Wie positioniert sich Ihre Fraktion zum Antrag 20/4886?

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Christian Dürr
FDP
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Frage von Julia K. •

Wie positioniert sich Ihre Fraktion zum Antrag 20/4886?

Sehr geehrter Herr Dürr,
ich gehöre zu den mindestens 500.000 an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland.
Der zum Thema ME/CFS gestellte Antrag 20/4886 wurde ja am 19.01. im Plenum diskutiert und es gab am 19.04. im Gesundheitsausschuss eine Anhörung dazu.
Wann wird die Abstimmung im Bundestag stattfinden? Wie positioniert sich Ihre Fraktion dazu, planen Sie als FDP geschlossen dem Antrag zuzustimmen? Und falls nicht, warum nicht? Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank.

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Antwort von
FDP

Guten Tag,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Sie sprechen ein sehr wichtiges Thema an. Mir ist bewusst, dass die Versorgungssituation für ME/CFS-Betroffene prekär ist und es bisher keine Ansätze gibt, um die Erkrankung gezielt zu behandeln. Dies liegt vor allem an der jahrelang vernachlässigten Grundlagenforschung. Einen ersten wichtigen Schritt haben wir als Koalition bereits getan: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert nun erstmals den Aufbau eines Forschungsnetzwerks zu ME/CFS. Für die Jahre 2022 und 2023 wurden dafür Mittel in Höhe von 16,5 Millionen Euro bewilligt. Als Freie Demokraten sind wir uns aber auch bewusst, dass dies nur ein erster Schritt ist, denn der Aufbau von Forschungsstrukturen braucht Zeit. Deshalb setzen wir uns in der Koalition für eine Fortsetzung dieser Forschungsförderung ein.

Angesichts der Dramatik und auch Dringlichkeit des Themas begrüßen wir es, dass die Union mit ihrem Antrag die Debatte im Bundestag angeregt hat. Im Bundestag befassen wir uns fraktionsübergreifend seit Frühjahr 2022 im Rahmen einer Petition damit, welche Verbesserungen seitens der Politik möglich und nötig sind, um Veränderungen in der Versorgung von ME/CFS-Patientinnen und Patienten anzustoßen. Um die Versorgungssituation zügig zu verbessern, haben wir im Parlament mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz den Gemeinsamen Bundesausschuss , das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, gesetzlich damit beauftragt, bis zum 31. Dezember 2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID und ähnlichen Krankheitsbildern wie etwa ME/CFS zu beschließen. Dabei soll auch festgelegt werden, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gewährleistet werden kann.

Der Antrag der CDU/CSU-Fraktionen hat wertvolle Impulse gegeben, weist aus unserer Sicht jedoch auch inhaltliche Schwächen auf. So denken wir, dass die Erstellung eines regional und fachlich gegliederten Verzeichnisses über Ärztinnen und Ärzte im vertragsärztlichen und stationären Bereich mit spezifischer Expertise zu ME/CFS den Betroffenen dienlicher wäre als der Aufbau von Koordinierungsstellen bei den Bundesländern. Betroffene wissen oft nicht, welche Ärztinnen und Ärzte sich überhaupt mit dem Krankheitsbild auskennen und pendeln von Anlaufpunkt zu Anlaufpunkt, was zusätzlich Kraft kostet. Durch die mangelnde Aufklärung von Politik, Ärzteschaft und Öffentlichkeit erfahren die Patientinnen und Patienten oft erhebliche Stigmatisierung sowie mangelnde Anerkennung bei Krankenkassen, Versorgungsämtern, Rentenversicherungen, Schulen und Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Sozialdienstes und der Jugend -und Familienberatung. Hier sehen wir dringenden Aufklärungsbedarf. Die von der Union geforderte Aufklärungskampagne lässt jedoch die Adressaten offen. Inhalte ärztlicher Weiterbildungen sind de facto eine ausschließliche Angelegenheit der Ärztekammern, auf die der Gesetzgeber keinen Einfluss hat. Lehrkräfte-Fortbildungen hingegen liegen in der Zuständigkeit der Kultus- und Wissenschaftsministerien der Länder. Diese sind hier dringend aufgerufen, Initiative zu ergreifen. Auch die Ermöglichung der schulischen Teilhabe für schwer Erkrankte liegt in Länderverantwortung. Dies ist im Falle von ME/CFS fast ausschließlich über Homeschooling oder digitale Angebote möglich. Hier empfiehlt sich beispielsweise eine stärkere Nutzung des Digitalpaktes durch die Länder. Hier gehen die Freien Demokraten mit positivem Beispiel voran. So wurde in Thüringen ein umfangreicher Antrag von der FDP in den Landtag eingebracht, der unter anderem diese Themen adressiert. 

Aus den genannten und vielen weiteren Gründen ist der Antrag der Union für uns nicht zustimmungsfähig gewesen. Seien Sie jedoch versichert, dass wir mit Hochdruck an dem Thema arbeiten und uns für den Aufbau von den im Koalitionsvertrag genannten Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für ME/CFS und auch ein langfristig gesicherte Forschungsfinanzierung einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr 

Christian Dürr

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