Frage an Franziska Sylla bezüglich Bildung und Erziehung

Franziska Sylla
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Frage von Hans K. •

Frage an Franziska Sylla von Hans K. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Sylla,

mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen über „Direkte Demokratie“ bezüglich der Teilnahme des Volkes an politischen Entscheidungen gelesen, die über das „Kreuzchenmachen“ hinausgehen.

Als Vater ist mir an Bildung allgemein und an der Möglichkeit zur Bewahrung des menschlichen Wissens in verständlicher Schriftform besonders gelegen.

Oberflächlichkeit, Ignoranz und Selbstherrlichkeit halte ich für kulturelle Umweltverschmutzung, die sich seinerzeit in einer ebenso überflüssigen wie unfertigen „Rechtschreibreform“ dem Bürger aufzwang.

Damals hatte ich mich sehr dafür engagiert, Menschen die Schwellenangst zu nehmen, in eine Amtsstube zu treten, mit ihrer Unterschrift die Vergewaltigung der deutschen Schriftsprache zu verhindern und damit die „sanfte“ Übernahme sinnvoller Änderungen zu ermöglichen, wie es eine lebendige Sprache auszeichnet.

Trotz des Vetos namhafter Literaten und Verlage, zweifellos die absolute Fachwelt, ist kürzlich das Produkt unausgereiften Reformmülls veramtlicht worden.

Schülern wird die Strafe schlechter Zensuren angedroht, die sie in den Wirbel weiterer Leistungstiefs und Motivationsverluste ziehen, obwohl man in den Kultusministerien selbst noch nicht weiß, ob man nun den Müll „schön reden“ oder „schönreden“ soll.

Wie, Frau Sylla, glauben Sie es zu erreichen, einerseits das Fingerspitzengefühl von Entscheidungsträgern zu sensibilisieren und (in diesem Fall) „dem Volk auf’s Maul zu schauen“, bevor Kinder reihenweise in den Brunnen gestoßen werden und andererseits den Bürger aus seiner satten Trägheit zu rütteln und ihm seine Mitverantwortung in Dingen, die Sie in anderer Antwort aufgezählt haben, bewußt zu machen.

Es freut sich auf Ihre Antwort

Hans Kühn

Antwort von
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Guten Tag, sehr geehrte Hans Kühn,

Deutsche Sprachkultur und Bürgerliche Lethargie.

Mit beiden Anliegen haben Sie auch bei mir wunde Punkte getroffen. Mit dem allergrößten Bedauern stimme ich Ihnen in vielen Punkten zu. Und stehe dem Koloss von Verhunzung der Deutschen Sprache und den verkehrten Kenntnissen, die wir den Kindern und Jugendlichen, mit Strafandrohung, beibringen müssen, genauso machtlos gegenüber wie Sie. Dabei kommt mir ganz persönlich bei dieser Vergewaltigung der Schriftsprache schon ein gewisses Mißtrauen in den Sinn: Sollten die Deutschen Intellektuellen beschäftigt werden? Ging es der Papier- und Druckindustrie so schlecht, dass Gründe gefunden werden mußten, die Verlage zu retten? Will man das Volk verblöden, damit es einfacher zu regieren ist? Die Verunsicherung im schriftlichen Ausdruck, hemmt gerade weniger schreibstarke Bürger enorm. Entweder muss der Schreibende kaltblütig einfach trotzdem Schreiben und sich mehr denn je seines großzügigen Einfallsreichtums und der Lehrbücher bedienen, oder wie es die Liebenswerten machen, die neue Rechtschreibung erlernen und Scheuklappen aufsetzen.

Die Praxis zeigt jedoch, dass es keine einheitliche Schriftsprache mehr gibt: die Internetsprachform, die SMS-Sprache, die altdeutsche Schrift, die alte Rechtschreibform, die neue Rechtschreibvariante, die Anglizismen, die freien Sprach- und Schreibvarianten. Es scheint hoffnungslos ungerecht die Schüler zu bestrafen, wenn sie nach einer konstruierten, dem Menschenverstand zuwiderlaufenden Rechtschreibung hin erzogen werden müssen. Auch wenn diese in einigen Zeitungen, Büchern, Medien, auf eine Vielgestaltbarkeit der deutschen Sprache stoßen, die ihre strenge Schriftsprach-Ausbildung an Deutschen Schulen verhöhnen.

Die Zerpflückung der Sprache ist die Zerpflückung einer einheitlichen Kultur. Diese zu erhalten, im Zuge der Europäisierung, Internetisierung, Globalisierung ist ein Kampf gegen Kolosse, - wenn und so ist die Realität -nicht einmal die Deutsche Regierung
die Kultur erhalten möchte.

Wir haben wie immer nur zwei Möglichkeiten: sich dagegen wehren oder es hinnehmen.

Da ich der Meinung bin, wer sich daran stört, sollte sich dagegen auch wehren, schätze ich Ihren Einsatz für einen Bürgerentscheid gegen die radikale -(idiotische) Einführung der neuen Rechtschreibung sehr hoch ein.

Womit wir beim zweiten Punkt Ihres Herzensanliegens angelangt sind. Sie haben nicht genügend Unterstützer gefunden, weil sie sich alleine auf die Socken gemacht haben?

Über die Gründe zu sprechen, halte ich in Anbetracht unser beider Erkenntnisstand für überflüssig.

Wesentlich ist, wie wichtig ist Ihnen der "sanfte" vernünftige Übergang der Sprachkultur in die Moderne?

Sind die Vorteile aus dem Erhalt einer Rechtschreibung, die uns Lehrende zum Einhalten der Regeln befähigen, nicht ausreichend gewesen, die Regierungsentscheidung stoppen zu wollen?

Sind die Intellektuellen zu sanft oder zu beschäftigt? Auch wir Akademiker sind das Volk, welches sich nicht ausreichend wehrt.

Ein wichtiger Abfang der Unzufriedenheit, die zu einer veränderten Handlung werden kann, sind übrigens die Medien und Medienträger selbst. Ich , die Journalistin, die Medienleute, die meinen im guten Sinne (nicht nur zum Lebensunterhalt verdienen) zu handeln, wenn dem Volk per Umfragen, Webblogs, Leserbriefen, Hotlines, Talksendungen die Möglichkeit der Entäußerung seines angestauten Zweifels, seiner Fragen, seiner Wut ermöglicht, schwäche die Intensität des Willens der Bürger zur echten Eigeninitiative.

Der Bürger hat erst mal sich Luft gemacht, dann braucht er sich ja nicht mehr damit herum zu schlagen, beim nächsten Frust ruft er die Hotline der Lebensberatung an.

Womit wir bei dem Thema sind, sensibel das Sprachrohr zwischen Bürgern und Politik zu installieren, um diese immer größer werdende Dungkugel aufzuhalten die wir auf unsere Jugend, auf unsere Kultur- und Unkulturerben abwälzen. Hier muss auch ich der etablierten Partei CDU in diesem speziellen Falle zugute halten, dass sie die vorliegende Rechtschreibreform so nicht wollte.

Aber, offenen Auges , wollte die SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit, das wir Lehrer, Journalisten, Eltern, Mitmenschen, unsere Kinder bestrafen wofür es eigentlich keine Regeln mehr gibt? Und Ihnen dann von den Ausbildern aus der Wirtschaft vorwerfen lassen, sie können keine Ausbildung bei ihnen bekommen, weil Sie nicht wissen, wie man in Deutschland schön redet oder schönredet, geschweige denn "schönschreibt" oder schön bzw. "richtig" schreibt?

Die einzige Idee, die mir einfällt, ist an Ihrem Vorhaben festzuhalten, Herr Kühn. Schreiben Sie an die Springerpresse, mobilisieren Sie die Abgeordneten, nehmen Sie Kontakt zu bestehenden Initiativen und Verbänden, Organisationen auf, sammeln Sie Unterschriften gegen die Etablierung der neuen Rechtschreibreform. Warten Sie nicht ab, bis sich die Schüler vor lauter Orientierungslosigkeit und Notenbestrafungen für diesen Irrsinn nicht mehr in die Schule trauen, sehen Sie nicht zu, wie die Lehrer gegenüber dem Schwachsinn abstumpfen. Ich bin überzeugt davon, dass Sie mit Ausdauer und Hartnäckigkeit auch bei den entsprechenden Regierungsstellen Gehör finden werden. Aber denken Sie nicht, dass es ohne Ihre Initiativen und ohne Humor geht.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Franziska Sylla