Warum wird das Pyramidensystem (Rentensystem) nicht reformiert? Den Rentenpott einmal glatt ziehen,mit einer Einmalzahlung in die Rentenkasse und dann zahlt jeder für sich selbst ein.

Portrait von Christine Müller-Hechfellner
Christine Müller-Hechfellner
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Christine Müller-Hechfellner zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Marcus M. •

Warum wird das Pyramidensystem (Rentensystem) nicht reformiert? Den Rentenpott einmal glatt ziehen,mit einer Einmalzahlung in die Rentenkasse und dann zahlt jeder für sich selbst ein.

Es werden so viele Steuergelder verschwendet nicht "zum Wohle des deutschen Volkes" ausgegeben.Die Steuereinnahmen stehen zur Verfügung.Da muss die Politik mal Prioritäten setzen.Danach würde das Rentensystem ja auch laufen und die WÄHLER sind auch noch zufrieden ! Das könnt ihr euch dann bei der nächsten Wahl als Erfolg auf die Fahne schreiben.

Portrait von Christine Müller-Hechfellner
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Marcus Meza,

die Rentenhöhe orientiert sich in ihrer Höhe bereits jetzt an dem, was der Beitragszahler/ die Beitragszahlerin einzahlt. Falls die Rente von einem Umlagesystem auf ein Ansparsystem umgestellt wird, würde das den Kapitalmarkt aufblähen. Milliarden Beitragsgelder müssten in sicheren Wertpapieren angelegt werden, die in dieser Menge gar nicht zur Verfügung stünden. Die kapitalgedeckte Rente scheint auf dem ersten Blick logisch, hat aber den Nachteil, dass unsere Rente dann vom Kapitalmarkt abhängig wird. Die Schwäche dieses Systems haben diejenigen leidvoll erfahren, deren Renten in der Weltwirtschaftskrise 2008 vom Kapitalmarkt abhängig waren. Viele Finanzprodukte waren nicht mehr viel wert und darunter haben auch die Renten stark gelitten bis hin zu existentiellen Krisen.

Das Umlagesystem hat den Vorteil, dass es während genau dieser Finanzkrise stabil geblieben ist und durch die unterstützende Kaufkraft im Binnenmarkt die deutsche Wirtschaft sich schnell erholen konnte. Das Umlagesystem ist gerecht, weil es die Höhen und Tiefen der Lohnentwicklung nachvollzieht. 
Das demographische Problem (Stichwort Generationengerechtigkeit) wird häufig zu dramatisch bewertet. Die Rentenkasse hat problemlos im vergangenen Jahrhundert die Verkürzung der Regelarbeitszeit von 70 Jahren auf heute 67 Jahre (zwischendurch 65 Jahre) verkraftet und auch eine sinkende Kinderzahl. Im Vergleich zu unserem Außenhandelsüberschuss ist das Lohnniveau in Deutschland, auch im europäischen Vergleich, niedrig. Würden sich die Lohnsteigerungen den Produktivitätssteigerungen anpassen, wären selbst höhere Rentenbeiträge unkritisch.

Es ist eine Frage der breiten Akzeptanz, nicht so sehr eine Frage der Finanzierung, dass möglichst viele in die Rentenkasse einzahlen, deshalb fordern wir GRÜNE auch die Bürgerversicherung. Ein Steuerzuschuss zur Rentenkasse, der heute bereits gezahlt wird, bindet höhere Einkommen und die Unternehmen in die soziale Verantwortung in sofern ein, als dass sie sich über den Weg der Steuer stärker an der Rentenfinanzierung beteiligen. Aus GRÜNER Sicht ist das ein positiver Effekt. Die Beteiligung von Kapitaleinkommen und hohen individuellen Einnahmen über die Steuer an der Rente schließt aus GRÜNER Sicht die Gerechtigkeitslücke, die zwischen hohen und geringen Einkommen besteht, ein wenig. Aber dennoch sollte der größte Teil der Rente beitragsfinanziert bleiben, weil dies die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung stärkt.

In den vergangenen Jahren wurde die deutsche Rente schlechter geredet, als dass sie ist. Das Umlagesystem ist stabil und finanzierbar, weil der Produktivitätsfortschritt die sinkende Kinderzahl und den hohen Anteil älterer Menschen kompensieren kann. Eine Abhängigkeit vom Kapitalmarkt ist unsicherer aufgrund der Schwankungen. Die Kapitaldeckung ist auch ungerechter, weil dadurch die Deutsche Rente mit ausländischem Kapital finanziert wird. Ein Kapital, auf das wir im Zweifel keinen gesetzgeberischen Einfluss hätten. Streng genommen ist es auch kein Ansparsystem, weil zwar in den Kapitalmarkt investiert würde, jedoch müssen zur gleichen Zeit Wertpapiere verkauft werden, um die laufenden Rentenzahlungen zu leisten. Um sich dies zu sparen wird weder gekauft noch verkauft. Es ist im Grunde eine andere Form des Umlagesystems.

Es wäre sogar besser,  wenn wir uns vollständig auf eine gesetzliche Renten verlassen könnten ohne private Vorsorge (Rieser- Rente/Betriebsrenten), weil viele in jungen Jahren aus den unterschiedlichsten Gründen keine Vorsorge betreiben oder es schlichtweg finanziell nicht können. Österreich hat ein ähnliches Rentensystem wie wir, aber ein wesentlich höheres Rentenniveau, weil die Österreicher nicht so sehr auf die private Vorsorge gesetzt haben wie Deutschland. Das sollte unser Ziel sein.