Warum unterliegen dauerhaft erwerbsunfähige Menschen sozialrechtlich denselben Restriktionen wie erwerbsfähige und müssen daher den Rest ihres Lebens in Armut verbringen? Warum keine Erleichterungen?

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Frage von Ulrike F. •

Warum unterliegen dauerhaft erwerbsunfähige Menschen sozialrechtlich denselben Restriktionen wie erwerbsfähige und müssen daher den Rest ihres Lebens in Armut verbringen? Warum keine Erleichterungen?

Dauerhaft erwerbsgeminderte Menschen, die ihre EM-Rente mit Grundsicherung aufstocken müssen, werden größtenteils gleich behandelt wie Alg2-/Bürgergeldbezieher (es gibt denen gegenüber aber auch Benachteiligendes). Finden Sie es gerecht, Menschen, die mitten aus dem Berufsleben gerissen wurden und NIE WIEDER die Chance haben, selber für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, gleichzustellen mit Menschen, die das irgendwann wieder können und sie denselben Restriktionen zu unterwerfen? Sie so dazu zu verdammen, bis zum Ende ihres Lebens in Armut zu leben? Für Erwerbsfähige ist dieser prekäre Zustand nur vorübergehend, für ErwerbsUNfähige aber nicht. Sie sind zudem durch ihre Krankheit und/oder Behinderung schon genug gestraft. Warum also gibt es für sie nicht Erleichterungen? Vor allem bzgl. Anrechnung von "Einkommen" (z.B. Rentenerhöhungen, Zinsen - es wird sogar gefordert, Rücklagen zu bilden, wie denn? Geschenke, Gewinne et al.)? Hier nicht zu unterscheiden ist unsozial und nicht gerecht.

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Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die staatlichen Sozialleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sind hinsichtlich der Regelungssystematik und der Höhe der jeweiligen Regelsätze weitestgehend gleichlaufend. Dies mag vereinzelt auf Unverständnis stoßen, da sich Menschen, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, nachvollziehbarerweise eine höhere Grundsicherungsleistung wünschen. Wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erwerbstätig sein kann, ist das allein schon schwer zu verkraften. Besonders aber dann, wenn die Rente für den Lebensunterhalt nicht ausreicht und man auf unterstützende Leistungen des Staates angewiesen ist.

Dennoch darf diese Leistung (i.d.R. nach dem Vierten Kapitel des SGB XII - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) nicht höher ausfallen als alle vergleichbaren Sozialleistungen wie z. B. das Bürgergeld aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II. Denn das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und das Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 GG sichern jedem Hilfebedürftigen diejenigen finanziellen Voraussetzungen zu, die für den notwendigen Lebensunterhalt und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dabei unterscheidet das Grundgesetz nicht nach den jeweiligen Ursachen für den Hilfebedarf. Es macht in dieser Hinsicht daher keinen Unterschied, ob die hilfebedürftige Person arbeitsfähig ist oder nicht.

Grundsätzlich gilt, dass es sich bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII und bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII um bedarfsabhängige Leistungen handelt. Sie greifen als unterstes Netz des sozialen Sicherungssystems, wenn der Lebensunterhalt nicht mit eigenem Einkommen bestritten werden kann. Es gilt, dass der Lebensunterhalt vorrangig durch das eigene Einkommen zu bestreiten ist. Nur soweit dieses Einkommen nicht ausreicht, kommen ergänzend Leistungen der Sozialhilfe in Betracht. Dies ist dem Prinzip der Nachrangigkeit bedürftigkeitsabhängiger, steuerfinanzierter Sozialleistungen geschuldet. Einzusetzen ist das gesamte verfügbare Einkommen, also z. B. auch die eigene Altersrente bzw. die Erwerbsminderungsrente.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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