Frage an Helge Lindh bezüglich Finanzen

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Helge Lindh
SPD
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Frage von Werner K. •

Frage an Helge Lindh von Werner K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Lindh,
in Ihrem Interview mit Spiegel-Online, veröffentlicht am 04.01.2019, deuten Sie an, eine geschäftliche Beziehung zur Fa. Amazon zu haben.

Bestellen Sie regelmäßig bei Amazon oder haben Sie es schon mal getan ?

Ist Ihnen bekannt, dass Amazon ...
- auf seinem "Marketplace" seine Marktmacht durch Preisdiktate und Verkaufsbehinderung missbraucht und damit Verkäufer unter Druck setzt und Verkaufsbehinderung als Druckmittel gegen Verlage einsetzt ?

- agressiv vermeidet, inländische Ertragssteuer zu zahlen und damit quasi Steuerflucht betreibt ?

- sich seit Jahren weigert, seine Angestellten anständig zu entlohnen nach den tarifliche Regelungen des Einzel- und Versandhandels ?

- massenhaft zurück geschickte oder unverkaufte neuwertige Waren vernichtet und dadurch Unmengen an Müll produziert ?

Für Ihre Antworten danke ich Ihnen ganz herzlich und verbleibe mit freundlichen Grüßen

W. K.

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Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für ihre Nachfrage. Tatsächlich war im Zuge des Hackerangriffs, auf den sich die Aussage im Interview bezieht, auch mein privater Amazonaccount vom Datendiebstahl betroffen. Insofern schließen Sie korrekterweise darauf, dass ich als Privatperson einen Amazonaccount führe und somit in geschäftlichen Beziehungen zur Firma Amazon stehe.

Die Geschäftspraktiken von Amazon, aber auch in der Paket- und Versandhandelbranche insgesamt, sind zum Teil inakzeptabel. Für mich und meine Fraktion steht daher die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Vordergrund. Arbeitsminister Hubertus Heil hat in diesem Sinne Vorschläge zur Nachunternehmerhaftung unterbreitet, die die großen Paketdienste in die Verantwortung nehmen würde. Zugleich unterstütze ich die Aktivitäten der Gewerkschaft Ver.di an den Amazon Standorten ausdrücklich. Nur mit einem starken Betriebsrat und guten Tarifverträgen werden wir dauerhaft bessere Bedingungen erreichen. Die Weigerung Amazons, den Tarifvertrag für Einzel- und Versandhandel statt dem der Logistikbranche anzuwenden bedeutet die Arbeitnehmer den Unterschied zwischen 9,65€ und 11,94€ Stundenlohn. Auch zur Stärkung der Gewerkschaften und der Erhöhung der Tarifbindung – die aktuell nur noch 50% beträgt - hat das Arbeitsministerium bereits Vorschläge erarbeitet (https://www.bmas.de/DE/Presse/Interviews/2018/2018-12-14-stuttgarter-zeitung.html). Das Problem fehlender betrieblicher Mitbestimmung und abnehmender Tarifbindung betrifft dabei im Übrigen viele „neue Branchen“, gerade im Dienstleistungsbereich und ist nicht auf den Versandhandel beschränkt. Wir benötigen daher auch – wo möglich – branchenübergreifende Lösungen. Es liegt nun an der Union, sich diesen Verbesserungen nicht länger zu versperren.

Bezüglich der Steuervermeidungspraktiken benötigen wir eine schnelle Einigung innerhalb der Europäischen Union. Die Einführung einer Digitalsteuer - im besten Fall auf Ebene der OECD-MItgliedsstaaten - und die Einführung einer "virtuellen Betriebsstätte", als Anpassung an die Realität der digitalen Wirtschaft sowie die Koordinierung von Mindeststeuersätzen müssen endlich umgesetzt werden. Die Anstrengungen der Europäischen Kommission, nachträglich entgangene Steuern einzufordern, sind zwar zu begrüßen, lösen die Ursache des Problems aber natürlich nur bedingt, indem der Konkurrenzkampf über immer niedrigere Steuern zwischen den EU-Mitgliedsstaaten nicht gelöst wird.

Die Marktmacht des Amazon-Konzerns ist in der Tat zu hoch. Eine schnelle Abhilfe gestaltet sich aber schwierig. Einen wichtigen Schritt zur Erhaltung des Buchmarktes haben wir im Dezember 2018 getan, als der Bundestag sich gegen die Vorschläge der Monopolkommission stellte, die Buchpreisbindung aufzuheben.

Verschwendung und Umweltverschmutzung sind leider kein Phänomen, das nur den Versandhandel betrifft. Es ist selbstverständlich eine unserer drängendsten Aufgaben, politische Vorgaben dort einzusetzen, wo privatwirtschaftliches Tun offensichtlich negative Auswirkungen auf Umwelt und Mensch hat. Ob ein Verbot der Vernichtung von neuwertiger Ware – wie beispielsweise von Greenpeace gefordert – allerdings praktikabel und zielführend ist, sollte erst entschieden werden, wenn die Anstrengungen der Versandhändler nicht ausreichen. Ich denke, eine Minimierung der Retouren und der Vernichtung neuwertiger Ware liegt auch im Eigeninteresse der Versandhändler selbst.

Zu guter Letzt halte ich trotz aller Kritik am Geschäftsmodell Amazons einen Boykott nicht für zielführend. Wir benötigen allgemeinverbindliche politische Lösungen, wie ich sie oben skizziert habe. Dies trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass die Missstände sich nun mal keinesfalls auf ein Unternehmen, sondern auf gesamte Branchen beziehen.

Ich hoffe, ihre Fragen hiermit zufriedenstellen beantwortet zu haben und stehe gerne für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Helge Lindh, MdB

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