Frage an Claudia Roth von Thomas M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Roth,
Die Bundesregierung hat vor Kurzem mit der Schweiz ein Abkommen unterzeichnet, in dem die steuerliche Behandlung von in der Schweiz deponierter Vermögenswerten Bundesdeutscher Bürger geregelt wird.
Gerade die Experten aus der Steuerfandung und der Strafverfolgung von organisiertem Verbrechen kommentieren hierzu, dass dadurch definitiv nicht nur Wirtschaftkriminellen sondern auch dem organisiertem Verbrechen quasi Beihilfe zur Steuerhinterziehung und des fortgesetzten wirtschaftskriminellen Verbrechens geleistet wird. Zudem wird für einen vergleichsweise lächerlich geringen Abschlag auf Steuernachzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe verzichtet und die Moral aller übrigen Steuerzahler unterminiert.
Als Volksvertreter in unserem (von Steuergeldern finanzierten) Bundestages sind Sie verpflichtet, Schaden von unserem Volk abzuwenden und die Gesetze der Bundesrepublik zu achten und deren Beachtung Geltung zu verschaffen. Bitte sagen Sie mir, was Sie ganz persönlich und ganz konkret und in welchem Zeitrahmen dazu unternehmen wollen, dass das Abkommen revidiert wird und Wirtschaftkriminelle dadurch nicht unterstützt beziehungsweise ihnen Beihilfe geleistet wird.
Meine Frage gilt nicht nur der strafrechtlichen Relevanz sondern zielt insbesondere auch auf Ihre persönliche ethische und moralische Verpflichtung und Verantwortung sich selbst und uns Mitbürgern gegenüber.
Ich bitte Sie herzlich, mir meine Frage baldmöglichst, d.h. innerhalb der nächsten einundzwanzig Tage, zu beantworten. (Bis dahin dürften die Ferien für Bundestagsabgeordnete wohl auch beendet sein)
Herzlichen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Mundt
Sehr geehrter Herr Mundt,
eine persönliche Antwort auf Ihre Frage kann nicht losgelöst vom Kontext unserer parlamentarischen Aktivitäten gegeben werden. Unsere Position in dieser Frage haben wir in den parlamentarischen Debatten und Stellungnahmen deutlich gemacht und argumentativ beschrieben, warum wir das Abkommen mit der Schweiz für falsch und in jeder Hinsicht nicht zielführend halten. Wir sind der Überzeugung, dass es jahrelange Bemühungen auf der EU-Ebene zunichte macht, Steuerhinterziehung durch Informationsaustausch zu bekämpfen. Diese Fortschritte werden durch ein bilaterales Amnestie- und Abgeltungssteuerabkommen mit der Schweiz unterlaufen. Die Verhandlungen der USA mit der Schweiz haben gezeigt, dass das Bestehen auf einem Informationsaustausch nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich sein kann.
Das Abkommen würde im Falle der Umsetzung mehr steuerliche Ungerechtigkeit bringen und die Verfolgung von Steuerhinterziehung behindern. Denn die anonyme Abgeltungssteuer führt zu einer Amnestie für Steuersünder. Für ehrliche Steuerzahler ist das eine inakzeptable Ungerechtigkeit. Auch Vergehen wie Erbschaftsteuerbetrug und Geldwäsche bleiben durch die im Abkommen vereinbarte Anonymität im Dunkeln. Künftige Steueränderungen in Deutschland, mit denen eine gerechtere Besteuerung von Kapitaleinkünften umgesetzt werden soll, würden erschwert. Zudem muss die deutsche Finanzverwaltung Kompetenzen ohne weitere Prüfmöglichkeit an die Schweizer Banken abgeben und hat viel zu wenig Möglichkeiten für die Verfolgung von Steuerhinterziehung.
Mit freundlichen Grüßen
Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro