Frage an Gunter Weißgerber bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Gunter Weißgerber
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Frage an Gunter Weißgerber von Hannes M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Weißgerber,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 22.01.2008, die mir die Gelegenheit gibt, auf Ihre Argumente einzugehen:

Da ist zum einen der Vergleich von Vorratsdatenspeichung (VDS) und Hausdurchsuchung: Erstere erfasst die Daten von allen Bürgern, unabhängig, ob sie auch nur in irgendeinem Verdacht stehen. Auf die Hausdurchsuchung übertragen würde das bedeuten, dass der Staat ohne Verdacht permanent heimlich meine Wohnung durchsucht. Das ist für mich eine furchtbare Vorstellung.

Zweitens: Die Daten, die Warenhäusern und Banken sammeln, lassen sich wohl kaum mit der staatlichen Protokollierung aller unserer privaten Verbindungsdaten vergleichen.
Zum anderen ist es nicht meine *Unschuld*, die in der Strafverfolgung ermittelt werden soll, sondern die *Schuld* des Verbrechers. Ich hoffe, dass sehen Sie nicht anders. Daher ist es für mich ein Unding, dass mich die VDS überwacht, ohne dass ich in ein Verbrechen verwickelt bin.

Zum dritten bin ich der Meinung, dass bestimmte Berufsgruppen ihre Funktion nicht zufriedenstellend ausfüllen können, wenn die Privatheit ihrer Kommunikation nicht gesichert ist. Das gilt insbesondere für solche, denen Kontrollfunktion zukommt, also etwa Parlamentarier und Journalisten.
Außerdem: wie sollen Strafverfolger, Ärzte oder Geistliche mit ihren "Klienten" erfolgreich arbeiten, wenn sie nicht vertraulich kommunizieren können.

Und damit zum Wichtigsten: Die VDS lässt sich auch für Laien auf sehr einfache Weise umgehen. Etwa durch Verschlüsselung der Internetverbindung, oder dadurch dass die Nachrichten nicht verschickt, sondern einfach direkt im Postfach des Kommunikationspartners gelesen werden.

Wie man diese, im Hinblick auf ihre Ergebnisse fragliche, Ermittlingsmethode daher höher werten kann als die Grundrechte der Handlungsfreiheit, der Meinungsfreiheit (Freiheit der Rede) und des Fernmeldegeheimnisses bleibt mir weiter unverständlich, aber vielleicht können Sie mich aufklären.

Mit freundlichen Grüßen,

Hannes Michalek

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Sehr geehrter Herr Michalek,

ihre Argumentation vermittelt den Eindruck, als ob durch die Vorratsdatenspeicherung die Gespräche an sich mitgeschnitten werden, dies ist aber nicht so: Lediglich die Verbindungsdaten an sich bzw. ihre Anfangs- und Endzeit werden gespeichert. Um in ihrem Bild zu bleiben: Der Staat wird ihre Wohnung nicht durchsuchen, er speichert nur ihre Wohnadresse. Dies erlaubt nach meiner Auffassung auch die Datenspeicherung bei sog. Berufsgeheimnisträgern. Denn weder wird hier ein Gespräch zwischen Anwalt und Mandanten, noch ein Gespräch bei einem Priester oder einem Arzt "belauscht". Das ist ein wesentlicher Unterschied! Im Übrigen: Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmes des sog. "Abhörurteils" aus dem Jahr 1970 sowohl die Überwachung Unschuldiger als auch sogar von Berufsgeheimnisträgern als verfassungsrechtlich unbedenklich beschieden. Das Urteil darf ich Ihnen daher zur Lektüre empfehlen.

In diesem Zusammenhang war daher mein Beispiel der Wohnungsdurchsuchung zu verstehen: Hier wird in wesentlich stärkerem Maße in die Privatsphäre eingegriffen, Ähnliches gilt schließlich auch für den sog. "Lauschangriff". Diese andere Qualität des Eingriffs erfordert deshalb aber auch eine andere Gefahrenprognose.

Ich wehre mich schließlich auch gegen den Begriff des "Überwachungsstaates": Durch die Vorratsdatenspeicherung wird den Sicherheitsorganen die Möglichkeit gegeben in eng begrenzten Ausnahmefällen, individuell, durch richterliche Anordnung (!) und bei Verdacht schwerster Straftaten auf die Verbindungsdaten zuzugreifen; dies nur innerhalb von sechs Monaten. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion um den sog. großen Lauschangriff. Hier wurde mit der flächendeckenden Bespitzelung unbescholtener Bürger Stimmung gemacht; die Realität: unter 36 akustische Wohnraumüberwachungen im Jahr 2003 in ganz Deutschland bei 4,6 Millionen Ermittlungsverfahren.

Wir sind uns jedoch einig, dass die Sicherheit nie die persönliche Freiheit des Einzelnen in ihrem Kern antasten darf. Diesen schwierigen Ausgleich gilt es zu meistern.

Im Übrigen darf ich Sie auf meine Argumente in den anderen Antworten verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Gunter Weißgerber