Frage an Hubertus Heil bezüglich Finanzen

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Hubertus Heil
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Frage von Miguel T. •

Frage an Hubertus Heil von Miguel T. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Heil,

Wie viele andere bin ich beunruhigt über die Finanzsituation unseres Gemeinwesens.
Die "Schuldenuhr" des Bundes der Steuerzahler weist momentan 4.400 Euro Schuldenzuwachs pro Sekunde aus. Aber wirklich erschreckend und im öffentlichen Bewusstsein noch nicht so präsent ist die Relation zur Zinslast: die Hälfte dieser Summe muss für Zinszahlungen verwendet werden. Teilen Sie die Einschätzung, dass diese Entwicklung zur Handlungsunfähigkeit der Politik führt, wenn nichts dagegen unternommen wird?

Im November (Antwort vom 18.11.08) schrieben Sie noch:"Dem Ziel der Haushaltskonsolidierung sind wir in den vergangenen Jahren ein gutes Stück näher gekommen." Davon ist in den letzten Wochen nichts mehr zu spüren. Wir sitzen auf einem Pulverfass oder besser einer Zeitbombe, wie es die Seite www.zeitbombe-net.de auf den Punkt bringt.

Auch hinsichtlich der Wahlentscheidung im September wüsste ich gerne Konkretes zur Position der SPD. Haben Sie Ideen, die Zeitbombe zu entschärfen? Gibt es Modellrechnungen für die langfristigen Auswirkungen des neuen Schulden-Pakets auf den Bundeshaushalt?

Welche Politik schafft den Spagat zwischen
- weiterer Neuverschuldung und Einnahmeausfällen im wirtschaftlichen Abschwung und
- notwendigen Investitionen in die Zukunft, z.B. Bildung, Infrastruktur, Umwelt, soziale Gerechtigkeit?

mit besten Grüßen

Miguel Tamayo

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SPD

Sehr geehrter Herr Tamayo,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Schuldenbremse, auf die ich Ihnen gerne antworten will.

Meinen Ausführungen dazu möchte ich vorweg schicken, dass wir uns in einer historisch völlig neuartigen Situation befinden. Für die politischen Maßnahmen zur Eindämmung einer solchen Krise, wie wir sie in den letzten Monaten erlebt haben, gibt es keine Vorbilder. Insofern gestalten sich Modellrechungen zu den Auswirkungen auch schwierig.

Dennoch, eines der Leitmotive der SPD ist die Handlungsfähigkeit des Staates. Eine übermäßige Staatsverschuldung beeinträchtigt diese natürlich. Allerdings glauben wir auch, dass der Staat in Krisensituationen wie in der jetzigen handlungsfähig bleiben muss, um auch antizyklische Wirtschaftspolitik betreiben zu können.

Deswegen hat die SPD in einer Arbeitsgruppe unter Vorsitz des rheinland-pfälzischen Finanzminister Prof. Dr. Ingolf Deubel Eckpunkte für eine neue Schuldenregel erarbeitet. Diese Schuldenregel soll bewirken, dass der Staat in guten Zeiten Schulden zurückführt, langzeitig die Handlungsfähigkeit in schlechten Zeiten jedoch erhalten bleibt. Die neue Schuldenregel umfasst drei Punkte:

Eine eingeschränkte Möglichkeit der strukturellen Neuverschuldung. Mit dieser strukturellen Komponente wird es dem Staat auch in guten Zeiten ermöglicht, gestaltende Finanzpolitik durchzuführen. Da die strukturelle Neuverschuldung jedoch deutlich unter Produktivitätszuwachs und Inflation bleibt, wird die Gesamtverschuldung von heute über 60,0 Prozent deutlich zurück gefahren.

Eine Konjunkturkomponente ermöglicht es in schlechten Zeiten, zusätzlich Geld in die Hand zu nehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dies muss aber in guten Zeiten zurückgezahlt werden.

Mittels einer Ausnahmeregelung durch Mehrheitsbeschluss im Parlament kann auch auf unvorhergesehene Ereignisse – Naturkatastrophen oder auch die aktuelle Finanzmarktkrise – reagiert werden. Eine Begrenzung auf ein bestimmtes Ausgabevolumen ist hier nicht vorgesehen.

Im Rahmen der Föderalismuskommission II haben sich Vertreter von Bund und Länder der Koalition auf einen Kompromiss geeinigt, welcher diese Elemente aufnimmt - wenn auch nicht alle Forderungen der SPD berücksichtigt wurden. Vereinbart wurde jedoch, dass die neue Schuldenregel für Bund und Länder bereits im Jahr 2011 in Kraft treten soll, allerdings mit notwendigen Übergangsphasen.

Die Regelung für den Bund berücksichtigt lediglich, dass wir uns momentan in einer konjunkturellen Ausnahmesituation befinden, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Die Länder müssen ihre Haushalte bis zum Jahr 2020 auf das Inkrafttreten der neuen Schuldenregel vorbereiten. Dieser Übergangspfad ist auch hier angesichts der momentanen Wirtschaftskrise notwendig.

Für die SPD ist also wichtig, dass der Staat handlungsfähig bleibt und die Steuerquote insgesamt nicht noch weiter zurückgefahren wird.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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