Frage an Gabriele Hiller-Ohm bezüglich Soziale Sicherung

Gabriele Hiller-Ohm
Gabriele Hiller-Ohm
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gabriele Hiller-Ohm zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jörg L. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jörg L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

warum gibt es in einem der reichsten Länder der Welt wie Deutschland (ca.Vermögen mind. 6 Billionen Euro plus 170 Mrd. at the top p.a. ?) leider immer noch Suppenküchen, Tafeln sowie Hungerlöhne von dem die Menschen nicht LEBEN können ?

Für Ihre Antwort vielen Dank im Voraus.

MFG
J.L.

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lindeholz,

Sie sprechen mit Ihrer Frage einen ganz wesentlichen Punkt an, der in Deutschland immer wichtiger und dramatischer wird: Die Verteilungsgerechtigkeit!

Sie haben völlig Recht, wenn Sie hier ein deutliches Ungleichgewicht sehen. Ein paar Zahlen:

Die reichsten 10 Prozent der Deutschen verfügen über mehr als 50 Prozent, die ärmsten 50 Prozent über rund 1 Prozent des Gesamtvermögens.

Das private Nettovermögen (also Geld und Immobilien) hat sich in den letzten 20 Jahren von 4,6 Billionen Euro auf 20 Billionen Euro vergrößert.

Das Nettogesamtvermögen des Staates sank im gleichen Zeitraum um 800 Milliarden Euro.

Zugleich ist jeder siebte Deutsche armutsgefährdet. Besonders die Altersarmut und hier insbesondere die Altersarmut von Frauen wird uns in den nächsten Jahren herausfordern.

Einen Grund für diese Entwicklung haben sie selbst genannt: Löhne, von denen die Menschen nicht leben können. Wenn man diesen Umstand weiterdenkt, dann muss aus meiner Sicht jeder Mensch darauf kommen, dass Armut im Erwerbsleben auch Armut im Alter nach sich ziehen wird.

Diese Entwicklung zeigt einmal mehr: Wir müssen endlich einen gesetzlichen Mindestlohn bekommen, der nicht unter 8,50 Euro pro Stunde liegen darf. Damit würde sich die Situation für viele Menschen bereits deutlich entspannen.

Dazu brauchen wir gute Arbeitsbedingungen, die Planungssicherheit ermöglicht.

Der nächste Punkt ist natürlich auch eine gerechte Steuerpolitik, die hohe Vermögen und Erbschaften, Mieteinnahmen oder Aktiengewinne genauso gerecht berücksichtigt, wie Arbeitseinkommen. Und genau da sehe ich momentan eine große Schieflage.

Deswegen hat die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 beschlossen, dass jeweils zur Mitte einer Wahlperiode ein Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt werden muss.

Leider hat die schwarz-gelbe Bundesregierung in dieser Wahlperiode alles unternommen, um den Bericht zu verzögern, Mitgliedern des Bundestages vorzuenthalten oder zu schönen. Das zeigt, dass es diese Regierung nicht Ernst meint, wenn sie über Maßnahmen gegen Armut spricht. Aus meiner Sicht ist es der Bundesregierung egal, ob es Tafeln oder Suppenküchen gibt. Soziale Fragen lässt Schwarz-Gelb kalt. Dieses Verhalten ärgert mich.

So arm wie lange nicht, so reich wie nie zuvor – zwei Meldungen, die nicht zusammenpassen zu scheinen. Da ist etwas aus dem Lot geraten. Die Schere zwischen Arm und Reich spreizt sich weiter – das sagte der erste Entwurf des Vierten Armuts- und Reichtumsberichts. Im zweiten Entwurf wurde diese Aussage verfälscht.

Mit Untätigkeit verschärfen wir die Situation. Nicht nur für die Menschen, sondern auch für den Staat an sich. „Nur ein reicher Mensch kann sich einen schlanken Staat leisten“ – die Satz hat nach wie vor seine Gültigkeit. Auch der Staat muss ein ureigenes Interesse haben, nicht zu verarmen. Sonst wird es für die Armen in diesem Land noch schlechter. Das wird man bei der Bildung zuerst merken, dann bei Sozialleistungen. Diese Spirale müssen wir durchbrechen. Wir brauchen einen starken Staat, der für alle Menschen sorgt. Ganz besonders für arme und schwache Menschen.

Ich möchte keine Neiddebatte führen. Und ich möchte niemanden an den Pranger stellen, nur weil er reich ist. In unserem Grundgesetz steht, dass Eigentum verpflichtet. Ich denke, auch Reichtum verpflichtet. Starke Schultern müssen solidarisch auch starke Lasten tragen. Nur wenn wir hier für Ausgewogenheit sorgen, können wir überhaupt erst damit anfangen, Armut zu bekämpfen.

Wir müssen den Staat so handlungsfähig machen, dass er dafür sorgen kann, allen die gleichen Chancen auf Wohlstand, die gleichen Möglichkeiten zur Bildung, zum Aufstieg, zum eigenen Fortkommen zu geben. Das ist die sozialdemokratische Antwort auf soziale Ungleichheit!

Mit freundlichen Grüßen nach München und Empfehlung für meinen Fraktionskollegen Klaus Barthel, der als SPD-Abgeordneter München betreut.

Gabriele Hiller-Ohm