Frage an Harald Weinberg bezüglich Gesundheit

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Harald Weinberg
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Frage von Peter W. •

Frage an Harald Weinberg von Peter W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Weinberg,

als stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses wünsche ich mir von Ihnen, dass Sie und Ihre Partei sich klar zum Thema Impfpflicht positionieren. Ich denke, das sind Sie auch im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg schuldig. Die Menschen wollen wissen, woran sie sind, sollten sie das Kreuzchen bei Ihrer Partei machen wollen.

Vor knapp drei Wochen habe ich Ihre Kollegin Katja Kipping, MdB, darauf aufmerksam gemacht, dass Ihr parteiinterner Beschluss zum Thema widersprüchlich in sich selbst ist, siehe https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/katja-kipping/question/2019-08-09/320885 .

Ich frage Sie deshalb: Sind sie jetzt für oder gegen eine Impfpflicht? Würden Sie eine Impfpflicht sogar noch ausdehnen auf weitere Erkrankungen?

Inwiefern haben Sie sich persönlich auch mit kritischen Stimmen zum Thema befasst? Dieser regelmäßig aktualisierte Faktencheck bezieht sich auf offizielle Dokumente und belegt, dass einige im Gesetzentwurf aufgeführte Statements, die eine Impfpflicht rechtfertigen sollen, schlicht und ergreifend aus der Luft gegriffen sind: http://impf-info.de/die-impfentscheidung/die-diskussion-%C3%BCber-die-impfpflicht/272-die-trumpisierung-der-impfdiskussion.html

Wie beurteilen Sie im Hinblick darauf die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Impfpflicht?

Und: Welche Experten werden vom Gesundheitsausschuss zu den öffentlichen Anhörungen geladen? Ich hoffe doch sehr darauf und plädiere, dass die Auswahl der Experten wohlüberlegt ist und zu 50% auch kritische Stimmen gehört werden. Wird es eine Live-Übertragung im Parlaments-TV geben?

Danke für Ihre Antworten!

Liebe Grüße, Peter W.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Frage. Dazu möchte ich Ihnen die Position der LINKEN aufzeigen. Gleich vorweg: Die Fachpolitiker*innen der Bundestagsfraktion DIE LINKE sind nach wie vor der Meinung, dass eine Impfpflicht der falsche Weg ist. Sicherlich gibt es auch bei der LINKEN - wie in den meisten Parteien- unterschiedliche Positionen. So haben sich auch bereits mehrere Landesverbände der LINKEN für eine - wie auch immer geartete - Impfpflicht ausgesprochen. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hingegen hatte sich vor 4 Jahren nach längerer Aussprache auf ein Papier mit dem Titel "Impfen fördern, nicht erzwingen" verständigt (https://www.linksfraktion.de/themen/positionspapiere/detail/impfen-foerdern-nicht-erzwingen/). Die Fachpolitiker*innen der AG Gesundheit & Pflege setzen sich auch weiterhin explizit gegen einen Impfzwang ein.

Demnächst wird die Bundesregierung den Gesetzentwurf von Jens Spahn an den Bundestag weiterleiten. Neben der 1. und 2./3. Lesung werden wir vor allem im Rahmen des Ausschusses für Gesundheit und einer öffentlichen Sachverständigenanhörung viele Unstimmigkeiten der Argumentation von Jens Spahn und von anderen Impfpflicht-Befürworter*innen intensiv diskutieren. Ob das allerdings auf offene Ohren stoßen wird, so dass dieser Gesetzentwurf in der vorgelegten Form fallengelassen wird, muss ich allerdings leider bezweifeln, so wie ich Jens Spahn, aber auch Karl Lauterbach von der SPD bislang kennengelernt habe.

Eine Impfpflicht gegen Masern ist aus meiner Sicht der falsche Weg:

* Alle Menschen bzw. deren gesetzliche Vertreter*innen sollen sich grundsätzlich frei für oder gegen jegliche medizinischen Maßnahmen entscheiden dürfen. Nur durch eine solche Frei­willigkeit können Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit und auch das Vertrauen in die Patientenorientierung der Medizin erhalten bleiben. Dies betrifft auch Impfungen, die einen medizinischen Eingriff darstellen und ohne Zustimmung grundsätzlich den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen würden.

* Expert*innen wie zum Beispiel Professor Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, gehen davon aus, dass eine Impfpflicht sogar kontraproduktiv wirken und die Impfbereitschaft sinken könnte sowie die Überzeugungskraft der Argumente pro Impfung abnimmt (vgl. https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/masern/article/943821/eher-kontraproduktiv-impfpflicht-wuerde-masernproblem-nicht-loesen.html). Eine Reihe von Ländern erreicht die von der WHO angestrebte Durchimpfungsrate von 95% übrigens ohne jegliche Verpflichtung zur Impfung.

* Eine Impfpflicht für Klein- und Schulkinder ist zudem nicht gerechtfertigt und nicht verhältnismäßig. Die Entwicklung der Zahlen an Erkrankungsfällen der letzten Jahre gibt zumindest keinen Anlass für die erzeugte Hysterie; die Fallzahlen zeigen alle paar Jahre ein Auf und Ab, wobei größere Ausbrüche schon länger zurückliegen, wie Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) belegen: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Praevention/elimination_04_01.html;jsessionid=8EB3069AA12BAB3D75EA8DD4EA0F4799.2_cid290.
Die Zahlen an übermittelten Masernfällen bewegten sich in den vergangenen Jahren durchweg auf dem unteren Niveau der letzten 20 Jahre; der letzte verzeichnete hohe Peak 2015 lässt sich ggf. durch die hohe Zahl an Geflüchteten erklären, die häufig ohne Impfschutz und ohne ausreichendem Zugang zur Gesundheitsversorgung nach Deutschland kamen.

* Laut RKI ist die Zahl der an Masern erkrankten Kinder (bis 14 Jahre) in Deutschland geringer als die Zahl der erkrankten Jugendlichen (ab 15 Jahre) und Erwachsenen, weshalb bei der Bekämpfung von Masern auch insb. diese Altersgruppen beachtet werden müssen.

* Impflücken bestehen vor allem bei Erwachsenen und nicht bei Kleinkindern. Hier würde ein Impfzwang mit Sanktionen bei Kita- und Schulbesuch aber nichts bewirken. Zumindest für die 1. Impfung gegen Masern ist die Impf-Rate mit 97,1% im Bundesdurchschnitt sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2019/05_2019.html), was zeigt, dass es sich bei den später nicht ausreichend Immunisierten nicht um eine generelle Ablehnung von Impfungen handelt, sondern dass die Zweitimpfung aus unterschiedlichen Gründen unterlassen wurde.

* Der Ausschluss nicht-geimpfter Kinder aus der Schule (wie von einigen Impfpflicht-Befürworter*innen gefordert) ist mit der allgemeinen Schulpflicht schlecht zu vereinbaren. Die Androhung finanzieller Sanktionen – wie von Jens Spahn vorgesehen – würde eine soziale Spaltung erzeugen, da Wohlhabendere es sich leichter leisten könnten, gegen das Gesetz zu verstoßen.

* Ein monovalenter Impfstoff nur gegen Masern wird derzeit in Deutschland gar nicht vertrieben, so dass Mehrfach-Impfstoffe zur Anwendung kommen. Eine Impfpflicht gegen Masern würde dadurch gleichzeitig eine Impfung gegen andere Erkrankungen umfassen, für die die WHO jedoch keinen Plan zur Ausrottung hat und daher bei diesen Impfungen die Argumentation mit der gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung und der so genannten Herden-Immunität nicht greift.

* Auch das für Impfungen zuständige Robert Koch-Institut sowie der Deutsche Ethikrat lehnen Zwangsimpfungen für Kinder mit ähnlichen Argumenten ab.

Darum unterm Strich: Impfen fördern - nicht erzwingen!

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, welche Expert/innen an der Anhörung teilnehmen werden. Jede Fraktion im Bundestag kann Expert/innen benennen, die Fraktionen einigen sich dann auf die Expert/innen, die eingeladen werden. Folglich kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wie viele Befürworter, Gegner oder kritische Stimmen dabei sein werden.

Die letzten Anhörungen wurden live im Parlament-TV übertragen. Ob es dieses Mal auch wieder der Fall ist, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht sagen.

Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit: Ich bin kein Jurist, könnte mir aber durchaus vorstellen, dass es an der Stelle Probleme geben könnte, da die aktuellen Zahlen keinen Notstand darstellen. Eine abschließende rechtliche Bewertung traue ich mir nicht zu, letztlich ist dies für mich auch nicht entscheidend.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Weinberg MdB