Frage an Ingrid Arndt-Brauer bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Lena M. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Lena M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Fr. Arndt,

Wir müssen zur Zeit in unserer Schule uns über den Bundestag informieren. Eine sehr wichtige Aufgabe, die wir zu erledigen haben, ist es, die Problemfelder herauszufinden.
Daher wollte wir Sie um ihre Unterstützung bitten.
Es wäre interessant zu erfahren, wie der Tagesablauf eines Bundesabgordneten aussieht und wie folgend sein Gehalt bestimmt wird. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass Abgeordnete ihre Gehälter selber bestimmen dürfen?
Wie können die Abgeordnete denn einschätzen, wie hart sie gearbeitet haben und auch ihr Gehalt verdienen ?

Da wir schon mehrere Artikel gelesen haben, haben wir die Auffassung, dass manchmal im Bundestag ziemlich lange diskutiert wird, obwohl die Entscheidung schon vorher eindeutig ist. Was denken Sie darüber?

Wir bitten Sie um Hilfe, Antwort und Verständnis,

mit freundlichen Grüßen,
Schülerinnen des Are-Gymnasiums.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Fr. Mercer,

vielen Dank für die Übersendung ihrer Frage vom 17.01.2008. Gerne gehe ich auf ihre Fragen ein und werde diese wie folgt beantworten:

Abgeordnete haben nach Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung ("Diät") und eine entsprechende Altersentschädigung (Ruhegeld), die der Besoldung folgt.

Die Bundestagsabgeordneten erhalten monatlich ein "Gehalt" von derzeit 7.339 Euro brutto. Dies entspricht einer Vergütung von Bürgermeistern kleinerer Städte und Gemeinden mit 50 bis 100.000 Einwohnern. Die Abgeordnetenentschädigung ist wie alle Einkommen zu versteuern; Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ein dreizehntes Monatsgehalt oder ähnliches bekommen Abgeordnete nicht. Wegen der in den letzten Jahren angespannten wirtschaftlichen Lage ist die Entschädigung seit dem Jahre 2003 nicht angehoben worden.

Es wird vielfach kritisiert, dass die Abgeordneten selbst über die Höhe Ihrer Diäten und Ihrer Altersentschädigung entscheiden. Der Deutsche Bundestag muss aber nach dem Grundgesetz und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes selbst über jede Erhöhung der Entschädigung vor den Augen der Öffentlichkeit durch Gesetz entscheiden. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung kann daher nicht auf eine unabhängige Expertenkommission übertragen oder durch eine automatische jährliche Anpassung in der Höhe der durchschnittlichen Steigerung der Löhne und Gehälter ersetzt werden, obwohl viele Abgeordnete angesichts der kritischen Diskussionen in der Öffentlichkeit eine solche Übertragung der Entscheidung befürworten. Das tue ich ausdrücklich auch.

Bei der Höhe der Abgeordnetenentschädigung ist vor allem die Frage zu beantworten, was angemessen ist. Was ist angemessen für einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete, die die Interessen von ca. 250.000 bis 300.000 Bürgerinnen und Bürgern in einem Wahlkreis vertritt? Was ist angemessen für jede und jeden der über 600 Abgeordneten, die in unserem Land darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden (Beispiel Kosovo, Afghanistan) oder nicht (Beispiel Irak). Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Kranken- und Rentenversicherung, über die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und darüber entscheiden, welche Steuern wir zahlen sollen? Was ist angemessen für die Abgeordneten, die nach ihrem Verfassungsauftrag die Exekutive kontrollieren sollen, die Gesetze beschließen und einen Bundeshaushalt von über 250 Milliarden Euro im Parlament verantworten müssen?

Der Bundesgesetzgeber hat den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts bei der Verabschiedung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1977 Rechnung getragen, indem er als Orientierungsgröße für die Entschädigung der Abgeordneten die Bezüge solcher Amtsinhaber wählte, die einer mit den Abgeordneten vergleichbaren Verantwortung und Belastung unterliegen. Als vergleichbar mit den Abgeordneten, die Wahlkreise mit 250 bis 300 Tausend Wahlberechtigten vertreten, wurden Bürgermeister von Städten mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern.

Um dem in weiten Kreisen der Bevölkerung verbreiteten Wunsch nachzukommen, dass die Abgeordneten nicht selbst nach unverständlichen Maßstäben über die Höhe der Entschädigung entscheiden sollen und gleichzeitig der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtes zu entsprechen, dass die Abgeordneten eben selbst über ihre Entschädigung entscheiden müssen, soll die Abgeordneten­entschädigung in einem weiteren Schritt (zum 01.01.2009) an die Vergütung der Bürgermeister von Städten und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern und der einfachen Bundesrichter angepasst werden, die bereits heute als Orientierungsgröße im Gesetz verankert ist. Sobald die Orientierungs­größe und die Abgeordnetenentschädigung deckungsgleich sind, kann der Bundestag künftig den Wünschen der Bevölkerung und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes gleichzeitig entsprechen: Eine Anhebung der Entschädigung erfolgt nur, wenn sich die Vergütung der mit den Abgeordneten vergleichbaren Bürgermeister und der Bundesrichter ändert. Und der Bundestag beschließt darüber jedes Mal neu in einem eigenen Gesetz vor den Augen der Öffentlichkeit.

Wenn in Zukunft die Abgeordnetenentschädigung dauerhaft den Vergütungen der Bürgermeister von Städten und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern und der Bundesrichter folgt, besteht die Hoffnung, dass die Gesetze des Bundestages zur Entschädigung der Abgeordneten nicht als „Selbstbedienung“ beschrieben werden können.

Die Debatten im Bundestag dienen nicht der Meinungsbildung, wovon viele Leute ausgehen. Eine Meinung bilden sich die Politiker im jeweiligen Fachausschuss (z.B. Finanzausschuss), der durch eine entsprechende Arbeitsgruppe der eigenen Fraktion (AG Finanzen) vorbereitet wird. Dort finden auch die Diskussionen statt und werden die Entscheidungen gefällt. Die Plenarsitzungen dienen allein zur Darlegung der Positionen der jeweiligen Fraktionen für die Öffentlichkeit, da die Ausschüsse nicht öffentlich tagen. Im Regelfall können nicht immer alle Abgeordneten an den Diskussionen teilnehmen, da sie parallel andere Sitzungs-/ Besprechungs- oder Besuchergruppentermine haben.

Zu meinem Tagesablauf lässt sich folgendes sagen: Während der Sitzungswochen (= Präsenzpflicht im Parlament in Berlin) - ca. 23 Wochen im Jahr - arbeite ich in Berlin. In den anderen Wochen arbeite ich in meinem Wahlkreis. Dort gibt es keinen festen Terminplan. Unter anderem halte ich regelmäßig Bürgersprechstunden und habe Gesprächstermine mit Vereinen, Verbänden, Schulen, Unternehmen, so wie den verschiedensten politischen Gremien, z. B. Kreisverwaltung, Bürgermeister etc.. Zu meinen Aufgaben gehören z.B. auch gesellschaftliche Ereignisse wie Karnevalsitzungen.

In Berlin gibt es einen mehr oder weniger festen Ablauf, den ich nachfolgend skizziere:

_Montag_
Der ursprünglich „freie“ Montag gehört für viele Abgeordnete längst zum Berliner Arbeitstag. Das bedeutet, dass sie meist schon am Sonntagnachmittag ihren Weg nach Berlin antreten müssen. Nach der Nacht in der Berliner Zweitwohnung finden am Morgen schon erste Gremiensitzungen statt: Vorbesprechungen von Fraktionsarbeitskreisen, Diskussionen in Enquete- Kommissionen oder Anhörungen in Ausschüsse. Hier wird wichtige Vorarbeit für die Plenarwoche geleistet. Im Abgeordnetenbüro wird daraufhin mit den Mitarbeitern das Wochenprogramm erörtert, Arbeitsaufträge verteilt, Post- und Drucksachen durchgesehen und Absprachen mit dem Wahlkreisbüro getroffen.

_Dienstag_
An diesem Tag tagen nicht nur viele Fraktionsarbeitsgruppen und die meisten Landesgruppen, sondern – am Nachmittag – auch die Fraktionen. Die Vollversammlung der jeweiligen Fraktion ist für jeden Abgeordneten ein selbstverständlicher Pflichttermin, denn sie ist eine große Informationsquelle. Die Fraktionssitzungen sind nicht öffentlich. Am Abend stehen weitere Verpflichtungen auf dem Programm. Da wollen Besuchergruppen aus dem Wahlkreis „ihren“ Abgeordneten zu Gesicht bekommen, da finden Landesgruppensitzungen statt, da steht ein Vortrag vor der Parlamentarischen Gesellschaft an, da wartet der Journalist von der Heimatzeitung auf das versprochene Interview, da muss die Rede für das Plenum am Donnerstag vorbereitet werden.

_Mittwoch_
Am Mittwoch tagen die Ausschüsse. (Ich bin Mitglied im Finanzausschuss.) Dort wird ein ganz wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit geleistet. Von morgens um 8 Uhr bis nachmittags, manchmal auch bis abends, tagen die 22 Ausschüsse des Bundestages, einige auch parallel. Einige Abgeordnete, besonders die der kleineren Fraktionen, sind Mitglieder in mehreren Ausschüssen. Am frühen Nachmittag tritt dann das Plenum des Bundestages zusammen, erst zur Befragung der Bundesregierung, anschließend zur Fragestunde und zur aktuellen Stunde. Hinzu kommen noch weitere Arbeitsgruppen, Obleutegespräche, Beiratssitzungen oder Fachdiskurse.

_Donnerstag_
Donnerstag steht das Plenum des Bundestages im Mittelpunkt. In der sogenannten „Kernzeit“ am Vormittag werden die besonders wichtigen, allgemein interessierenden Themen diskutiert. Sie werden meistens live von Rundfunk und Fernsehen übertragen. Die Sitzungen beginnen um 9 Uhr und reichen bis in den späten Abend. Das Parlament funktioniert in dieser Hinsicht wie die gesamte Gesellschaft: arbeitsteilig. Deshalb sind auch nicht immer alle Abgeordneten im Plenarsaal. Eine Alternative ist das Parlamentsfernsehen in ihren Büros auf denen sie die Debatte verfolgen und dabei gleichzeitig andere wichtige Aufgaben erledigen können.

_Freitag_
Von 9 – 14 Uhr findet eine weitere Plenarsitzung statt, die sich oft nach hinten verlängert, wenn z.B. eine aktuelle Stunde beantragt wurde oder die Rednerzeiten nicht eingehalten wurden. Arbeitsende in Berlin bedeutet aber nicht Arbeitsende für eine/-n Bundestagabgeordnete/-n. Für den Abend stehen weitere Termine im Wahlkreis an.

_Wochenende_
Aus dem Durchatmen wird am Wochenende meistens nichts. Der Kalender ist schon wieder gefüllt, denn das Wahlkreisbüro muss besucht und die Bürgerstunde abgehalten werden.

Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte. Auf der Internetseite http://www.bundestag.de können Sie weitere Informationen finden. Einen detaillierteren Eindruck von meinen Aktivitäten im Wahlkreis bekommen gibt meiner Homepage www.arndt-brauer.de unter „Pressemitteilungen“.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Arndt-Brauer