Frage an Gabriele Hiller-Ohm bezüglich Soziale Sicherung

Gabriele Hiller-Ohm
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SPD
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Frage von Jonas B. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jonas B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

welche Argumente setzen Sie der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens entgegen und was sind ihre wesentlichen sozialstaatlichen Politikansätze?

Hochachtungsvoll

Jonas Bamert

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bamert,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ und zu den sozialstaatlichen Politikansätzen meiner Partei und mir.

Das „Bedingungslose Grundeinkommen“ als solches ist nicht neu: Bereits im 19. Jahrhundert gab es hierzu Ideen. In den 1960er Jahren machte der Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman die Idee des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ zu einem Baustein seiner wirtschaftsliberalen Sozialpolitik. In der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Idee rund 20 Jahre später aufgegriffen – insbesondere von öko-sozialen, aber auch libertären Kreisen. Hier vermutete man, dass die Arbeitsgesellschaft bald ihr Ende finden würde. Das Grundeinkommen sollte eine Antwort darauf sein.

Nachdem in den 1990er Jahren nur noch vereinzelt über das Grundeinkommen debattiert wurde, zeigt sich seit einigen Jahren ein ansteigender Gesprächsbedarf. Im Kern geht es vielen Befürwortern darum, sozialstaatliche Institutionen überflüssig zu machen und die Staatstätigkeit so herunterfahren zu können. Eine weitere große Anzahl von Befürwortern des Grundeinkommens sieht aktuell den vermeintlichen „Zwang zur Arbeit“ im Vordergrund, den es aus Sicht dieser Leute zu überwinden gilt.
Beide Ausrichtungen haben dem Thema in den letzten Jahren wieder zu einer hohen politischen Relevanz verholfen.

Ich finde es richtig, dass man über Alternativen diskutiert. Ich möchte Ihnen im Folgenden meine Sichtweise zu Ihren Fragen darlegen.

In einigen Punkten erklären wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns einverstanden, was viele Verfechterinnen und Verfechter eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ fordern.
Was uns eint, ist zum Beispiel, dass allen Menschen die gesellschaftliche Zugehörigkeit sichergestellt wird. Einig sind wir uns wahrscheinlich auch in dem Punkt, dass sich die Lebensbedingungen verändert haben, sich die Biografien der einzelnen Menschen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewandelt haben und hierauf neue Antworten gefunden werden müssen. Hier muss man in der Tat die Förderungs- und Sicherungssysteme verändern.

Wie das Konzept des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ hat auch die sozialdemokratische Sozialpolitik erkannt, dass die momentan bestehenden Leistungen, Armut nicht immer und gänzlich verhindern können.

Eine weiteres Thema sind die prekären Beschäftigungsverhältnisse. Hier geht die Sozialdemokratie – ebenso wie die Verfechter des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ – den Weg, die Erwerbsarbeit wieder in einen Ordnungsrahmen einzubetten.

Es gibt aber viele Punkte, mit denen ich mich beim „Bedingungslosen Grundeinkommen“ nicht einverstanden zeige:

Grundsätzlich überschätzen die Befürworter des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ die monetäre Wirkung. Wer ausreichend Geld hat, muss noch lange nicht in die Gesellschaft inkludiert sein. Im Gegenzug unterschätzen viele Befürworter des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ die Inklusionsleistung von Arbeit und sozialen Diensten für die gesellschaftliche Teilhabe. Auf diese beiden letztgenannten Punkte muss gleichsam die Aufmerksamkeit gelegt werden.

Wir leben in Deutschland in einer Arbeitsgesellschaft. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fühlen uns dieser besonders verpflichtet. Deswegen gehört es zu unseren Hauptzielen, dass Menschen gute Arbeit haben, zu fairen Bedingungen und mit einem Lohn oder Gehalt, von dem sie ihren Lebensunterhalt und ihre gesellschaftliche Teilhabe bestreiten können.

Menschen die keine Arbeit haben, müssen wir so gut und so rasch wie möglich wieder in Erwerbsleben integrieren. Hier gilt es aus meiner Sicht zu fördern und zu fordern. Beides muss zu gleich starken Teilen geschehen, weil beides gleich wichtig ist. Leider hat der Forder-Aspekt in den letzten Jahren ein deutliches Übergewicht bekommen. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels muss mehr und besser gefördert und qualifiziert werden. Das Zusammenstreichen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen von Schwarz-Gelb lehne ich entschieden ab!
Ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ wäre aus meiner Sicht aber auch nicht zielführend. Der Staat darf damit nicht aus der Verantwortung für arbeitslose Menschen entlassen werden. Im Umkehrschluss darf aber auch der Staat das Fordern nicht vergessen. Eine sanktionsfreie Mindestsicherung bzw. ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ würde von zu vielen Menschen ausgenutzt werden können, die mehr in die Gesellschaft einbringen könnten.

Klar ist aber auch, dass das Existenzminimum nicht angetastet werden darf. Genauso wollen wir, dass Menschen, die in Not geraten, sofort Sozialleistungen bekommen können und diesen Menschen sofort geholfen wird. Aber: Diese Menschen müssen auch alles dafür tun, um wieder auf die Füße zu kommen und auf eigenen Beinen stehen zu können.

In unserem Grundsatzprogramm bekennen wir uns klar zum Ziel der Vollbeschäftigung. Jeder Mensch soll immer wieder die Chance auf gute Arbeit bekommen und natürlich dafür auch die notwendige Qualifikation erhalten.

Wer von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen ist, egal aus welchen Gründen, muss sich auf einen vorsorgenden Sozialstaat verlassen können. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist der Sozialstaat eine große zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Für uns ergänzt er die bürgerlichen Freiheitsrechte durch soziale Bürgerrechte.

Ein funktionierender Sozialstaat eröffnet Chancengleichheit, schützt vor den Härten des Marktes und eröffnet die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben. Und: Der Sozialstaat lebt von der Solidarität: Zwischen Stark und Schwach, Arm und Reich, Gesund und Krank, mit und ohne Behinderung und natürlich auch zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen.

Wir wollen, dass alle Menschen an der wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Entwicklung teilhaben können – das ist zentrales Ziel sozialdemokratischer Politik. Dafür ist gute Bildung notwendig. Genauso aber auch existenzsichernde Arbeit und Gesundheit und die gerechte Verteilung des Wohlstandes.

Für die SPD bemisst sich die Qualität des Sozialstaates nicht allein an der Höhe der Transferleistungen, sondern eben daran, Lebenschancen zu bieten: von Anfang an und immer wieder. Hieran müssen wir arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm