Frage an Frank-Peter Kaufmann bezüglich Soziale Sicherung

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Frank-Peter Kaufmann
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Frage von Norbert D. •

Frage an Frank-Peter Kaufmann von Norbert D. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Kaufmann,

ich nehme Bezug auf Ihre Antwort vom 2. Januar 2008

"Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?" Mit dieser Aussage wird für das Projekt der Berliner Charité geworben. Liebe mit sexuellem Kindesmissrauch zu vergleichen ist eine Verhöhnung der Opfer! Das stärkt die Täterlobby. Aus diesem Grund habe ich mich gegen das Projekt der Charité ausgesprochen.

Mit Tätern therapeutisch zu arbeiten, um Verbrechen zu verhindern, lehne ich nicht ab, im Gegenteil. Das hatte ich bereits schon in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ am 10.10.2006 gesagt.

So lange meine Petition „Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch im Zivilrecht aufheben“ keine Zustimmung findet, werde ich Unterschriften sammeln. Jede Unterschrift stellt einen besonderen Wert dar. Für ein Opfer bedeutet sie Hoffnung auf Anerkennung des ihm zugefügten Leids – mit Ihrem „Beitritt“ würden Sie sich eindeutig auf ihre Seite stellen.

Die Beweislage bei sexuellem Missbrauch ist für Opfer generell schwierig. Die Aufhebung der Verjährungsfrist würde daran nichts ändern. Jedoch müssten Opfer, die eindeutige Beweise hätten, nicht mehr schweigen.

Der Gesetzgeber müsste abwägen, ob er zukünftig die Interessen der Opfer oder die der Täterlobby vertritt. Die derzeitige Verjährungsfrist ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte.

Täter, die bisher durch den Gesetzgeber geschützt werden, müssten durch die Aufhebung der Verjährungsfrist ein Leben lang Angst haben, zur Verantwortung gezogen zu werden.

Warum stellen Sie sich nicht eindeutig auf die Seite der Opfer?

Eine opferfeindliche Sprache bei sexualisierter Gewalt ist leider immer noch in unserer Gesellschaft die Regel. Ich empfehle dringend die Lektüre:

“Der verlorene Kampf um die Wörter” (Monika Gerstendörfer)
Ein Plädoyer für eine angemessenere Sprachführung.

Freundliche Grüße

Norbert Denef

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Denef,

zweierlei möchte ich Ihnen abschließend auf Ihre neuerliche Frage antworten:

(1)
Ihre sehr apodiktische Position zum Bemühen anderer, im Problemsektor sexuelle Gewalt zu wirksamer Prävention zu kommen, mag aus Ihrem eigenen Schicksal begründet sein, ist aber damit noch kein allgemeingültiger Bewertungsmaßstab. Ich traue mir nicht zu, zu beurteilen, wie die beste Werbung für das Projekt der Charité aussehen müsste, ich glaube aber, dass die Fachleute dort es nicht verdient haben, das gesamte Projekt wegen ihrer Werbeaussage unter Verwendung des Begriffs "Liebe" abzulehnen. Erst recht verstehe ich nicht, wie eine solche Aussage die "Täterlobby" stärken sollte.

(2)
Ich stehe natürlich auf der Seite der Opfer, generell muss staatlicher Schutz immer auf der Seite der Opfer stehen. Doch muss ebenso berücksichtigt werden, dass die Vielfalt menschlicher (Fehl-)Verhaltensweisen es nicht immer leicht macht, Täter und Opfer eindeutig zu identifizieren. So wie es Opfer sexueller Gewalt gibt, gibt es ebenfalls Opfer einer diesbezüglichen falschen Anschuldigung. Genau deshalb muss die Schuld eines Menschen stets in einem geregelten Gerichtsverfahren festgestellt werden, bevor ein Urteil gefällt werden kann. Und die Regeln für dieses Verfahren formuliert der Gesetzgeber, dem man nicht unterstellen sollte, er könnte für die Interessen einer "Täterlobby" eintreten.

Wenn Sie formulieren: "Täter, die bisher durch den Gesetzgeber geschützt werden, müssten durch die Aufhebung der Verjährungsfrist ein Leben lang Angst haben, zur Verantwortung gezogen zu werden", dann sagen Sie damit, dass die bisher geltenden 30 Jahre "Angst haben" zu kurz sind. Damit verlangen Sie eine lebenslange Leidensstrafe des Angsthabens ohne Gerichtsverfahren, wenn denn Ihre Unterstellung zutrifft, dass der mutmaßliche Täter tatsächlich Angst hat. Dies wäre ein längerer Zeitraum als die längsten Haftstrafen dauern und deshalb eher aus dem Rachegedanken heraus gefordert als mit dem Resozialisierungsgedanken vereinbar.

Damit will ich deutlich machen, dass ich Ihre Auffassung nicht teile, dass die derzeitige Verjährungsfrist ein "Verstoß gegen die Menschenrechte" sei. Auch wenn es angesichts schlimmer Straftaten bisweilen schwerfällt einzusehen: Menschenrechte hat und behält jeder Mensch.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Kaufmann