Frage an Gunter Weißgerber bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Gunter Weißgerber
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Frage an Gunter Weißgerber von Peter M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Weißgerber,

könnten Sie freundlicherweise auf einen Punkt Ihrer Äußerungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen näher eingehen. Sie schreiben:

"Wenn ein Mensch bedingungslos den Anspruch darauf hat, ist der Anreiz selbst sein Schicksal in die Hand zu nehmen dahin."

Nun ist eine solche Aussage ohne Zweifel in dieser Pauschalität unsinnig, da bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen ja jede noch so geringfügige Erwerbsarbeit sofort einen Hinzuverdienst bedeutet, ergo einen ökonomischer Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit vorliegt, der noch dazu bei niedrig entlohnten Tätigkeiten erheblich höher ausfiele als bei den heutigen Regelungen. Ich schließe daraus, dass Sie mit Ihrer Bemerkung etwas spezifisches im Auge haben müssen. Falls das so ist, würden Sie bitten noch ergänzen, was das ist? Dafür wäre ich Ihnen dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Müller

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SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

sie sprechen eine wichtige Frage an: Was sind die Impulse oder Signale, die mit der Einführung des Grundeinkommens in die Gesellschaft gesandt werden? Man könnte - etwas zugespitzt - fast ethisch fragen: Was ist das Selbstverständnis eines Staates in einer sozialen Marktwirtschaft? Es geht bei dieser Problematik also nicht primär um Finanzierbarkeit oder die praktische Durchführbarkeit eines solchen Konzeptes, sondern vielmehr um die grundsätzliche Frage nach dem psychologischem Effekt.

Ich gebe Ihnen natürlich Recht, dass nicht jeder Arbeitnehmer sich mit dem Grundeinkommen in dieser Höhe klar kommen wird. Natürlich wird es nach wie vor eine hochdiversifizierte Lohnpolitik in Deutschland geben. Der "Lackmustest des Grundeinkommens" sind jedoch die unteren Einkommensschichten; mit ihnen habe ich mich in meiner Antwort auseinandergesetzt. Und dort befürchte ich, dass die arbeitsmarktpolitischen Signale erhebliche negative Auswirkungen befürchten lassen; man es sich in diesem System einrichtet. Sollte sich das Grundeinkommen im Bereich der heutigen ALG II-Sätze (und dies ist ja in der Regel der Vorschlag) bewegen, sinkt damit nicht signifikant das Interesse an einem Arbeitsplatz? In diesem Zusammenhang wird manchmal sogar von sog. "Rentnermentalität" gesprochen.

Wir haben im Rahmen der Reformen am Arbeitsmarkt intensive Diskussionen um den schon zitierten Grundsatz "Fördern und - (eben) Fordern" geführt. Das "Fordern" - die zweite Säule des Konzepts und eben kein bloßes Anhängsel des "Förderns" - würde in dieser Funktion erheblich entwertet; auf die Folgen für die Innovation will ich hier gar nicht zu sprechen kommen. Eine Grundkoordinate des Grundeinkommens ist im Übrigen die These, die Arbeit ginge aus. Ich bin auch da anderer Meinung.

Aber noch einmal: Bevor die Diskussion über die Folgen einer solchen Entscheidung geführt werden kann, muss sich eine Gesellschaft selbst fragen, welches ihr sozialpolitisches Selbstverständnis ist: Meines ist eines - wenn Sie mir das Bild gestatten - , dass dem Einzelnen nach dem Stolpern hilft und nicht vor dem Beginn des Laufes. Erwerbsarbeit und Einkommen müssen für mich - stets - untrennbar verbunden bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Gunter Weißgerber