Frage an Ingo Wellenreuther bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ingo Wellenreuther
CDU
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Frage von Julius R. •

Frage an Ingo Wellenreuther von Julius R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wellenreuther,

vielen Dank, für die vielen beantworteten Fragen!!

Ich habe leider während des letzten Jahres jedes Vertrauen in unsere Regierung und die CDU verloren. Die Aussagen der Bundesregierung haben mittlerweile eine Halbwertszeit von wenigen Monaten.

Hier einige Beispiele:

- 180° Wende in der Kernenergie

- das erste Hilfspaket für Griechenland wurde als EINMALIGE Ausnahme bezeichnet

- der Rettungsschirm wurde zunächst als theoretisches Produkt zur Beruhigung der Märkte beschrieben, das praktisch nie zur Anwendung kommen würde

- Merkel, am 27.10.10: "Er [der Rettungsschirm] läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert.“

- Schäuble am 26.20.11: "Wir haben nicht die Absicht, ihn [den Schuldenschirm] aufzustocken"

-aus Drucksache 17/4880 des deutschen Bundestages, angenommen am 16.03.2011:
"2. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass die in der Erklärung der Eurogruppe
vom 28. November 2010 beschriebenen Merkmale für den dauerhaften Kri-
senmechanismus bei der Ausgestaltung uneingeschränkte Beachtung finden.
Die Finanzierungslasten des ESM sollen intergouvernemental nach festen
Anteilsregelungen ausgestaltet sein. Außerhalb des ESM soll es keine Son-
derregelungen geben. Der Deutsche Bundestag erwartet aus verfassungs-
rechtlichen, europarechtlichen und ökonomischen Gründen, dass gemeinsam
finanzierte oder garantierte Schuldenankaufprogramme ausgeschlossen wer-
den."

All diese Aussagen hatten offensichtlich keine Gültigkeit. Unsere Politiker sind also entweder unfähig auch nur 2 Monate im voraus zu denken, oder sie lügen.

Wie soll ich so in politische Aussagen vertrauen? Warum Wahlen, wenn das Wahlprogramm bedeutungslos ist?

Hochachtungsvoll
Julius Reuter

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Reuter,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 24. Oktober 2011. Ich bedauere sehr, dass Sie Ihr Vertrauen in die christlich-liberale Bundesregierung und die CDU verloren haben und hoffe, dass Sie dieses wieder finden. Gerne möchte ich auf die beiden, von Ihnen angeführten Beispiele eingehen.

Zunächst zur Änderung unserer Energiepolitik: Natürlich verstehe ich Ihre Skepsis zur Zurücknahme der erst kurz zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke, gebe aber zu bedenken, dass die dramatischen Ereignisse in Japan in der Gesellschaft eine Bewegung erzeugt haben, die klar besagte, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Laufzeitverlängerung wünschten, sondern einen beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie. Die verantwortliche Politik wäre ignorant gewesen, hätte sie diesem offensichtlichen Mehrheitswillen nicht Rechnung getragen. Deshalb war es die Aufgabe der CDU-geführten Bundesregierung, in einer neuen Abwägung ein realistisches Konzept für einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Kernkraft zu entwickeln und dabei auch im Blick zu haben, dass eine sichere, bezahlbare und klimaverträgliche Energieversorgung zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein muss.

Sie schreiben in Bezug auf die Euro-Rettung: "Unsere Politiker sind entweder unfähig auch nur 2 Monate im voraus zu denken, oder sie lügen". Ich möchte für mich und meine Abgeordnetenkollegen erklären, dass wir keineswegs lügen, sondern räume gerne ein, dass wir mit den Bemühungen zur Bewältigung der derzeitigen europäischen Staatsschuldenkrise in vielerlei Hinsicht absolutes Neuland betreten. Dies ist der eine Grund für gewisse Widersprüche, zu denen es in den vergangenen Monaten zweifelsfrei gekommen ist. Der andere, noch entscheidendere Grund ist jedoch, dass es sich bei der Sicherung unserer Gemeinschaftswährung keineswegs um eine nationale Angelegenheit handelt, die die Regierungskoalition alleine entscheiden könnte. Vielmehr finden die Verhandlungen zur Lösung der Euro-Krise in erster Linie auf europäischer Ebene statt und in den meisten Fällen ist unter den Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten ein einstimmiges Votum erforderlich. Es geht also bei allen Vorhaben um Kompromisse, deren Wesen es nun einmal ist, dass kein Staat seine Haltung zu einhundert Prozent durchsetzen kann.

Die große Unterstützung, die das Vorgehen der Bundesregierung am 26. Oktober 2011 im Deutschen Bundestag - auch durch SPD und Grüne - erfahren hat, stimmte mich bereits optimistisch, dass die Bundeskanzlerin die deutschen Interessen mit dem starken Rückhalt des Parlaments weiterhin kraftvoll auf europäischer Ebene vertreten wird. Dies ist der Kanzlerin dann auch auf eindrucksvolle Weise gelungen.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Wellenreuther MdB