unterstützen werde. Und natürlich werde ich mich weiter dafür einsetzen, dass es nach den Rückschritten bei der Integration auch wieder Fortschritte gibt.

Viele Grüße

Christa Goetsch

Redeentwurf: Schülerinnen und Schüler mit Behinderung integrieren statt ausgrenzen

Wir debattieren heute zu der äußerst sensiblen Frage, wie Integration in der Schule gelingen kann und wie Kinder mit und ohne Behinderung am besten gemeinsam lernen können. Leider halten Sie stur am Notenglauben fest. Doch über Noten will ich heute nicht grundsätzlich mit Ihnen diskutieren. Ich will darüber diskutieren, dass Sie von der CDU sagen - ich zitiere Herr Heinemann: "Wir wollten, dass alle Kinder Notenzeugnisse bekommen." Und weiter, der Pressesprecher der Bildungsbehörde: "Gleichmacherei trägt nicht zur Integration bei. Eltern haben das Recht, zu wissen, ob ihr Kind die Bildungsstandards erfüllt."

Ich will dazu den Hamburger Integrationsexperten Prof. Dr. Schuck von der Uni Hamburg zu Wort kommen lassen: "Wenn wir in diesen Fragen weiter kommen, wäre klar, dass eine einheitliche Leistungsbewertung in Integrationsklassen keine Gleichmacherei ist, sondern dass damit das Recht aller Kinder verwirklicht wird, alle für ihren eigenen Entwicklungsprozess förderlichen Rückmeldungen zu bekommen."

Es geht also nicht um das Verwischen von Unterschieden und es geht nicht um Gleichmacherei. Es geht um Anerkennung der Unterschiede ohne zu stigmatisieren oder auszugrenzen! Es geht darum, die unterschiedlichen Kinder zusammen zu bringen ohne sie zu stigmatisieren und zu demotivieren. Es geht um den Entwicklungsprozess jedes einzelnen Kindes. Warum glauben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, dass in allen Hamburger Integrationsklassen keine Noten, sondern Berichtszeugnisse gegeben werden? Warum glauben Sie, dass die Lehrerinnen, Lehrer und Eltern in großer Mehrheit an dieser bewährten Praxis festhalten wollen? Ich sage es Ihnen: Sie haben sehr gute Erfahrung damit gemacht! Deswegen wollen Lehrerinnen, Lehrer und Eltern diese Stigmatisierung der Kinder nicht!

Wenn die Schulbehörde nun behauptet, eine Neuregelung mit unterschiedlichen Zeugnissen fördere sogar die Integration, so der Pressesprecher der Bildungsbehörde auf NDR 90,3, dann stellt das jede Idee von integrativer Pädagogik auf den Kopf! Wo nehmen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, die Belege dafür her, dass mit Ihrem Vorgehen die Integration gefördert wird? Warum stellen Sie die jahrelange Erfahrung an den Schulen derart in Frage?

Wir haben diese Erfahrung in vielen Hamburger Schulen. Neben den Integrationsklassen gibt es hunderte von Integrativen Regelklassen, in denen es bis zur vierten Klasse nur einheitliche Berichtzeugnisse für alle gibt. Hier greift Ihr Gesetz nur deshalb nicht, weil die IR-Klassen noch als Schulversuch geschützt sind.

Lassen sie mich noch etwas zu dem Vorwurf sagen, niemand hätte gegen die Gesetzesänderung protestiert. Das ist eine echt schräge Nummer: Bis vor drei Wochen glaubten Lehrerinnen, Lehrer und Eltern, sie könnten so weitermachen wie bisher. Uns heute sagen Sie: "Jetzt regt Euch mal nicht auf - selbst Schuld wenn Ihr vor 1 ½ Jahren nicht bemerkt habt, was die CDU beschlossen hat. Was ist das für ein Politikverständnis? Sind Sie vielleicht stolz darauf, dass ihr Tun, erst einmal keiner bemerkt hat? Gefällt es Ihnen, ohne Diskussion mit den Betroffenen heimlich die Integration auf den Kopf zu stellen? Glauben Sie, Eltern und Schulen hätten letztes Jahr geschwiegen, weil sie die CDU beim Gesetzmachen nicht stören wollten? Glauben Sie, die Empörung der Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen, wäre vor einem Jahr geringer ausgefallen?

Und was glauben Sie, welchen Ärger es an den Schulen dadurch gibt, dass sie Wochen nach Beginn des Schuljahrs angewiesen werden, wieder Noten zu geben. Da kann die Senatorin doch nicht sagen: "Wir tun nur unsere Pflicht und weisen die Schulen darauf hin, dass man Gesetze befolgen muss." Jedes mal, wenn Sie an dem § 44 im Schulgesetz rumgeschraubt haben, wurden die Schulen mit einem Brief darüber informiert. Das war 2003 so und das war 2005 so. Nur 2006 will die Schulbehörde mit den Schulen nicht gesprochen haben. Niemand will die Schulen beruhigt haben, dass man das schon regeln würde. Das glaubt Ihnen doch niemand! Den Ärger und das Leid haben jetzt die Schülerinnen und Schüler- und mit ihnen die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer.

Es wäre ein leichtes für sie, wenn wir gemeinsam und schnell die gesetzlichen Grundlagen schaffen würden, damit die bewährte Praxis der Berichtzeugnisse in den Integrationsklassen weitergeführt werden könnte. Damit würde es in ganz Hamburg weiterhin in den 3. und 4. Klassen die von ihnen gewünschten Noten geben - nur eben nicht in Integrationsklassen und den Integrativen Regelklassen. Ich möchte an dieser Stelle die Behinderten-Beauftragte der Bundesregierung Karin Evers-Meyer zitieren: "Die Entscheidung, welche Art von Leistungsbewertung erfolgt, sollte den Schulen im Einvernehmen mit den Eltern überlassen werden."

Sie reden doch immer von mehr Selbständigkeit der Schulen; vom wichtigen Engagement der Eltern. Meine Damen und Herren von der CDU: Machen Sie bei den Integrationsklassen ernst damit: Überlassen Sie die Entscheidung über die Art der Leistungsbewertung der Schule und den Eltern!