Frage an Ingrid Arndt-Brauer bezüglich Soziale Sicherung

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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Ralf W. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Ralf W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,

in wenigen Tagen entscheidet der BGH über wesentliche Teile der Hartz lV Gesetzgebung.
Heribert Prandl hat in der SZ geschrieben
"Das "Gesetz über die Grundsicherung für Arbeitssuchende" war und ist ein Gesetz der Grundverunsicherung. Es ist ein kleinliches, ein schikanöses Gesetz, das die Behörden zu Verwaltungsexzessen zwingt, und das auch die Lebensleistung von Menschen missachtet, die fast ihr Leben lang gearbeitet haben."
Es fällt mir schwer, es besser zu beschreiben.
Ich möchte Sie fragen, ob sich in den letzten fünf Jahren Ihre Einstellung zu die Gesetz geändert hat, insbesondere mit Hinblick auf die Unterstützung des Finanzsektors in Höhe von 480 Mrd. €.
Halten Sie den Sozialauftrag, so wie er im GG niedergelegt ist, durch die Hartz-Gesetzgebung erfüllt?

Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Winter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Winter,

vielen Dank für Ihre Frage, mit der Sie mich um eine Stellungnahme zur Hartz IV-Gesetzgebung bitten. Unabhängig von dem zu erwartenden Urteil des BGH beraten wir zur Zeit in der SPD darüber, wo bzw. wie die gesetzlichen Regelungen zu Hartz IV verbessert werden können/müssen. Dort wo der Gesetzgeber die praktische Umsetzung des Gesetzes vor Ort im Sinne der Betroffenen erleichtern kann, sollten wir das Gesetz entsprechend ändern. Das gilt auch für Gerechtigkeitslücken. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist - wie Sie ja auch ansprechen - die Lebensleistung der Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet uns Steuern und Abgaben bezahlt haben. Hier sehe ich Handlungsbedarf diese zukünftig besser zu berücksichtigen. Erste Schritte wurden jetzt durch die Erhöhung des Schonvermögens bereits umgesetzt, was die SPD und auch ich ausdrücklich begrüßen.

Grundsätzlich halte ich die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe aber für richtig. Allen arbeitsfähigen SozialhilfeempfängerInnen stehen dadurch sämtliche Instrumente der Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsagenturen zur Verfügung.

Für die meisten Familien - vor allem solche mit mehreren Kindern - und Arbeitslose, die zuvor nur über ein geringes Einkommen und demzufolge auch ein geringes Arbeitslosengeld I verfügt haben, bedeutet Hartz IV auch finanziell keine Verschlechterung. Im Gegenteil: Die Abschaffung des Rückgriffs auf die Einkommen/Vermögen der Eltern bzw. umgekehrt der Kinder, stellt eine deutliche Verbesserung für die ALG II-BezieherInnen dar. Dass ALG II-BezieherInnen ihr Vermögen offenlegen müssen befürworte ich ebenfalls. Auch die Arbeitslosenhilfe war eine steuerfinanzierte Leistung, bei der die AntragstellerInnen ihre Vermögensverhältnisse entsprechend belegen mussten.

Das Prinzip fördern und fordern sollten wir beibehalten und dort wo es nötig und möglich ist, die Förderung der Arbeitsaufnahme fortlaufend verbessern. Der Sozialauftrag des GG wird durch Hartz IV meines Erachtens nicht grundsätzlich unterlaufen - das gilt prinzipiell auch für die Zumutbarkeitsregel. Wer staatliche Hilfe durch Steuergelder in Anspruch nimmt muss grundsätzlich zur Arbeitsaufnahme außerhalb seiner bisherigen Tätigkeit bereit sein und sich um die Aufnahme einer Tätigkeit - und sei es in Teilzeit - bemühen. Die Würde des Menschen wird für mich dann beeinträchtig, wenn Menschen gezwungen werden zu unwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Das gilt vor allem für Lohndumping. Dieses Problem entsteht aber nicht originär durch die Hartz IV-Gesetzgebung sondern durch das Fehlen eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns. Die SPD befürwortet seit langem die Einführung einer branchenunabhängigen Lohnuntergrenze.

Bei Verstößen gegen arbeitsrechtliche Standards und Normen tragen die Mitarbeiter in den Jobcentern bzw. den Kommunen eine große Verantwortung schwarze Schafe bei den Arbeitgebern zu identifizieren und diesen keine MitarbeiterInnen mehr zu vermitteln. Der Bund als Gesetzgeber kann hier über das ohnehin bestehende Verbot sittenwidriger Arbeit und die bestehenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen hinaus, keine weiteren Schritte unternehmen.

Unsere Aufwendungen für Sozialleistungen sind - von etwaiigen einzelnen Verbesserungen abgesehen - angemessen. Für Hartz IV gibt allein der Bund mehr als 20 Mrd. Euro jährlich aus. Die häufig vorgebrachten Vergleiche mit der Unterstützung des Finanzsektors sind unzulässig, allein schon deshalb, weil es sich bei der von Ihnen angeführten Summe von 480 Mrd. Euro im Wesentlichen um eine Bürgschaft handelt, die nur zu geringen Teilen wirklich ausgezahlt wird. Reales Geld ist bislang nur an wenige Banken geflossen. Für konkrete Finanzhilfen müssen diese Gebühren zahlen. Im Falle der HypoReal Estate kam es als ultima ratio zu einer Verstaatlichung. Diese Anteile kann der Staat später wieder mit Gewinn verkaufen. Ich gehe nicht davon aus, dass abschließend zu einer Belastung der öffentlichen Hand durch den SOFFIN (Bürgschaften, Finanzhilfen, Beteiligungen) kommt. Eher ist sogar auf mittlere Sicht vom Gegenteil auszugehen.

Bei der Unterstützung von Banken/Finanzinstituten ging es nicht um Gratifikationen für den Bankensektor. Es ging auch nicht darum, Bankmanager vor dem finanziellen Ruin zu schützen und einzelne Banken am Leben zu erhalten. Es ging und geht immer noch um viel mehr, nämlich einen kompletten Zusammenbruch des gesamten Bankensektors zu verhindern. Ein solcher Zusammenbruch hätte nämlich auch die Realwirtschaft mit in den Abgrund gerissen. Die Folgen wären für jeden einzelnen Bürger dramatisch gewesen: Abbau von Arbeitsplätzen, Verlust von Ausbildungsplätzen, Verlust von Sparguthaben und privater Altersvorsorge, wirtschaftlicher Stillstand bzw. Rezession. Auch die Auswirkungen auf die Stabilität und Werthaltigkeit unserer Währung wären unkalkulierbar gewesen. Wer die Stützung des Bankensektors aus Prinzip ablehnt, sollte sich darüber Gedanken machen, warum sich alle im Bundestag vertretenen Parteien – inklusive der Oppositionsparteien von den Grünen bis zur Linkspartei – prinzipiell für ein Eingreifen des Staates ausgesprochen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Arndt-Brauer