Frage an Jan Mücke bezüglich Kultur

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Frage von Sebastian L. •

Frage an Jan Mücke von Sebastian L. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Mücke,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 11. Februar 2009. Darin schreiben Sie: "Die Entscheidung, ob ein entsprechender Antrag gestellt wird, liegt jedoch allein bei der Stadt Dresden." Als Dresdner Stadtrat haben Sie die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag mit auf den Weg zu bringen. Wie soll dies geschehen? Können als beizusteuernde Eigenmittel der Stadt Mittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung genutzt werden?

Dass Sie eine erhebliche Beeinrächtigung der Integrität der Landschaft durch den Brückenbau ebenso wie viele Dresdner sehen, ist erfreulich. Welche Fehler hat es in den damaligen Antragsunterlagen gegeben, dass es zu den Unstimmigkeiten mit der UNESCO kommen konnte? Wer ist für diese Fehler verantwortlich?

Welche kategorische Positionierung der UNESCO meinen Sie? Meines Wissens wurden von der UNESCO zahlreiche Anstrengungen unternommen, den Antragsstellern Möglichkeiten aufzuzeigen, das Problem zu lösen. Warum wurden diese Angebote nicht angenommen?

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Lehmann

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Sehr geehrter Herr Lehmann,

ich sehe, im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, keine "erhebliche Beeinträchtigung der Integrität der Landschaft durch den Brückenbau". Der von der UNESCO beauftragte internationale Denkmalrat ICOMOS hatte im Gegenteil bereits im Gutachten zur Titelverleihung der Brücke bescheinigt: "Sie ist schlank ausgebildet und liegt tief, um die massive Wirkung in der Landschaft zu reduzieren."

Nach dem unumstößlichen, urdemokratischen Bürgerentscheid für die Brücke kam schließlich die Kehrtwende der UNESCO, die eine Lösung, die den Titelerhalt trotz Bau beinhaltet, tatsächlich kategorisch ausschloss. Die Komitee-Vorsitzende Ina Marciulionyte brachte dies unmittelbar im Anschluss an die Sitzung in Vilnius am 12. Juli 2006 auf den Punkt: "Es geht nur entweder - oder". Auch zahlreichen weiteren öffentlichen Verlautbarungen seitens der UNESCO ist unmissverständlich zu entnehmen, dass Dresden den Welterbetitel verliert, wenn die Brücke gebaut wird. Es ging also gar nicht mehr darum, diese Brücke höher, tiefer, länger, breiter oder schöner, jedenfalls irgendwie anders zu gestalten, sondern nur noch um die Frage: entweder Brücke oder Titel.

Gerade vor dem Hintergrund, dass Dresden sich um den Titel einer sich "weiterentwickelnden Kulturlandschaft" beworben hatte, ist diese kategorische Haltung der UNESCO für mich nicht verständlich. Ich habe mich bemüht, die UNESCO von dieser Haltung durch konkrete Vorschläge anderweitiger Sanierungsmaßnahmen im Welterbegebiet abzubringen, jedoch leider ohne Erfolg.

Fehler in den Antragsunterlagen gab es nicht. Leider hält sich diese unkorrekte Aussage anscheinend bis heute. Hintergrund dieser Behauptung ist ein Missverständnis im schriftlichen Ergebnisbericht der ICOMOS-Gutachter. Hier wird die Lage der Brücke mit "5 km down the river" beschrieben, was mit "5 km entlang des Flusses" oder auch mit "5 km flussabwärts" übersetzt werden kann. Die letztere Lesart wäre unzutreffend gewesen. Dieses Gutachten lag der Stadt jedoch weder vor, noch war sie im Vorfeld zu einer Stellungnahme aufgefordert worden oder hatte gar die Möglichkeit einer schriftlichen Korrektur des nicht von ihr verfassten Gutachtens vor der abschließenden Beratung des Welterbekomitees. Letztlich ist dieses Missverständnis der Stadt Dresden nicht zuzurechnen und auch unbeachtlich, da die ICOMOS-Gutachter selbst einen persönlichen Eindruck von Lage und Gestalt der Brücke vor Ort hatten und aufgrund persönlicher Inaugenscheinnahme keine Bedenken hinsichtlich der Verleihung des Welterbetitels geltend machten. Ungeachtet dessen handelt es sich hierbei um UNESCO-interne Administrationsprobleme.

Dennoch berief sich die UNESCO bei der Begründung ihrer 180°-Wende auf dieses Missverständnis. Dass dies offensichtlich vorgeschoben war, wurde spätestens mit der Aussage Ilse Friedrichs, einer der drei ICOMOS-Gutachterinnen von 2003, klar. Sie erklärte 2007 in Dresden:

"Die Antragsunterlagen zum Dresdner Elbtal habe ich damals unmittelbar aus Paris erhalten (...). Mein Gutachten habe ich ohne Hinzuziehung von Personen - also ohne Dresdner Beeinflussung - völlig selbständig und unabhängig erstellt und Anfang Dezember 2003 nach Paris gesandt. Zur Verfügung standen mir der umfangreiche schriftliche Teil der Antragsunterlagen sowie ausgezeichnetes Kartenmaterial. Ausdrücklich möchte ich hier betonen, dass auch der beabsichtigte Bau der Waldschlößchenbrücke - entgegen anders lautenden Kommentaren in den Medien und der Öffentlichkeit - nicht verschwiegen wurde ... [D]ie Waldschlößchenbrücke war für mich Bestandteil des Antrages."

Da Frau Friedrich ihre Unterlagen aus Paris erhielt, waren sie dem Welterbezentrum der UNESCO folgerichtig auch bekannt.

Die immer wieder vorgebrachte Tunnel-Variante scheidet als Antragsinhalt von vornherein aus. Nach wie vor gültig ist in diesem Zusammenhang, dass die Genehmigungsfähigkeit einer Tunnellösung fraglich ist, ein Tunnel aufgrund des hohen Anbindepunktes auf der Neustädter Elbseite neue Verkehrsprobleme schaffen würde und Fußgänger und Radfahrer von einer Nutzung der Elbquerung ausgeschlossen wären. Zudem wäre das von der Bundesregierung bereitgestellte Fördergeld, selbst wenn es vollständig nach Dresden ginge, ohnehin nicht annähernd ausreichend, um den tatsächlichen Finanzbedarf einer Tunnellösung zu decken.

Inzwischen hat die Stadt Dresden ihre Absicht bekundet, 1,8 Millionen Euro für das Schloss Übigau, 2,7 Millionen für die Busmannkapelle, 8 Millionen für das Lingnerschloss und 325.000 Euro für das Schloss Albrechtsberg zu beantragen. Interessanterweise sind dies zum Teil genau die Sanierungsprojekte, die ich dem Direktor des Welterbezentrums, wie in meiner letzten Antwort auf diesem Forum beschrieben, vorgestellt habe. Über die konkreten Anträge wird der Stadtrat in Kürze entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Mücke