Frage an Jens Kerstan bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Jens Kerstan
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Frage von peter k. •

Frage an Jens Kerstan von peter k. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Vielen Dank Herr Kerstan,

Ihre Antwort lässt viele Fragen offen.

Was halten Sie von einem Volksentscheid gegen Harz IV und zur Einführung der 35 Stundenwoche? Was in Frankreich existiert und dort wegen der deutschen Konkurrenz in Schwierigkeiten gebracht wird, kann nun gerade in Deutschland nicht falsch sein.
Was in Venezuela geht, kann in Deutschland nicht volkswirtschaftlich falsch sein.

Mit freundlichem Gruß
Peter Klemm

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Klemm,

Das Grundgesetz sieht Volksentscheide auf Bundesebene nur bei der Neuregelung des Zuschnitts von Bundesländern vor. Die Mehrzahl der Verfassungsexperten ist deshalb der Auffassung, dass für die Durchführung von Volksentscheiden über inhaltlich/fachliche Fragen eine Verfassungsänderung notwendig ist. Die dafür notwendige 2 Drittelmehrheit im Bundestag ist noch nicht in Sicht. Deshalb ist derzeit ein solcher Volksentscheid rechtlich nicht möglich.

Natürlich kann der Gesetzgeber alles mögliche einführen, also auch eine generelle 35 Stunden Woche, wie in Frankreich oder Venezuela geschehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass dadurch die gewünschten Ergebnisse, sprich mehr Arbeitsplätze, herauskommen. Ich glaube, dass branchenspezifische Arbeitszeitverkürzungen, die auch mehr Instrumente als nur eine gesetzlich verordnete Wochenarbeitszeit nutzen, bessere Ergebnisse erzielen werden. Sie haben ja nach meiner Einschätzung als Volkswirt gefragt. Die Erfahrung in Deutschland bei der Einführung der 35-Stunden-Woche in der Metallindustrie spricht eher nicht dafür, dass dadurch massenhaft neue Arbeitsplätze entstehen. Frankreich steht mit seiner generellen 35-Stunden-Woche bei der Arbeitslosigkeit auch nicht besser als Deutschland da, obwohl Frankreich keine deutsche Einheit mit den dadurch ausgelösten Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt verkraften musste.

Wir Grüne sind der festen Auffassung, dass Hartz IV große Mängel hat und stark verbesserungsbedürftig ist. Deshalb wollen wir z.B. den Regelsatz auf 420 Euro erhöhen, um eine wirkliche Existenzsicherung zu ermöglichen, und einen höheren Vermögensbetrag für die Altersvorsorge vor dem Zugriff der Arbeitsagentur zu schützen. Auch funktioniert die versprochene Förderung und Vermittlung noch nicht. Hierauf wollen wir Grüne einen großen Schwerpunkt legen. Wir wollen nicht nur die Folgen der Arbeitslosigkeit abmildern, sondern alles dafür tun, dass immer weniger Menschen Arbeitslos werden oder bleiben. Hartz IV ersatzlos abzuschaffen, was wie ich vermute hinter ihrer Frage nach einer Volksabstimmung über Hartz IV steckt, halte ich aber für falsch. Zum einen gibt es auch Bevölkerungsgruppen, die durch Hartz IV finanziell besser gestellt wurden, z.B. alleinerziehende Mütter und Erwerbsfähige SozialhilfeempfängerInnen. Zum anderen halte ich auch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe immer noch für richtig. Es bringt den Arbeitslosen überhaupt nichts, wenn man diese Zusammenlegung wieder abschafft ohne eine Alternative für eine bessere Vermittlung von Arbeitslosen zu haben.
Deshalb ist es sinnvoller, die schweren Mängel von Hartz IV zu ändern und mehr in die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt zu investieren, wie wir Grünen es auf unserem Bundesparteitag in Nürnberg beschlossen haben.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Kerstan