Frage an Gregor Gysi bezüglich Soziale Sicherung

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Gregor Gysi
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Frage von Karl S. •

Frage an Gregor Gysi von Karl S. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Herr Gysi,
danke für Ihre Antwort vom 04.12.12 sowie auch die Antwort von Frau Bunge vom 14.12.12 zum Rentenklau an Flüchtlingen, die vor 1989 bereits Bundesbürger waren und nun durch Spitzfindigkeit bei der Berechnung der Rente für die DDR Zeit rückwirkend wieder zu DDR Bürgern gemacht werden.
Sehr geehrter Herr Gysi, Sie sind doch Rechtsanwalt. Es gibt doch keine Gesetzesgrundlage für
diese Handlungsweise der DRV Bund. Oder sehen Sie im Gesetz Lücken, die solche Interprätationen zulassen könnten? Wo steht es denn eindeutig und wörtlich, dass das RÜG für das Beitrittsgebiet auch für Flüchtlinge und Übersiedler, die bereits Bundesbürger waren, anzuwenden ist. Das RÜG scließt doch gerade selbst mit der Stichtagsregelung Flüchtlinge und Übersiedler aus. "DDR-Zusatzversorgungsanwartschaften" werden uns wegen dem nicht erfüllten Stichtag aberkannt. Unsere Rentenberechnung kann nur nach Tabellen des FRG erfolgen.
Warum wird von den Sozialgerichten regelmäßig die Revision nicht zugelassen.
Was können wir (einzelne Betroffene oder auch die IEDF) noch tun, um endlich Gerechtigkeit zu erfahren.
M.fr.G.
Karl Sinsel

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Sehr geehrter Herr Sinsel,

vielen Dank für Ihre weitere Nachricht vom 15.12., die ich zur kompetenten Beantwortung an Dr. Martina Bunge weitergeleitet habe.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrter Herr Sinsel,

wie Ihnen Herr Gysi mitgeteilt hat, werde ich Ihnen auf Ihre Frage zur Rente für einstige DDR-Flüchtlinge antworten. Ich hatte mich ja bereits am 14. Dezember 2012 als Verantwortliche der Fraktion Die Linke für die Probleme der Rentenüberleitung Ost zu diesem leidigen Kapitel geäußert. Offensichtlich sind auch Sie zumindest in Bezug auf die Altersversorgung nach Ihrer Flucht oder Ausreise im Zuge der Vereinigung wieder zu einem DDR-Bürger gemacht worden, indem Sie Ihre Rente für die Berufsjahre im Osten nicht wie zugesagt nach Fremdrentenrecht sondern nach Rentenüberleitungsgesetz erhalten - so wie alle in der DDR verbliebenen Menschen.
Sie schreiben, dass es keine Gesetzesgrundlage für eine solche Handlungsweise der Deutschen Rentenversicherung gäbe und fragen zugleich nach eventuellen Gesetzeslücken, die eine solche Interpretation zulassen. Leider ist es so, dass die Einbeziehung der Flüchtlinge in das Rentenüberleitungsgesetz per Gesetz festgelegt wurde.
Bereits im Rentenüberleitungsgesetz in seiner Ursprungsfassung vom 25. Juli 1991 (BGBl. I, Seite 1606) ist m. E. eine Änderung angelegt: Das RÜG bezieht sich u. a. auf das Sozialgesetzbuch VI und enthält deshalb entsprechende Änderungen dazu, so auch einen Einschub zum § 259. Der neue § 259a im SGB VI heißt „Besonderheiten bei Rentenbeginn vor 1996“ und bezieht sich auf Personen, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz „auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet“ hatten; also auf Personen mit Rentenanwartschaften aus dem Osten, die am 18. Mai 1990 im Westen lebten. Dem Paragrafen war zu entnehmen, dass zumindest bis zum 31. Dezember 1995 alles bleiben sollte wie bisher, nämlich die Ermittlung der Entgeltpunkte nach Fremdrentengesetz. (Der § 259a erscheint im Artikel 1 des RÜG unter Punkt 75.)
Der gerade erst eingeführte § 259a erfuhr aber schon mit dem Rentenüberleitungsergänzungsgesetz vom 24. Juni 1993 (BGBl. I, S. 1038) eine Änderung. Er erschien unter neuer Überschrift und mit verändertem Inhalt. Statt „Besonderheiten bei Rentenbeginn vor 1996“ heißt es nun „Besonderheiten für Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1937“. Das ist der bis jetzt gültige Paragraf, der einen Vertrauensschutz für die vor 1937 Geborenen in Bezug auf die Anwendung des Fremdrentengesetzes gewährt und damit aber alle anderen aus der Regelung ausschließt und deren DDR-Zeiten wie bei den in der DDR Verbliebenen behandelt.
Es handelte sich damals um eine Fülle von Korrekturen am RÜG. Dass davon auch die Rente von Flüchtlingen betroffen war, ging wohl angesichts dessen unter. Ob gewollt, sei dahin gestellt. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass die Regierungsfraktionen unter Helmut Kohl darauf hingewiesen hätten, welche gravierenden Änderungen bezüglich der Fremdrente mit der Änderung des § 259a vorgesehen waren.
Das bestätigt auch ein Blick in die damaligen Dokumente im Zusammenhang mit der Entstehung des Rentenüberleitungsergänzungsgesetzes von 1993 (Drucksache 12/4810). Der Entwurf enthielt in der Problemdarstellung keinerlei Hinweise auf die DDR-Flüchtlinge, und auch die Änderungen am Gesetzestext und die Begründung machten die Tragweite der Änderungen überhaupt nicht deutlich.
In den beiden Debatten zum Rentenüberleitungsergänzungsgesetz (12/156, 30. April 1993; 12/161; 27. Mai 1993) fiel kein einziges Wort zur Rentenproblematik der DDR-Flüchtlinge. - Soweit die Historie. Da, wie eingangs festgestellt, eine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, muss das Problem auch wieder durch eine Gesetzesänderung beseitigt werden.
Wie Sie wissen, hatten SPD und Grüne im Jahr 2011 gleichlautende Anträge dazu vorgelegt, die meine Fraktion ausdrücklich unterstützt hat. Die Anträge scheiterten allerdings am Nein der Regierungsfraktionen Union und FDP. Damit ist schwerlich davon auszugehen, dass es in der zu Ende gehenden Wahlperiode in dieser Sache noch zu Veränderungen kommt. Wir werden uns weiter für eine gerechte Lösung zugunsten der einstigen DDR-Flüchtlinge einsetzen und darauf aufmerksam machen, dass da nach wie vor ein wichtiges Problem zur Entscheidung ansteht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Martina Bunge

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