Frage an Hubertus Heil bezüglich Bildung und Erziehung

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Hubertus Heil
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Frage von Karl T. •

Frage an Hubertus Heil von Karl T. bezüglich Bildung und Erziehung

wann sind wir endlich soweit, daß die Schulreform vom Bund und nicht von den
Ländern geregelt wird.

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Sehr geehrter Herr Theuerkauf,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch vom 08. Juli 2010 zur Frage der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern für die Bildungspolitik.

Eine gerechte Bildungsteilhabe ist eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige gesellschaftliche Teilhabe, positive Lebensperspektiven und für eine selbstbestimmte Lebensführung. Bildung ist ein Menschenrecht und steht jeder Einzelnen und jedem Einzelnen in gleicher Weise zu. Als öffentliches Gut bleibt es Aufgabe des Staates, ein gerechtes und leistungsfähiges Bildungswesen zu gewährleisten. Grundsätzlich hat sich der Bildungsföderalismus dabei bewährt. Er muss jedoch im Lichte neuer gesellschaftlicher Entwicklungen sowie sich ändernder bildungspolitischer Herausforderungen regelmäßig überprüft, bei Bedarf angepasst und im Sinne eines kooperativen Föderalismus weiterentwickelt werden.

Die Bildungspolitik steht unverkennbar vor steigenden Herausforderungen. Zunehmend individuelle Bildungsbiographien folgen ebenso steigenden wie veränderlichen Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschäftigten in einer wissensgetriebenen Wirtschaft. Die Internationalisierung der Bildung und die Schaffung eines europäischen Bildungsraumes erzeugen neue Möglichkeiten und Chancen, aber auch einen länderübergreifenden Anpassungsbedarf, um sie nutzen zu können. Hinzu kommen der Bedeutungszuwachs der frühkindlichen Bildung, der integrativen und inklusiven Bildung, das Ziel der Sicherung und Weiterentwicklung der kommunalen Bildungsinfrastrukturen sowie die Bewältigung des Strukturwandels in der Hochschullandschaft als übergreifende Aufgabenstellungen, die sich einer exklusiven Zuordnung zu einer einzigen politischen Gestaltungsebene zunehmend entziehen. Die gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Bildungszusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen sind in Anbetracht dieser bildungspolitischen Herausforderungen unzureichend. Der Ausschluss der substanziellen Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der allgemeinen Bildung und der Vorbehalt der Gesetzgebungsbefugnis für Bundesfinanzhilfen erschweren sachgerechte Lösungsansätze und etablieren praxisferne, aber politisch unüberbrückbare Gestaltungsgrenzen von Bund und Ländern. Nicht zuletzt die zwei Konjunkturpakete des Bundes zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise sind in ihrer Ausgestaltung wiederholt an verfassungsrechtliche Grenzen gestoßen, obwohl Bund und Länder gemeinsam das Ziel einer sinnvollen und sachgerechten Stärkung des Bildungswesens verfolgten. Die zweite Stufe der Föderalismusreform konnte hier nur teilweise eine Verbesserung erzielen, denn die bildungspolitischen Herausforderungen bestehen unabhängig von der Frage, ob natürliche bzw. menschengemachte Katastrophen die Finanzlage des Staates beeinträchtigen.

Die Themenagenda der bisherigen zwei Bildungsgipfel von Bund und Ländern sowie der „Qualifizierungsinitiative für Deutschland" belegen sowohl die steigenden bildungspolitischen Herausforderungen als auch den zunehmenden Zwang zur kooperativen Aufgabenwahrnehmung. Der ausstehende Durchbruch in den Beratungen manifestierte sich oberflächlich an der Frage der Bildungsfinanzierung. Strukturell war er aufgrund der sachlich gebotenen, verfassungsrechtlich aber begrenzten Möglichkeiten eines effektiven Zusammenwirkens von Bund und Ländern insbesondere in der allgemeinen Bildung von Anfang an unwahrscheinlich.

Eine mögliche flexible Lösung ist die Schaffung einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Kooperationsnorm für Bildung als neue Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Ihr Regelungsgehalt sollte mindestens die Möglichkeit eröffnen, dass Bund und Länder bei Bedarf zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens auf Grundlage von Vereinbarungen zusammenwirken können. Diese Norm wäre hinreichend offen, um künftige oder unvorhergesehene Entwicklungen aufnehmen zu können, aber auch eng genug, um die primäre Zuständigkeit der Länder für das Bildungswesen zu berücksichtigen.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage ausreichend beantworten konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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