Frage an Gregor Gysi bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Frage von Sibylle G. •

Frage an Gregor Gysi von Sibylle G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi

Bezüglich der zahlreichen Flüchtlinge in Deutschland , frage ich mich und Sie in dem Fall . Im Grundgesetz steht zwar Art 16 Abs. 1 Politisch Verfolgte geniessen Asyl. Und dann Absatz 2 : Auf Absatz 1 Kann SICH NICHT BERUFEN, wer aus einem Land DER Europäischen Gemeinschaft (EU) oder einem sicheren Drittland eingereist ist. Da die Flüchtlinge alle über Land aus anderen EU Staaten gekommen sind, sind sie alle illegal im Land . Meine Frage wann schicken Sie die Leute wieder zurück? Oder findet das Grundgesetz in Deutschland keine Anwendung mehr? Wenn nein, warum nicht?

mit freundlichen Grüssen
Sibylle Goebel

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Sehr geehrte Frau Goebel,

Ihre Nachricht vom 5. Oktober hat mich erreicht. Ich habe sie zuständigkeitshalber an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Jan Korte weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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Sehr geehrte Frau Goebel,

Ihre Frage an Gregor Gysi vom 5. Oktober hat mir dieser zuständigkeitshalber, mit der Bitte um Beantwortung, weiter geleitet.

Nur auf den ersten Blick haben Sie formal Recht, und Ihre Frage mag sich angesichts des Wortlautes von Art. 16a GG auch aufdrängen.

Aber: Die Drittstaaten-Regelung im Grundgesetz erfolgte in Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Asylsystems. Das deutsche Asylrecht ist seit längerem eingebettet in europäische Vereinbarungen. Die Asylpolitik liegt in wesentlichen Teilen in der Kompetenz der EU.

Auf EU-Ebene wurden mehrere Asyl-Richtlinien und Verordnungen zur Vereinheitlichung der Verfahren usw. geschaffen. Unter anderem regelt die EU-Dublin-Verordnung, welches Land in welchen Fällen zur Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Es gilt der Grundsatz, dass ein Schutzsuchender ein Recht auf ein faires Asylverfahren in einem Land der EU hat.

Es ist wichtig zu sehen:

Ja, das Grundgesetz gilt weiterhin, aber ein Schutzstatus für Flüchtlinge kann nicht nur nach Art. 16a GG, sondern auch auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Asylrechts erteilt werden. Das bedeutet konkret: Schutzbedürftige Flüchtlinge erhalten in Deutschland, wenn sie über ein sicheres Drittland eingereist sind, tatsächlich KEINEN Schutzstatus nach Art. 16a GG, ABER nach der GFK bzw. nach EU-Asylrecht.

Sie können dies auch noch einmal in dieser Broschüre nachlesen (dort S. 12ff):
http://www.die-linke.de/fileadmin/download/refugees_elements/BTF_Fakten_zum_Asyl__Maerz_2015.pdf

Nur 1,8% der Asylsuchenden erhielten 2014 einen Schutz nach Art. 16aGG - aber 24% nach der GFK, weitere auf anderer Rechtsgrundlage.

Ich hoffe, diese Informationen helfen Ihnen weiter.

Unabhängig von den Rechtsfragen ist es so, dass Flüchtlinge nicht "illegal" in unserem Land sind und wir sie natürlich auch nicht zurückschicken dürfen, wenn sie schutzbedürftig sind. Ich nehme an, dass wir in dieser humanitären Selbstverständlichkeit einer Meinung sind.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte

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