Frage an Dieter-Lebrecht Koch bezüglich Innere Sicherheit

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Dieter-Lebrecht Koch
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Frage von Lutz E. •

Frage an Dieter-Lebrecht Koch von Lutz E. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Dieter-Leberecht Koch,
die aktuellen Ereignisse um die Bespitzelungspraxis des US-Nachrichtendienstes NSA und des britischen Geheimdienstes GHCQ berühren auch die Interessen der Menschen im Wahlkreis 195.
Es geht hier nicht um irgendwelchen technischen Schnick-Schnack, auch nicht um den Kampf gegen den Terrorismus, denn dann wären wir alle, die Internetnutzer Terroristen, es geht um unser verfassungsmäßig verankertes Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung. Datenerfassung und Datenspeicherung ohne richterlichen Beschluss und hinreichendem Tatverdacht machen uns zu gläsernen Menschen.
Schon vor etwa zwölf Jahren wurde mit der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichtes des EU-Parlaments bekannt, dass der US-Nachrichtendienst, Daten der privaten Kommunikation und Wirtschaftsdaten über das Programm ECHOLON abschöpfte.
Meine Frage an Sie als Bundestagsabgeordneter:

1.Haben Sie von der Ausspähpraxis der Geheimdienste, auch im Rahmen des Programms Echolon gewusst?
2.Wenn ja – was haben Sie dagegen unternommen, um die Grundrechte der Wähler ihres Wahlkreises zu schützen?
3.Welche Konsequenzen werden Sie aus den Ereignissen ziehen, um so etwas zukünftig zu verhindern bzw. zumindest beherrschbarer und transparenter zu gestalten?
4.Werden Sie dafür sorgen, dass die betroffenen Bürger Ihres Wahlkreises über Art und Umfang Ihrer Bespitzelung informiert werden?

Herzlichen Dank im Voraus – mit freundlichen Grüßen

Lutz W. Eichler

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CDU

Sehr geehrter Herr Eichler,

Vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie sich anlässlich des NSA-Skandals besorgt gegenüber dem Datenschutz in der EU zeigen. Obgleich ich kein Bundestagsabgeordneter bin, wie Sie mich anschreiben, sondern Mitglied des Europäischen Parlaments, nehme ich gern die Stellung.

Auch ich bin schockiert über das, was durch die Enthüllungen von Edward Snowden über die Ausspähungsprogramme britischer und amerikanischer Geheimdienste öffentlich wurde - diese Praxis der Datensammlung- und Nutzung ist mit meinem Verständnis des europäischen Rechtsstaats nicht vereinbar.
Das Infiltrieren von Computern von EU-Vertretungen oder das Abhören diplomatischer Vertretungen von Frankreich, Italien oder Griechenland sind keinesfalls hinnehmbar. Ebenso ist es nicht akzeptabel, dass (gegebenenfalls unter einem falschen Vorwand) Wirtschaftsspionage betrieben wird und erst recht nicht, dass private E-Mail Konten Unverdächtiger ausgeforscht werden.

Bei aller Empörung über das Ausspähen von Daten und der willkürlichen Verletzung der Privatsphäre durch Geheimdienste darf allerdings nicht vergessen werden, dass Informationen über andere Staaten seit jeher auch ein Bestandteil internationaler Beziehungen ist. Denn es gilt auch: Nicht alles, was im Geheimen geschieht, ist automatisch rechtswidrig. Wir leben in einem Rechtsstaat und sollten diesen als hochschützenswertes Gut verteidigen. Daher muss unsere Richtschnur zur Bewertung der Enthüllungen nicht unsere Empörung, sondern der Rechtsstaat sein.

Die Aufdeckung des Echelon-Systems war Anfang des Jahrtausends ein Skandal, der auch im Rahmen der damaligen Untersuchung im Europäischen Parlaments für kontroverse Diskussionen gesorgt hat. Die Enthüllungen von Edward Snowden zeigen uns nun, dass die Globalisierung auch vor den Geheimdiensten nicht Halt macht. Weiterhin zeigen Sie uns zwölf Jahre nach Echolon, dass das Thema der umfassenden, geheimen Auswertung von Daten durch Geheimdienste aktueller ist denn je.

Sie fragen, welche Konsequenzen das Europäische Parlament aus den Ereignissen ziehen wird. Zunächst ist eine weitergehende Aufklärung über die geheimdienstlichen Ausspähprogramme notwendig. Dazu benötigen wir von staatlicher Seite mehr Details über die rechtliche Lage und die praktische Durchführung der Programme. Zu diesem Zweck hat das Europäische Parlament im Rahmen des Innenausschusses ein "Inquriy Committee" eingerichtet, das bis zum Jahresende regelmäßig tagt und Ursachenforschung betreibt. Sie können die Sitzungen des Ausschusses im Internet live mitverfolgen: http://www.europarl.europa.eu/committees/de/libe/home.html#menuzone .

Darüber hinaus haben wir bereits im Juli 2013 in einem fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag deutlich Stellung bezogen und von den USA umfassende und zügige Aufklärung verlangt. Den vollständigen Text der Entschließung finden Sie unter dem folgenden Link: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2013-0322+0+DOC+XML+V0//DE .

Weiterhin fordern wir, dass die betroffenen Unternehmen wie Facebook, Google, etc. ihre Kunden über die Datenverarbeitung besser informieren und so Transparenz schaffen sollen. Außerdem müssen wir darauf drängen, EU-Bürger mit einem besseren grundrechtlichen Schutz in den USA zu versehen. Dies erscheint vor dem derzeitigen Hintergrund dringend notwendig. Hierfür setzen wir uns unter anderem im Rahmen der Verhandlungen für eine Datenschutzgrundverordnung und einem Datenschutzrahmenabkommen mit den USA ein.

Bei den nun anstehenden Untersuchungen dieser Vorkommnisse im Europäischen Parlament wird es darauf ankommen, zuverlässige Tatsachenforschung zu betreiben und differenzierte politische Lösungen zu finden. Im Inquiry Committee des LIBE-Ausschusses müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden. Wir stehen hier vor einer harten Debatte; denn die Lösung kann nicht sein, die Tätigkeiten der Geheimdienste im Datenzeitalter zu bekämpfen, einzuschränken oder abzuschaffen. Freiheit und Sicherheit, sind zwei Grundwerte, die seit jeher im Konflikt stehen; Sie müssen durch Recht und Gesetz immer wieder in Einklang gebracht werden. Die extremen technologischen Veränderungen des letzten Jahrzehnts fordern uns hier ganz neu heraus.

Die EU hat die Verpflichtung, die Daten ihrer Bürger vor dem illegalen Zugriff Dritter -seien dies staatliche oder private Stellen- zu schützen. Dazu könnte auch die Förderung eines europäischen Cloud-Systems in Betracht gezogen werden. Wenn Daten von europäischen Anbietern in Europa gespeichert werden, unterliegen sie zweifelsfrei europäischen Datenschutzrecht. Eine Situation, in der ausländische Unternehmen den lokalen Geheimdiensten europäische Daten ausliefern müssen, sollte dann von vornherein ausgeschlossen sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter-L. Koch, MdEP