Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Annalena W. bezüglich Wirtschaft
Wie stehen Sie zu der Frage, ob der Staat, um die Wirtschaft zu fördern, eine höhere Staatsverschuldung in Kauf nehmen soll? Würden Sie eher dem Keynesianismus oder dem Neoliberalismus zustimmen, wenn ja, bzw. nein, warum?
Sehr geehrte Frau Wolf,
gerne beantworte ich Ihnen die Frage zu unserer wirtschaftspolitischen Ausrichtung. Eigentlich sind solche Fragen eher ungewöhnlich, aber ich habe ein wenig den Eindruck, dass Sie das für ein Referat brauchen. Zu Recht? Dann viel Erfolg dabei.
Vorab sei gesagt, dass die CDU/CSU sich grundsätzlich keiner akademischen Denkschule verpflichtet. Dennoch weist unsere Wirtschaftspolitik Eigenschaften auf, die sich den verschiedenen ökonomischen Strömungen zuordnen lassen.
Oberstes Leitbild unseres wirtschaftspolitischen Handelns ist die soziale Marktwirtschaft. Auf der Basis eines freien Marktes hat der Staat die Aufgabe als Korrektiv einzugreifen, wo der ungehemmte Kapitalismus versagen oder zu massiven sozialen Ungerechtigkeiten führen würde. Unserem Verständnis nach ist der Markt allein nicht in der Lage immer von selbst zum gesamtgesellschaftlich optimalen Ergebnis zu kommen. Wohin ungezügelter Kapitalismus führt hat die Finanzkrise jüngst gezeigt. Darauf haben wir im Übrigen reagiert: Allein in der letzten Legislaturperiode verabschiedeten wir über 30 Gesetze im Bereich der Finanzmarktregulierung, um eine solche Krise in Zukunft zu verhindern, bevor sie entstehen kann.
Durch die starken Verwerfungen an den Finanzmärkten und den großen negativen Einfluss auf die Realwirtschaft während der Krise, musste die Politik damals handeln. In solchen Fällen ist ein staatliches „deficit spending“, wie es der Keynesianismus vorsieht, von Nöten. Durch die Konjunkturpakete, die zu privaten Investitionen anregen und die aggregierte Nachfrage der Volkswirtschaft heben konnten, hat die Politik in Deutschland zur Überwindung der Krise beigetragen.
Zur Konjunkturpolitik gehört dann aber auch, dass man die entstandenen Defizite in Boom-Zeiten wieder abbaut, was von vielen Politikern weltweit gerne übersehen wird. Mit unserer Konsolidierungspolitik zeigen wir, dass das auch anders geht. Aus unserer Sicht verhindert die Politik der Haushaltskonsolidierung mit gesetzlicher Schuldenbremse die Verdrängung von Investitionen aus dem privaten Sektor und verbessert die Situation für Investoren langfristig. Eine gute Infrastruktur, Investitionen in Bildung und die Sicherung der Attraktivität des Standorts Deutschland müssen im Blickpunkt der Maßnahmen stehen. Politik nur von der Nachfrageseite her zu betreiben, halten wir daher für falsch.
Überhaupt ist es erstrebenswert die Wirtschaftspolitik nachhaltig so auszurichten, dass der Staat möglichst wenig in den Wirtschaftskreislauf eingreifen muss. So verlockend eine perfekte keynesianische Konjunktursteuerung auch erscheinen mag: In der Praxis ist sie auf Dauer nicht umsetzbar. Exakte, detaillierte Informationen über die Entwicklung der Konjunktur wären dazu von Nöten. Ein Konjunkturprogramm zum falschen Zeitpunkt eingesetzt, wirkt sonst schnell prozyklisch, was zu komplett entgegengesetzten Effekten führt, als gewünscht.
Daher setzen wir zum Abschwächen starker konjunktureller Schwankungen insbesondere auf die sogenannten „automatischen Stabilisatoren“ (Beispiele sind die progressive Einkommensteuer oder die Arbeitslosenversicherungen) die ein aktives staatliches Eingreifen und kreditfinanzierte Ausgabenprogramme weniger notwendig machen.
Auch im Interesse der nachfolgenden Generationen dürfen wir das Geld der Steuerzahler nicht für kurzfristige konjunkturpolitische Strohfeuer verbrauchen, sondern müssen uns auf wirksame und zielgenaue Instrumente konzentrieren. Deshalb werden wir insbesondere auf solche Maßnahmen setzen, die keine dauerhafte Belastung für den Bundeshaushalt mit sich bringen.
Wir möchten, dass die deutsche Wirtschaft nachhaltig erfolgreich bleibt und sehen unser Land auf einem guten Weg. Die Politik hat dabei die Aufgabe für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Ludwig Erhard formulierte es einmal sehr anschaulich so:
„Ebenso wie beim Fußballspiel der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, hat auch der Staat nicht mitzuspielen. Die Zuschauer würden es den Spielpartnern auch außerordentlich übel nehmen, wenn diese vorher ein Abkommen geschlossen und dabei ausgehandelt haben würden, wie viel Tore sie dem einen oder anderen zubilligten. Die Grundlage aller Marktwirtschaft bleibt die Freiheit des Wettbewerbs.“
Ich glaube, man kann festhalten, dass wir weder reine Keynesianer noch radikale Marktliberale sind. Vielmehr verfolgen wir eine Wirtschaftspolitik, die einer modernen sozialen Marktwirtschaft gerecht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker