Frage an Christian Ehler bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Christian Ehler
CDU
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Frage von Marcel S. •

Frage an Christian Ehler von Marcel S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Ehler,

gern möchte ich mich heute mit ein paar Fragen zum EU-Parlament an Sie als ‚meinen Brandenburger Europa-Abgeordneten‘ wenden, da ich dachte, dass ich mit folgenden Fragen bei Ihnen genau an der richtigen Stelle bin. Natürlich habe ich diesbezüglich auch im Internet recherchiert – nur sind die Massen an Informationen z. T. verwirrend und recht kurze prägnante Informationen und übersichtliche Internetlinks dazu würden mir völlig ausreichen. Vielen Dank im Voraus, falls Sie mir folgende Fragen beantworten können!

1. Warum genau wurde das EU-Parlament gegründet?
2. Welche Kompetenzen genau hat das EU-Parlament im Laufe der Zeit hinzugewonnen?Wann und mit welchem Vertrag ist dies genau geschehen?
3. Auf welchen Politikfeldern hat das EU-Parlament und die EU allgemein Gesetzgebungskompetenzen und auf welchen Gebieten liegen die Kompetenzen ausschließlich bei den Mitgliedstaaten?

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Marcel Schöneberg

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CDU

Sehr geehrter Herr Schöneberg,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen hiermit gerne beantworten möchte.

1.

Das Europäische Parlament wurde 1952 unter dem Namen „ Gemeinsame Versammlung“ gegründet und hatte ausschließlich beratende Funktionen. Vorher gab es die Europäische Gemeinschaft und die Montanunion, die sozusagen die Vorläufer des Parlaments waren. Der Hauptgrund für die Gründung des EP liegt wie bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in erster Linie in der Friedenssicherung nach den Erfahrungen der Weltkriege, aber auch in der Erkenntnis, dass gemeinsame Interessen durch Integration/ Zusammenschluss verstärkt durchgesetzt werden können.

Die EGKS war ein derartiger Erfolg, dass ihre sechs Gründungsmitglieder nach wenigen Jahren übereinkamen, eine Integration weiterer Bereiche ihrer Wirtschaft vorzunehmen. 1957 unterzeichneten sie den Vertrag von Rom und gründeten damit die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Ziel der Mitgliedstaaten war die Beseitigung von Handelshemmnissen und die Bildung eines "Gemeinsamen Marktes".

1967 wurden die Organe der drei Europäischen Gemeinschaften vereinigt. Seitdem gibt es eine gemeinsame Kommission und einen gemeinsamen Ministerrat sowie das Europäische Parlament als solches.

2.

Seit der ersten Direktwahl im Jahr 1979 hat das Europäische Parlament seine Kompetenzen Zug um Zug ausgebaut. Heute beschließt das Parlament zusammen mit dem Ministerrat Gesetze, die in allen Mitgliedstaaten der EU gültig sind und die unser tägliches Leben betreffen. Allerdings besitzt das Europäische Parlament insbesondere in Bezug auf die Bildung der Exekutive noch immer weniger Einfluss als die meisten nationalen Parlamente. In folgenden Schritten gewann das Europäische Parlament schrittweise an Bedeutung:

- 1971: die Abgeordneten wurden am Haushaltsverfahren der Gemeinschaften beteiligt

- 1986 Einheitliche Europäische Akte : Mit dem so genannten Verfahren der Zusammenarbeit war das EP nun an der allgemeinen Gesetzgebung beteiligt und konnte offiziell Änderungsvorschläge an Gesetzentwürfen machen, auch wenn nach wie vor das letzte Wort beim Ministerrat verblieb

- 1992 Vertrag von Maastricht: In diesem wurde nun für einige Politikbereiche das so genannte Mitentscheidungsverfahren eingeführt, in dem das Parlament dem Rat gleichgestellt wurde. Es konnte nun einen Gesetzentwurf zwar noch immer nicht gegen den Willen des Rats durchsetzen; allerdings konnte auch nichts mehr ohne das Parlament beschlossen werden. Außerdem erhielt es das Recht, eigenständig Untersuchungsausschüsse einzusetzen, was seine Kontrollmöglichkeiten stark erweiterte.

- 1997 Vertragsreformen von Amsterdam/ 2001 Nizza : Ausweitung des Mitentscheidungsverfahren auf einen Großteil der Politikbereiche der Europäischen Union

- 2007 Vertrag von Lissabon ( seit 1.12.2009 in Kraft): Ausweitung des Mitentscheidungsverfahren auf die Gemeinsame Agrarpolitik und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Parlament erhält außerdem die volle Hoheit über die Ausgabenseite des EU-Haushalts

3.

Das Parlament hat drei wesentliche Aufgaben: Gesetzgebung, Haushaltskontrolle und Kontrolle der Europäischen Kommission. Das Europäische Parlament hat kein unmittelbares Initiativrecht, das heißt, es kann keine eigenen Gesetzesvorlagen einbringen. Neben dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gibt es noch andere Formen der Rechtsetzung in der EU, bei denen das Parlament weniger Mitspracherechte besitzt. Diese erstrecken sich nach dem Vertrag von Nizza heute jedoch nur noch auf einige bestimmte Politikbereiche. So muss das Parlament im Bereich der Wettbewerbspolitik und bestimmten Feldern der Gemeinsamen Handelspolitik lediglich angehört werden; auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hat es kaum Mitspracherechte.

Es gibt verschiedene Formen von Zuständigkeiten:

- ausschließliche Zuständigkeit der EU

- geteilte Zuständigkeit

- unterstützende Zuständigkeit

Die EU kann nur in den Politikbereichen gesetzgebend tätig sein, die in den Gründungsverträgen ausdrücklich genannt sind. Außerdem geben die Verträge für die einzelnen Bereiche jeweils Ziele vor, auf die die Maßnahmen der EU ausgerichtet sein müssen. Alle Zuständigkeiten, die der EU nicht ausdrücklich in den Gründungsverträgen übertragen wurden, verbleiben bei den Nationalstaaten.

In den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der EU fallen zum Bsp.:

- die Europäische Zollunion

- die Festlegung der Wettbewerbsregeln für den Europäischen Binnenmarkt

- die Währungspolitik der Staaten, die an der Europäischen Währungsunion teilnehmen

- die Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik

- die Gemeinsame Handelspolitik

Bei allen Maßnahmen der EU gelten außerdem das Subsidiaritätsprinzip. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität sollen politische Entscheidungen nach Möglichkeit auf die niedrigste mögliche Ebene verlagert werden, also auf die nationalen, regionalen bzw. lokalen politischen Beschlussorgane der EU-Mitgliedstaaten. Die Europäische Union soll deshalb nur dann tätig werden, wenn untere Entscheidungsebenen nicht in der Lage sind, Probleme selbstständig in angemessener Form zu lösen.

In den folgenden Politikfeldern treffen die Nationalstaaten letztendlich eigenständige Entscheidung:

-Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

-Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

-Die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben, und danke nochmals für Ihr Interesse an der Arbeit des Europäischen Parlaments.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Christian Ehler, MdEP

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