Frage an Gabriele Hiller-Ohm bezüglich Soziale Sicherung

Gabriele Hiller-Ohm
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SPD
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Frage von Petra H. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Petra H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm

Frau Bentler hatte Ihnen einige Fragen zum Thema Contergan gestellt. Leider verweisen Sie in Ihrer Antwort genau wie die meisten Ihrer Kollegen darauf hin, wie viel die Regierung für uns doch tut.
Das heist also:
1. Ein CONTERGANOPFER hat keinen Anspruch auf die Finanzierung eines umgebauten PKW, wenn er nicht berufstätig ist.
Warum ist er denn nicht berufstätig?
Weil er CONTERGANOPFER ist!!! (Da macht die viel gepriesene Parkpaklette richtig Sinn)
2. Jemand der nicht 10 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, bekommt auch keine Erwerbsminderungsrente.
Warum haben die meisten von uns die 10 Jahre nicht voll?
Weil wir CONTERGANOPFER sind!!!
3. Warum leben die meisten vons von Grundsicherung (d.h. in ARMUT )?
Weil wir CONTERGANOPFER sind!!!

Meine Fragen an Sie:
1. Warum werden PKW Umbauten nur für berufstätige CONTERGANOPFER finanziert? Sind Sie der Meinung, ein nicht arbeitender Mensch hat kein Recht auf teilhabe am normalen Leben?
2. Warum bekommen CONTERGANOPFER keinen Rentenausgleich ?
3. Warum wird das Einkommen unserer im Haushalt lebenden Angehörigen in voller Höhe bei Sozialleistungen angerechnet?

Wir sind schließlich berufsunfähig, weil bei der Firma Grünenthal Profitgier an erster Stelle lag. Die Bundesregierung hat durch eilige Gesetzesänderungen während des damaligen Prozesses den Angeklagten der Firma Grünenthal geholfen, dass der Prozess eingestellt wurde. Die Bundesregierung hat die volle Fürsorge für uns übernommen, kommt aber dieser nicht nach, sondern schützt auch Heute noch die Verursacher unserer Behinderungen. Auch damals waren die Folgeschäden durchaus bekannt, man hatte allerdings auf die biologische Lösung des CONTERGANPROBLEMS gehofft.
Was gedenken Sie also zu tun, um uns endlich, nach fast 50 Jahren, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen?
Bis Heute sind wir nur Antragsteller und Bittsteller, sowie von unseren Familien Abhängige, denn selbst Pflegestufen/Gelder werden bei den meisten von uns abgelehnt.

MfG.
P.Hilbert

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Hilbert,

erst das Erinnern an 50 Jahre Contergan Ende 2007 hat der breiten Öffentlichkeit gezeigt, wie schwer das tägliche Leben von Contergan-Geschädigten zunehmend wird. Contergangeschädigte leiden heute an schmerzhaften Spätfolgen, die durch jahrelange Fehlbelastung von Wirbelsäule, Gelenken, Muskulatur, aber auch durch die Überbeanspruchung von Zähnen entstanden sind – Spätfolgen, die bei der Höhe der Entschädigungszahlungen im Jahr 1971 so nicht vorhersehbar waren. Die körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzzustände haben zudem erhebliche negative psychische Belastungen zur Folge. Bei Berufstätigen führt das häufig zur Frühverrentung und daraus resultierend zu Einbußen für die Altersversorgung und die gesellschaftliche Teilhabe.

Die Bundesregierung hat auf diese neuen Herausforderungen reagiert. Seit Ende 2007 steht die Regierung dazu in einem engen Dialog mit den Betroffenen, der Firma Grünenthal und der Contergan-Stiftung für behinderte Menschen.

Diese Gespräche haben erste Erfolge für Contergan-Geschädigte gezeigt: So wurden im vergangenen Jahr unter anderem die Entschädigungsleistungen nicht nur um die ursprünglich vorgesehenen fünf Prozent erhöht, sondern verdoppelt. Seit dem 1. Juli 2008 beträgt der Höchstsatz 1.090 Euro – und nicht mehr wie bis dahin 545 Euro. Das bedeutet für die am schwersten Geschädigten zusätzliche Leistungen in Höhe von 6.540 Euro jährlich. Außerdem wurde geregelt, dass die Entschädigungsleistung nicht auf andere Zahlungen, wie zum Beispiel Erwerbsminderungsrenten, SGB II-Zahlungen oder Sozialgeld angerechnet wird.

Zudem hat sich die Koalition auf weitere Verbesserungen für contergangeschädigte Menschen geeinigt. Das entsprechende Zweite Gesetz zur Änderung des Contergan-Stiftungsgesetzes ist Ende März dieses Jahres in den Deutschen Bundestag eingebracht worden. Es soll noch am 01. Juli 2009 in Kraft treten.

Im Mittelpunkt dieses Gesetzes steht eine jährliche Sonderzahlung, die noch in diesem Jahr zum ersten Mal an die Betroffenen fließen soll. Diese neue Leistung wird über einen Zeitraum von 25 Jahren jeweils einmal jährlich ausgezahlt. In ihrer Höhe wird sie sich am Grad der Behinderung orientieren. Mit der Sonderzahlung wollen wir dauerhaft und nachhaltig helfen. Wir wollen den Betroffenen damit einen größeren finanziellen Spielraum verschaffen, den sie ganz nach ihren eigenen Bedürfnissen nutzen können.

Diese Sonderzahlungen können auch für eine Verbesserung der Mobilität – beispielsweise auch für die von Ihnen geforderte Umrüstung des privaten PKW – eingesetzt werden, wenn diese Kosten nicht über die Eingliederungs- bzw. Sozialhilfe gedeckt werden.

Generell gilt für die Übernahme von Kosten für die Umrüstung des privaten PKW: Bei berufstätigen Menschen mit Behinderung werden erforderliche PKW-Umrüstungen über die Eingliederungshilfe getragen. Für nicht berufstätige Menschen bzw. behinderte Menschen mit Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit besteht die Möglichkeit einer Finanzierung über die Sozialhilfe, falls finanzielle Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann. Diese Regelung sagt nichts über den Mobilitätsbedarf von Menschen mit Behinderung – und insbesondere auch von Menschen mit Conterganschäden – aus, sondern entspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Sozialhilfeleistungen sind Fürsorgeleistungen, die an Bedürftigkeitskriterien anknüpfen, und keine Nachteilsausgleiche mit Entschädigungscharakter, die einer bestimmten Gruppe von behinderten Menschen ungeachtet ihrer sozialen Stellung zuteil werden.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch für die – in Ihrem Schreiben angesprochenen – Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt oder zur Grundsicherung im Alter. Für Menschen mit Conterganschädigungen gilt wie für alle anderen Menschen mit behindertenbedingter Einschränkung der Erwerbstätigkeit: Wer nicht erwerbsfähig ist, hat im Falle von Hilfebedürftigkeit Ansprüche auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt oder zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Sozialhilfeleistungen setzen in der Regel die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers voraus. Dies bedeutet: Der behinderte und pflegebedürftige Mensch muss zur Deckung seines Bedarfs vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sein eigenes Einkommen und Vermögen in angemessenem Umfang einsetzen und – sofern nicht in ausreichendem Maße vorhanden – ihm zum Unterhalt Verpflichtete in Anspruch nehmen. Contergan-Geschädigte können hiervon nicht ausgenommen werden, weil das gegenüber anderen vergleichbar betroffenen Gruppen behinderter Menschen nicht zu rechtfertigen wäre.

Hilfebedürftigkeit besteht dann, wenn ein Bedarf in Höhe des notwendigen Lebensunterhalts, wie er durch Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII abzudecken ist, nicht aus eigenen Mitteln bestritten werden kann. Zu den eigenen Mitteln zählen grundsätzlich alle zufließenden Einkünfte, dazu gehören insbesondere alle Einkommensarten wie Erwerbseinkommen oder Renten, sowie das vorhandene Vermögen.

Bei der sozialhilferechtlichen Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) werden die Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz jedoch nicht angerechnet.

Im Zweiten Änderungsgesetz zum Conterganstiftungsgesetz wurde festgelegt, dass diese Leistungen bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch außer Betracht bleiben (Paragraph 18 Absatz 1). Vermögen, das aus angesparten Conterganstiftungsleistungen resultiert, ist demnach bei Leistungen nach den genannten Gesetzen nicht zu berücksichtigen. Jenseits dieser spezialgesetzlichen Regelung hat sich der Gesetzgeber beim sozialhilferechtlichen Einsatz sonstigen verwertbaren Vermögens nicht an verschiedenen bedürftigen gesellschaftlichen Gruppen mit jeweils spezifischen Belastungen orientiert, sondern eine einzelfallbezogene Entscheidung vorgesehen.

Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes und den bereits beschlossenen Maßnahmen konnte ein Beitrag dazu geleistet werden, die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen zu verbessern. Darüber freue ich mich sehr.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm