Inflationsausgleich bei voller Erwerbsminderungsrente

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Hubertus Heil
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Frage von Anita H. •

Inflationsausgleich bei voller Erwerbsminderungsrente

Sehr geehrter Herr Heil, warum bekommen Erwerbsminderungsrentner die knapp über der Grundrente liegen und nicht mehr arbeiten können keinen Inflationsausgleich. Ich konnte leider nur 35 Jahre im Gesundheitswesen (teilweise 50 Stunden Woche) arbeiten bis ich krank wurde. Die Rentenkassen sind voll und viele Leute die hier noch nie gearbeitet haben, haben mehr Geld zur Verfügung . Man sollte sich wirklich auch mal um die deutschen Bürger kümmern die Hilfe benötigen. Kranke und auch ältere Menschen zählen in dieser Gesellschaft leider nicht mehr, das ist leider sehr traurig und beschämend.
Mit freundlichen Grüssen

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Sehr geehrte Frau H.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Zunächst möchte ich mich für Ihre 35-jährige Arbeit im Gesundheitswesen bedanken und Ihnen für Ihren Einsatz meine Anerkennung ausdrücken.

Ich gehe davon aus, dass Sie mit Ihrer Frage auch auf die tarifliche Einmalzahlung abzielen. Hierzu gebe ich folgende Argumente zu bedenken:

Die Motivation für die Schaffung dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung ist der Gedanke, dass die ohnehin durch die Energiepreisentwicklung getriebene Inflation durch hohe Lohnentwicklungen nicht noch mehr gesteigert werden soll. Die Einmalzahlung soll damit einen Beitrag leisten, dass es nicht zu einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale kommt, die zu einer immer weiter steigenden Inflation führen würde. Von einer Dämpfung der Inflation profitieren auch die Rentnerinnen und Rentner. Die Regelung der Inflationsausgleichsprämie hat zudem einen rein tarifpolitischen Charakter, das heißt, es obliegt den Tarifparteien, in der Regel also Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, zu entscheiden, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird oder nicht.

Die Zahlung eines Inflationsausgleiches zusätzlich zur Rentenanpassung ist hingegen keine Aufgabe für die Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung und würde das System überfordern.

Die Renten werden auf der Grundlage der gesetzlichen Rentenanpassungsformel jährlich zum 1. Juli angepasst. Dabei gilt: Die gesetzliche Rente ist lohn- und beitragsbezogen und folgt daher grundsätzlich den Löhnen. Damit wird sichergestellt, dass die Rentnerinnen und Rentner an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung teilhaben.

Das bedeutet grundsätzlich auch: Bleibt die Lohnsteigerung hinter der Inflation zurück, ist auch die Rentenanpassung geringer als die Inflation. Auf der anderen Seite ist durch die sogenannte Rentengarantie sichergestellt, dass die Rentenwerte bei sinkenden Löhnen nicht gekürzt werden.

Die Rentenanpassung zum 1. Juli 2023 bleibt mit 4,39 Prozent im Westen und um 5,86 Prozent im Osten zwar aktuell hinter der Inflation zurück, aber auch die Beschäftigten mussten Reallohneinbußen hinnehmen. Zudem ist dies nur eine Momentaufnahme. Das Prinzip, dass die Renten den Löhnen folgen, hat sich mit Blick auf die Einkommensentwicklung von Rentnerinnen und Rentnern bewährt. Betrachtet man die Entwicklung des aktuellen Rentenwerts seit 2012, so beträgt der Anstieg im Westen insgesamt 26 Prozent, im Osten sogar 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum sind die Preise nur um 20 Prozent gestiegen. Bei 1.000 Euro Rente lag die Rentenanpassung somit brutto um 63 Euro im Westen und um 198 Euro im Osten über der Inflation in diesem Zeitraum. Aktuell abgeschlossene Tarifverträge sehen durchaus beachtliche Lohnerhöhungen vor. Sie werden sich dann in der Rentenanpassung zum 1. Juli 2024 abbilden.

Des Weiteren bitte ich zu bedenken, dass die Renten insbesondere durch die Beiträge der Beschäftigten finanziert werden. Wenn die Rentenbeziehenden nicht nur an der Lohnentwicklung teilhaben, sondern darüber hinaus noch einen Inflationsausgleich erhalten würden, müssten die Versicherten die damit verbundenen Mehrausgaben durch höhere Beiträge aufbringen und dadurch noch höhere Reallohneinbußen hinnehmen. Dies würde zu einer zusätzlichen Belastung der Versicherten führen.

Soweit Sie einen Inflationsausgleich ausschließlich für niedrige Renten – wie zum Beispiel auch die von Ihnen angesprochenen Renten, die knapp über der Grundsicherung liegen – vorschlagen, ist zudem zu bedenken, dass aus dem Bezug einer niedrigen Rente nicht zwangsläufig auf ein niedriges Gesamteinkommen geschlossen werden kann. Ein Inflationsausgleich ausschließlich für niedrigere Renten würde also auch diejenigen besserstellen, die zwar eine geringe gesetzliche Rente bekommen, insgesamt aber über vergleichsweise hohe andere Einkünfte verfügen.

Die Bundesregierung hat aber etwa mit der Energiepreispauschale oder der Strom- und Gaspreisbremse Maßnahmen ergriffen, die auch für Rentnerinnen und Rentner zielgerichtete Entlastungen zur Abmilderung der Preissteigerungen mit sich bringen. Dennoch werden wir die Entwicklungen sorgfältig beobachten und gegebenenfalls handeln.

Unabhängig davon hat die Bundesregierung die Leistungen für die Menschen, die eine Rente wegen Erwerbsminderung in Anspruch nehmen müssen, in den letzten Jahren mehrfach wesentlich verbessert. Zuletzt ist dies mit dem sog. Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz erfolgt, welches zum 01. Juli 2024 wirksam wird.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

 

 

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