Frage an Gerhard Botz bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Gerhard Botz
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Frage an Gerhard Botz von Peter W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Aus welchem Grund stimmen sie für einen Kriegseinsatz der Bundeswehr.

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Sehr geehrter Herr Winzer,

das deutsche Engagement in Afghanistan ist kein Kriegseinsatz im Sinne Ihrer Wortwahl, sondern es soll zur Stabilisierung des Landes beitragen. Deutschland hat ein Interesse am friedlichen Wiederaufbau Afghanistans sowie an einer langfristigen Verpflichtung vor Ort, die dazu führt, dass Afghanistan nicht wieder zum sicheren Hafen für Terroristen wird. Deutschland versucht dies mit anderen Nationen gemeinsam zu erreichen. Die internationale Gemeinschaft sieht sich dabei gewaltigen Herausforderungen gegenüber. Fehlentwicklungen und Rückschläge sind nicht zu übersehen: Die Sicherheitslage hat sich seit 2005 verschlechtert. Auch das Drogenproblem sowie die Korruption in der Regierung und Verwaltung Afghanistans fordern gewaltige Anstrengungen, um den Trend umzukehren. Die veränderte Sicherheitslage erfordert einen schnelleren Aufbau afghanischer Sicherheitsstrukturen und eine Verstärkung des deutschen Engagements bei der Ausbildung von afghanischer Polizei und Armee. Dazu war die Erhöhung der Obergrenze des deutschen ISAF-Kontingents auf 4.500 nötig. Die Mittel für den Polizeiaufbau werden in diesem Jahr verdreifacht: auf 35,7 Millionen Euro.

Der Einsatz von ISAF in Afghanistan ist unverzichtbar für die Schaffung eines sicheren Umfeldes, in dem langfristig Stabilisierung und Entwicklung stattfinden können. Insofern verfolgt ISAF keine rein militärische, sondern eher eine politische Zielsetzung. In der Öffentlichkeit werden jedoch vorwiegend die militärischen Aspekte des Engagements diskutiert. Die Erfolge, die politisch und beim Aufbau erreicht wurden, geraten dabei oft aus dem Blickfeld. In einer unvoreingenommenen Bilanz dürfen aber auch sie nicht fehlen. Dazu gehören die Durchführung von freien Wahlen und die Entstehung von Verfassungsorganen. Seit Januar 2004 hat Afghanistan mit Hamid Karzai einen frei gewählten Staatspräsidenten, seit September 2005 gibt es auch erstmals ein in freien und allgemeinen Wahlen bestimmtes Abgeordnetenhaus. Afghanistan hat eine Verfassung, die den Frauen und Mädchen gleiche Rechte wie den Männern einräumt. Der Rückgang der Kindersterblichkeit und die Tatsache, dass mittlerweile 85% der Afghanen Zugang zur medizinischen Versorgung haben, zeigen z.B., dass das Gesundheitswesen bedeutsame Fortschritte gemacht hat. Erfolge gibt es z.B. auch im Bildungsbereich: 75% der Jungen und 35% der Mädchen gehen inzwischen zur Schule. Seit 2001 wurden landesweit 3.500 Schulen gebaut, die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich auf rund sechs Millionen mehr als verfünffacht. Die afghanische Wirtschaft kommt voran: Die Exporte steigen, das Bruttoinlandsprodukt wächst jährlich mit zweistelligen Raten. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 220 Euro verdoppelt. Auch wenn diese und weitere Fortschritte nicht ausreichen, sie eröffnen den Afghanen neue Chancen.

Es gibt keine einfache und keine rasche Lösung für die Probleme in Afghanistan. Deshalb fällt eine Entscheidung für oder gegen einen internationalen Einsatz niemandem leicht. Jeder weiß, die Arbeit in Afghanistan ist nicht einfach und alles andere als ungefährlich. Klar ist, dass bei dem Mandat, das die Bundeswehr im Norden Afghanistans ausübt, das Leben deutscher Soldatinnen und Soldaten in Gefahr ist. Dennoch steht die Bundesrepublik Deutschland hier bei ihren internationalen Partnern im Wort. Es geht im Kern um zwei Dinge: um die Zukunft Afghanistans und um unsere eigene Sicherheit. Die afghanische Bevölkerung vertraut auf deutsche Hilfe und die internationale Gemeinschaft auf unsere Solidarität. Ein Abzug zum jetzigen Zeitpunkt würde die geleistete Arbeit in Frage stellen und erhebliche negative Folgen haben: Für die Afghanen, für unsere Partner und für uns selbst. Verantwortbar ist dies erst, wenn sichergestellt ist, dass Afghanistan aus eigener Kraft für Frieden und Sicherheit seiner Bevölkerung sorgen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gerhard Botz