Frage an Jan Mücke bezüglich Gesundheit

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Jan Mücke
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Frage von Stephan N. •

Frage an Jan Mücke von Stephan N. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Mücke,

private Krankenversicherung (PKV) agieren im Vergleich zu gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sehr unwirtschaftlich. Der Anteil der Beiträge, die in Verwaltung und insbesondere das Marketing (Gewinnen neuer gesunder Kunden) fließen, ist erheblich höher, als bei den Gesetzlichen Krankenversicherungen (115 € vs. 377 € je Versichertem im Jahr, dabei sind die Abwicklungskosten der PKV noch nicht enthalten (Quelle: http://www.aok.de/bayern/beitraege-tarife/gesundheitsfonds-populaere-irrtuemer-pkv-arbeitet-wirtschaftlicher-als-gkv-50815.php ). Zusätzlich ist der bürokratische Aufwand für die Ärzte (Erstellen von Kostenvoranschlägen, Rechnungen, Erinnerungen, Mahnungen) und Patienten (Begleichen der Rechnung, Beantragen der Rückerstattung) erheblich höher als bei der GKV. Auch bei den Leistungsausgaben für Versorgnungsleistungen agieren die PKV unwirtschaftlicher als die GKV (2.200 € ggü. 2.050 € je Versichertem ( Quelle: eigene Berechnung auf Basis von http://www.aok.de/bayern/beitraege-tarife/gesundheitsfonds-populaere-irrtuemer-pkv-finanziert-ueberproportional-das-gesundheitswesen-50829.php ). Das System der PKV entzieht dem Gesundheitssystem viel wichtiges Geld. Bei derzeit 8,6 Mio. privat versicherten (Quelle: Statistisches Bundesamt) sind das allein durch die höheren Verwaltungskosten jährlich über 2 Mrd. € (eigene Berechnung auf Basis der o.g. Zahlen).

Warum halten Sie an den PKV als Grundversicherung fest (Zusatzversicherungen sind ein anderes Thema)? Durch die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag werden die Privaten Krankenversicherungen ja sogar gestärkt!

Mit freundlichen Grüßen,

Stephan Naue

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Naue,

vielen Dank für Ihre Frage vom 12. November.

Seit Jahren erleben wir, dass bei der Vielzahl hochkomplizierter Regelungen niemand mehr richtig durchblickt. Die Patienten erleben, dass sie bei dem einen Apothekenbesuch einmal das eine und das nächste Mal ein anderes Medikament erhalten. Benötigen sie Hilfsmittel, können sie nicht mehr zu demjenigen gehen, der sie bisher damit versorgt hat, sondern nur noch zu Lieferanten, die ihre Krankenkasse ausgewählt hat. In den Krankenhäusern vergeht teilweise viel Zeit bis die benötigte Hilfe kommt.

Gleichzeitig ist der Beitragssatz stetig gestiegen, zwischenzeitlich auf das Rekordniveau von 15,5 Prozent. Das hat für viele Bürger zu einer zum Teil erheblichen Mehrbelastung geführt, ohne dass sich dadurch die Gesundheitsversorgung verbessert hätte. Vielmehr hat sich das deutsche Gesundheitssystem mit den letzten Reformen mehr und mehr in die Richtung eines staatlich gesteuerten, zentralistischen Einheitssystem verschoben.

Erschwerend kommen die zukünftigen Probleme hinzu. Sie ergeben sich aus der steigenden Zahl älterer Menschen mit hohem Bedarf an Gesundheitsleistungen und, im Verhältnis zu den aktiv Beschäftigten, relativ geringen Krankenversicherungsbeiträgen bei gleichzeitiger Abnahme der Zahl jüngerer Menschen. Die Verteufelung der Bildung von Kapital führt dazu, dass wir in einigen Jahren mit einer Kombination aus sehr hohen Beitragssätzen und massiver Rationierung leben müssen, wenn nicht umgehend konsequent Vorsorge getroffen wird.

Gegen diese Entwicklung möchte die FDP mit einem Gegenentwurf setzen, der auf den Fundamenten Verständlichkeit, Versorgungssicherheit, Transparenz, Vielfalt, Wahlfreiheit der Tarife, der Therapeuten und Therapie, Wettbewerb, Nachhaltigkeit, Eigenverantwortung und Leistungsgerechtigkeit beruht. Um das erreichen zu können, müssen sich auch die heutigen Krankenversicherer ändern. Keinesfalls jedoch will die FDP, wie das teilweise behauptet worden ist, die Krankenversicherung abschaffen.

Die FDP hält es für eine elementare Voraussetzung für eine zivilisierte und humane Gesellschaft, dass sich jeder Bürger darauf verlassen kann, im Krankheitsfall versorgt zu sein. Wer sich aus eigener Kraft keinen Versicherungsschutz leisten kann, hat Anspruch auf die Hilfe der Gesellschaft. Ihm muss mit staatlichen Zuschüssen gezielt geholfen werden. In der beitragsfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist das nur mit großen Streuverlusten und Ungerechtigkeiten möglich.

Wir wollen zudem, dass so schnell wie möglich Reserven für die Zeit angelegt werden, wenn es nur relativ wenige junge Menschen und viele alte Menschen gibt, damit auch dann noch eine gute Gesundheitsversorgung ohne Rationierung möglich ist und der Krankenversicherungsschutz bezahlbar bleibt. Bei der heutigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist das nicht gewährleistet.

Schluss sein muss auch endlich mit der Gängelung der Patienten und ihrer Ärzte. Ärztliche Heilkunst beschränkt sich doch nicht darauf, eine von Funktionären zugelassene Methode X oder Y anzuwenden. Entscheidend ist vielmehr das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die Freiberuflichkeit ist ein wesentliches Element für eine gute Gesundheitsversorgung. Jemand der sich nur an Anweisungen von oben hält, kann nie und nimmer so gut heilen wie ein einfühlsamer, motivierter Therapeut, der zusammen mit dem Patienten bespricht, welche Therapie am besten geeignet ist, ihm zu helfen. Die freie Arztwahl muss eine Selbstverständlichkeit sein. Genauso wichtig ist es, dass die Versicherten Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Versicherungstarifen haben, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Sowohl auf Seiten der Versicherer als auch auf Seiten der Leistungserbringer muss fairer Wettbewerb durch konsistente wettbewerbs- und kartellrechtliche Regelungen ermöglicht werden. Die überbordende Regulierung im Gesundheitswesen ist auf das notwendige Mindestmaß zurück zu drängen. Wir müssen ein Klima des Vertrauens schaffen, statt die Kontrollen immer weiter auszubauen. Die Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung zu setzen, nicht jedoch jedes Detail bis ins Kleinste zu regeln.

Zu den von Ihnen angeführten Erhebungen der AOK lassen Sie mich folgende Anmerkungen machen:
Auf der verlinkten Internetseite wird gegenübergestellt, dass die GKV 95 von 100 EUR und die PKV nur 88 von 100 EUR Beitragseinahmen zur Bezahlung der Leistungserbringer verwendet. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die PKV im Gegensatz zur GKV von den Beitragseinnahmen auch Alterungsrückstellungen bildet (2008 betrugen diese im Bereich Kranken 115,2 Mrd. EUR). Diesem Vermögen hat auch die Finanzkrise nichts anhaben können. Hier sorgt jede Generation für ihre Krankheitskosten vor und belastet nicht andere. Dagegen verschuldet sich die GKV in hohem Maße bei zukünftigen Generationen. Zudem erhält sie im Gegensatz zur PKV inzwischen auf Pump finanzierte Steuergelder in Milliardenhöhe, die ebenfalls die zukünftige Schuldenlast erhöhen. Dies kann nicht im Sinne der Bürger sein. Bei den von der AOK genannten Zahlen werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Zu den Verwaltungskosten: Es stimmt, dass die PKV in Marketingmaßnahmen zur Gewinnung neuer Kunden investiert bzw. investieren muss. Denn anders als in der GKV werden ihr die Kunden nicht zwangsweise per Gesetz (via Pflichtmitgliedschaft) zugeführt, sondern der Einzelne entscheidet freiwillig über seinen Versicherungsschutz. Dementsprechend müssen die Versicherungsunternehmen einen solchen Schutz den potentiellen Kunden nach außen hin anbieten. Die GKV dagegen kennt diesen Aufwand nicht. Den Preis zahlen aber die Versicherten durch den Verlust der Wahlfreiheit. Die Versicherten können hier zwar verschiedene Kassen wählen, haben aber keine wirkliche Entscheidung hinsichtlich Preis und Leistungsumfang. Berücksichtigt man diese wettbewerbliche Sonderstellung, dann sind die „eigentlichen“ Verwaltungskosten, die mit denen der GKV vergleichbar sind, wesentlich geringer als die in der GKV.

Auch der bürokratische Aufwand ist nur auf den ersten Blick für Patienten und Ärzte höher. Die GKV verursacht mitnichten weniger Bürokratie, eher mehr. Allerdings sind diese nicht für den Einzelnen transparent und es entsteht die Meinung, die Leistungen würden umsonst oder automatisch abgewickelt. Hinter der GKV steht ein hoher Verwaltungsaufwand, z. B. die Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie sind eine zusätzliche mit entsprechenden Kosten verbundene Institution in der GKV. Dagegen sind im Fall der PKV die Kosten transparent. Patienten und Ärzte wissen, was eine Behandlung kostet und können sich dementsprechend wirtschaftlich verhalten bzw. kalkulieren. Zudem steht dem Arzt die Möglichkeit offen, zur Reduktion seines Abrechnungsaufwandes eine Vielzahl von Dienstleistern, wie z. B. die Privatärztliche Abrechnungsstelle (PVS) in Anspruch zu nehmen. Dies entscheidet der Arzt allerdings allein und wird nicht wie in der GKV bevormundet.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Mücke