Frage an Dennis Melerski bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Dennis Melerski
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Dennis Melerski zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Roland R. •

Frage an Dennis Melerski von Roland R. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Wenn der Bundestag Milliarden mehr ausgibt hat das auch Auswirkungen auf die Landeshaushalte.
Was halten Sie von den EU-Hilfen für Griechenland?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reifers,

vielen Dank für Ihre wichtige Frage.

Die Auswirkungen der Finanzhilfe für Griechenland auf die Länderhaushalte sind zur Zeit nicht eindeutig kalkulierbar. Zum einen ist nicht an eine direkte Finanzhilfe aus dem Bundeshaushalt an Griechenland gedacht. Die Lösung, die bisher diskutiert wird, wäre ein Kredit der bundeseigenen KfW-Bank an Griechenland zu einem Zinssatz von 5 %. Die KfW kann selbst hingegen aktuell zu 3,5 % auf den internationalen Finanzmärkten Geld aufnehmen, das heißt, dass die KfW (und damit mittelbar die Bundesrepublik) an diesem Kredit noch Gewinn machen wird. Für den Fall, dass Griechenland diesen KfW-Kredit nicht bedienen und zurückzahlen könnte, greift dann allerdings in der Tat eine Bürgschaft des Bundes. Also wäre das Geld erst verloren, wenn Griechenland tatsächlich komplett zahlungsunfähig werden würde. Für den sehr viel wahrscheinlicheren Fall, dass Griechenland mit Unterstützung durch die EU (und damit auch Deutschland) und den IWF „gerettet“ werden wird, bedeutet das also sogar ein Plus-Geschäft für die deutschen SteuerzahlerInnen.

Sollte tatsächlich ein Totalausfall eintreten, ist auch nicht absehbar, wie diese Lasten dann innerhalb der Bundesrepublik geschultert würden. Klar ist natürlich: wenn im Bund weniger Geld da ist, hat das auch negative Auswirkungen auf die Landeshaushalte. Allerdings haben auch viele anderen politischen Entscheidungen des Bundes Auswirkungen auf die Länder, zu nennen ist hier vor allem das sog. „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ mit der aus unserer Sicht völlig irrsinnigen MWSt.-Entlastungen für Hotels durch die Bundesregierung. Ihnen wird bekannt sein, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung - insbesondere die FDP - weitere Steuersenkungen plant, auch dadurch würde der finanzielle Rahmen der Länder noch enger. Deswegen lehnen wir Grüne diese Steuersenkungspläne strikt ab.

Ich möchte Sie an dieser Stelle auch noch darauf hinweisen, dass gerade wir in Deutschland uns fragen müssen, an welchen Stellen wir eine Mitverantwortung für die griechische Krise tragen. Deutschland lebt vom Export und hat seit Jahren steigende Exportüberschüsse. Das haben wir uns mit einer Niedriglohnpolitik zu Lasten der ArbeitnehmerInnen erkauft - die Reallöhne in Deutschland sind in den vergangenen 20 Jahren im europäischen Vergleich völlig unterproportional gestiegen bzw. sogar teilweise gefallen. Unser Lohndumping bedeutet aber zwingend, dass in anderen Ländern - eben auch in Griechenland - Handelsbilanzdefizite entstehen. Am Entstehen der griechischen Probleme hat unsere Wirtschaft also gut verdient und tut das noch. Das sagen nicht nur die Grünen, das sagt zum Beispiel auch die konservative französische Finanzministerin. Wir sollten das in dieser Diskussion nicht vergessen.

Die griechische Regierung hat ein sehr striktes und tiefgreifendes Spar- und Konsolidierungsprogramm aufgelegt. Das ist richtig und notwendig. Für uns Grüne bedeutet Europäische Solidarität, der wir uns selbstverständlich verpflichtet fühlen, die europäischen Partner nicht im Regen stehen zu lassen. Wir wollen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger, nicht nur ein Europa der Wirtschaftseliten. Deswegen weisen wir die populistischen Angriffe aus Reihen der Union und der FDP auf Griechenland entschieden zurück. Aber auch ganz egoistisch gedacht hat Deutschland ein Interesse daran, die Eurozone stabil zu halten. Wenn Europa Griechenland nun scheitern lassen oder gar aus der Eurozone ausschließen würde, hätte das dramatische Folgen und würde den Euro drastisch schwächen. Zudem drohten in diesem Fall weitere EU-Länder noch tiefer in den Strudel gerissen zu werden - z. B. Portugal, Italien und Spanien. Das kann nicht im Interesse Europas und auch nicht im Interesse Deutschlands sein.

Eine Konsequenz aus der Lage für uns Grüne heißt ganz klar: Wir haben einen europäischen Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung (und das ist auch gut so), aber uns fehlt eine wirtschaftspolitische Steuerung, die verhindert, dass einige EU-Länder ihre Wirtschaftspolitik zu Lasten anderer EU-Partner aufstellen. Deswegen brauchen wir eine Europäische Wirtschaftsregierung.

Für weitere Informationen zum Thema möchte ich Sie auf die Website meines Parteifreunds Sven Giegold MdEP verweisen: http://www.sven-giegold.de/. Herr Giegold ist Wirtschafts- und Währungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament und vertritt für die Grünen Nordrhein-Westfalen im EP. Hier: http://www.sven-giegold.de/wp-content/uploads/2010/03/Die_griechisch_europ%C3%A4ische_Krise_durchgearbeitet.pdf finden Sie ein Positionspapier zur Griechenlandkrise, an dem er maßgeblich mitgearbeitet hat, und hier: http://www.sven-giegold.de/2010/griechenlandkrise-langen-forderung-nach-euro-austritt-athens-ist-populistisch-und-anti-europaisch/ seine aktuellste Pressemitteilung zum Thema.

Mit freundlichen Grüßen

Dennis Melerski