Frage an Elisabeth Jeggle bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Elisabeth Jeggle
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Frage von Joachim H. •

Frage an Elisabeth Jeggle von Joachim H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Europaabgeordnete Jeggle,

mit Interesse habe ich Ihre Antwort an Herrn B. gelesen. Ich stimme Ihnen zu, daß die Pressefreiheit ein hohes Gut und ein Grundpfeiler unserer Demokratie ist. Wieso fordert aber dann in Deutschland die Verbraucherministerin Aigner eine Zensur des Internets gegen Rechts?

Ich beziehe mich dabei auf die Fragen eines Bürgers an Frau Aigner, die einen Verein unterstützt, der das Netz gegen rechte Meinungen zensieren will.

http://www.abgeordnetenwatch.de/ilse_aigner-575-37446--f269199.html#q269199

Hier finden Sie auch Beweise für andere Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland, z.B. erpresserischer Druck auf Zeitungsläden bestimmte Druckerzeugnisse nicht mehr zu verkaufen.

Eine Ausgewogenheit in den Medien, wie es wohl das neue Gesetz in Ungarn fordert, findet auch in Deutschland nicht statt. Denken Sie nur an den skandalösen Rausschmiß von Eva Hermann aus der Kerner Talkshow.

Muß man nicht zuerst in Deutschland sicherstellen, daß die Presse- und Meinungsfreiheit gewährleistet ist? Halten Sie eine Zensur rechter oder linker Meinungen im Netz für gerechtfertigt?

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Hahn

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hahn,

zunächst darf ich mich für Ihre Frage vom 6. Januar 2011 bedanken. Zur Beantwortung Ihrer Fragestellung bedarf es der verfassungsrechtlichen Einordnung, in welchen Grenzen und Schranken das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art 5 Abs.1 S. 1 GG) sowie das Grundrecht auf Pressefreiheit (Art 5 Abs.1 S. 2 GG) in Deutschland gewährleistet wird. Weiterhin ergibt sich aus Art. 5 Abs.1 S. 3 GG ein staatliches Zensurverbot.

Diese verfassungsmäßigen Rechtgrundlagen werden in unserer Rechtsordnung umfassend nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zugrunde gelegt und in der täglichen Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis angewendet. Dem Bürger steht letztlich darüber hinaus der Weg der Verfassungsbeschwerde zum BVerfG offen, um seine grundrechtlich geschützten Rechtspositionen durchzusetzen.
Das Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit wird aber auf Grundlage des Grundgesetzes nicht schrankenlos gewährt. Mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtsprechung und die herrschende Lehre ergibt sich hierzu im Überblick folgendes Bild:

Auch in einer freiheitlichen Demokratie muss jeder einzelne Rücksicht auf Belange der Allgemeinheit und die Rechte Dritter nehmen. Der Gesetzgeber muss deshalb einen Ausgleich suchen und kann sich dabei auf die Gesetzesvorbehalte in Art. 5 Abs. 2 GG stützen. Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist nur im Rahmen der sogenannten allgemeinen Gesetze sowie der Bestimmungen zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre gewährleistet. Weitere Schranken ergeben sich außerdem hinsichtlich kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang. Diese allgemeinen Gesetze müssen ihrerseits die Bedeutung der Meinungsfreiheit respektieren und den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG entsprechen. Vor allem aber müssen sie so ausgelegt werden, dass in allen die Öffentlichkeit wesentliche berührenden Fragen eine Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit bestehen bleibt (BVerfG, Urteil vom 15. 1. 1958 E 7, 198, 208f. - Lüth-Urteil). Unter allgemeinen Gesetzen versteht das BVerfG solche, die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung selbst richten, sondern dem Schutz eines umfassenderen Rechtsgutes dienen. Das sind natürlich vor allem die Strafgesetze, aber auch der zivilrechtliche Deliktsschutz.

Aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG ergibt sich weiterhin ein staatliches Zensurverbot, welches für die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gilt. Auf die Informationsfreiheit ist das Zensurverbot nicht anwendbar (BVerfGE, NJW 1970, 238 Urteil "verzögerte Postauslieferung"). Die Verfassung verbietet nur die Vorzensur und nicht auch die Nachzensur. Als Vor- oder Präventivzensur werden einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) bezeichnet (BVerfGE, NJW 1972, 1934; BVerfG, NJW 1993, 1457). Das Zensurverbot richtet sich dabei allein gegen die staatliche Gewalt und entfaltet keine Drittwirkung gegenüber Privatpersonen (v.Münch/Kunig/Wendt GG Art. 5 Rn. 64). (Weitere Quellen: Beck´scher Online-Kommentar zum GG, Stand 10/2010 sowie Erfurter Kommentar, 11.Auflage 2011.)

Innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens sind Medienvertreter jeder Art berechtigt, völlig frei darüber zu entscheiden, welche Tatsachen und Meinungen veröffentlicht werden. Eine Einflussnahme des Staates hierauf kann in der Bundesrepublik Deutschland nur innerhalb des engen verfassungsrechtlichen Rahmens (s.o.) erfolgen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte und bedanke mich für Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüßen,

Elisabeth Jeggle
Mitglied des Europäischen Parlaments