Wie erfolgt die Verteilung / Aufnahmequote bzw. An-/Berechnung von Flüchtlingen / Asylbewerbern in Bayern nach dem Königsberger Schlüssel?

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Joachim Herrmann
CSU
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Frage von Claudia M. •

Wie erfolgt die Verteilung / Aufnahmequote bzw. An-/Berechnung von Flüchtlingen / Asylbewerbern in Bayern nach dem Königsberger Schlüssel?

Der Bay. Ministerpräsident hat mehr Asylbewerber in Städten gefordert.

Das Verteilungssystem ist immer wieder bei Politik, Verwaltung und Bürgern strittig.

CSU-Stadtrat München Anfrage vom 03.06.2024 "Der Königsberger Schlüssel und seine Geheimnisse"

FRAGEN:

1. Wie erfolgt die Verteilung / Aufnahmequote bzw. An-/Berechnung von Flüchtlingen / Asylbewerbern in Bayern nach dem Königsberger Schlüssel?

- Asylbewerber inkl Asylfolgeantrag

- ukrainische Flüchtlinge

- ukrainische Flüchtlinge aus Drittstaaten

- Familiennachzug

- Kontingentflüchtlinge

- unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

- Aufenthaltsstatus, zB Asyl-/Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz, Abschiebeverbote, Fehlbeleger

- Unterbringungsart

- Sozialleistungsart

2. Ist eine transparente Offenlegung auf Ihrer Webeseite der Zahlen nach Flüchtlingen / Asylbewerbern und Verteilung auf die einzelnen Kommunen geplant.

3. Ist eine Änderung des Verteilungsschlüssel vorgesehen, zB Migrationsanteil max. 25%, Mietkosten?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 21. August, mit welcher Sie sich u.a. hinsichtlich der Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel erkundigen. 

Zu Frage 1:

Alle Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden nach ihrer Registrierung zunächst automatisiert über eine Verteilsoftware des Bundes nach den Quoten des Königsteiner Schlüssels auf die Bundesländer erstverteilt. Die Verteilung erfolgt für Asylsuchende über die Verteilsoftware EASY (Erstverteilung Asylbegehrender)  bzw. über die Verteilsoftware FREE für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung). Nach den Quoten des Königsteiner Schlüssels ist Bayern verpflichtet, rund 15,56 % aller in Deutschland ankommenden Asylsuchenden und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Innerhalb Bayerns richtet sich die Verteilung sodann nach den in § 3 der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) festgesetzten Quoten. Für alle bayerischen Regierungsbezirke, Landkreise und kreisfreien Städte ist damit geregelt, wie viele Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sie aufnehmen müssen. Die Quoten richten sich nach der Einwohnerzahl und gewährleisten damit eine gleichmäßige Verteilung innerhalb Bayerns unter Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft vor Ort (die expliziten Quoten können der DVAsyl entnommen werden; https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayDVAsyl/true). Für die Verteilung innerhalb der Landkreise und kreisfreien Städte ist hingegen kein fester Verteilschlüssel vorgegeben. Hier obliegt es den Kreisverwaltungsbehörden unter Berücksichtigung der konkreten Umstände vor Ort eine gleichmäßige und gerechte Lastenverteilung herzustellen. 

 

Nachzugsberechtigte Familienangehörige, die mit einem Familiennachzugstitel nach den §§ 27 ff. AufenthG in die Bundesrepublik einreisen, unterliegen dem Unterbringungs- und Verteilungssystem hingegen nicht. Sie haben das Recht zu ihren Verwandten oder Ehepartnern zu ziehen, die sich bereits in Deutschland aufhalten und unterliegen keiner Verteilungsquote nach dem Königsteiner Schlüssel.

Der Familiennachzug setzt allerdings bestimmte Bedingungen voraus, wie ausreichendes Einkommen, Wohnraum und Krankenversicherung. Diese Voraussetzungen können je nach Aufenthaltsstatus des in Deutschland lebenden Familienmitglieds variieren. In Fällen von humanitärem Familiennachzug gelten Sonderregelungen.

 

Der Begriff „Kontingentflüchtlinge“ bezeichnet Gruppen von Flüchtlingen aus Krisenregionen, die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat u. a. aufgrund einer humanitären Verantwortung die Möglichkeit verschiedener legaler Zuwanderungswege für Flüchtlinge und besondere Zuwanderungsgruppen geschaffen. Hierzu gehören 

 

  • die Aufnahmeverfahren für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, 
  • jüdische Emigrantinnen und Emigranten, 
  • sog. Verfahren und Anordnungen im Bereich humanitärer Aufnahmen und Resettlement und 

sog. Einzelfallaufnahmen.1

 

Die im Rahmen dieser legalen Zuwanderungswege in die Bundesrepublik kommenden Menschen werden wiederum nach dem Königsteiner Schlüssel (s. o.) prozentual anteilig auf die Bundesländer verteilt. Die Verteilung innerhalb Bayerns erfolgt in analoger Anwendung des § 8 DVAsyl. Mit Wohnsitzzuweisung nach Maßgabe des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) werden die dem Freistaat zugewiesenen Personen analog der oben dargestellten Quotenregelung nach § 3 DVAsyl verteilt. Mögliche familiäre Bindungen können dabei berücksichtigt werden.

 

Die im Rahmen dieser legalen Migration nach Deutschland kommenden Personen müssen kein Asyl- oder sonstiges Anerkennungsverfahren durchlaufen, sondern erhalten eine im ersten Schritt ein- bis dreijährige Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22 bis 24 des Aufenthaltsgesetzes. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler erhalten mit der Anerkennung automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit.

 

Die Art der Unterbringung unterscheidet sich grundsätzlich nach dem Aufenthaltsstatus.

So sind Ausländer, die einen Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes stellen müssen, nach den bundesgesetzlichen Regelungen des Asylgesetzes (AsylG) zunächst verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrages, bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder –anordnung, längstens jedoch bis zu 18 Monate bzw. in Bayern bis zu 24 Monate, in dem für ihre Aufnahme zuständigen ANKER zu wohnen. Anschließend soll nach den gesetzlichen Vorgaben eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften erfolgen. Die Wohnverpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft endet bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich erst mit der Zuerkennung eines Bleiberechts. Ab dann müssen sich anerkannte Asylbewerber eigenen Wohnraum suchen. Da dies – vor allem aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes – häufig nicht sofort gelingt, werden die Personen in den staatlichen Asylunterkünften geduldet, bis sie erfolgreich eine eigene Wohnung gefunden haben. Solange sie trotz Recht und Pflicht auszuziehen mangels Wohnraum in der Unterkunft verbleiben, werden sie dort „Fehlbeleger“ genannt. Auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind aufgrund ihres gesicherten Aufenthaltsstatus von Beginn an nicht verpflichtet in einer Asylunterkunft zu wohnen, sondern dürfen sich selbst Wohnraum suchen. Diejenigen Personen, die noch keinen eigenen Wohnung gefunden haben und staatlich untergebracht sind, werden in den staatlichen Asylunterkünften ebenfalls als Fehlbeleger geduldet.

 

Für im Wege legaler Zuwanderung nach Bayern kommende Personen stehen als Angebot sog. staatliche Übergangswohnheime zur vorläufigen Unterbringung zur Verfügung, die zumeist auch genutzt werden, da für das Gros der Zuwandernden nach ihrer Ankunft aufgrund von Sprachbarriere und fehlender eigener finanzieller Mittel anfänglich keine Möglichkeit besteht, sich sofort selbstständig um eigenen privaten Wohnraum zu kümmern; gleichwohl sind sie dazu aufgrund ihrer Aufenthaltserlaubnis und des ihnen von Beginn an zustehenden Anspruchs auf Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern II bzw. XII berechtigt und verpflichtet.

 

Die Art und Höhe der gegebenenfalls zustehenden Sozialleistung bestimmt sich ebenfalls nach dem Aufenthaltsstatus. Asylbewerber, die sich noch im laufenden Verfahren befinden, oder solche deren Antrag abgelehnt wurde, erhalten grundsätzlich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sofern sie ihren Bedarf nicht anderweitig z.B. durch Erwerbseinkommen selbst decken können. Dabei werden Ihnen Leistungen in Bayern soweit rechtlich und tatsächlich möglich als Sachleistungen (z.B. Unterkunft und Heizung) erbracht. Dort wo eine Sachleistung nicht möglich ist, erhalten sie in Bayern eine Bezahlkarte, um ihren Bedarf zu decken. Auf diese Bezahlkarte werden die einem Leistungsberechtigten zustehenden Leistungen gebucht und sie kann in allen Geschäften, die eine Mastercard akzeptieren, eingesetzt werden. Bargeld kann nur in Höhe von 50 € pro Person und Monat abgehoben werden. Die Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hängt von verschiedenen Faktoren, wie z.B. Alter, Familienstand, Dauer des Aufenthalts in Deutschland und Art der Unterbringung ab. Für anerkannte Asylbewerber bzw. Personen mit gesichertem Aufenthaltsstatus können hingegen Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II = Grundsicherung für Arbeitsuchende = Bürgergeld) sowie nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (= SGB XII = Sozialhilfe) in Betracht kommen, soweit die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Leistungsgewährung nach dem SGB II und SGB XII fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit, Familie und Soziales. 

 

Zu Unbegleiteten Minderjährigen (UMA) 

Für unbegleitete Minderjährige ist das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales zuständig, welches mir für die Beantwortung Ihrer Frage folgende Informationen zur Verfügung gestellt hat: Bayern muss nach dem Königsteiner Schlüssel ca. 15,56 % der bundesweit unterzubringenden UMA aufnehmen. Die bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte sind entsprechend DVAsyl verpflichtet, UMA, die durch die Beauftragte des Freistaats Bayern für die Aufnahme und Verteilung ausländischer Flüchtlinge und unerlaubt eingereister Ausländer (LABEA) zugewiesen werden, in ihre Zuständigkeit zu übernehmen. Orientiert an dieser Verpflichtung sind vor Ort die entsprechenden Aufnahme-, Unterbringungs- und Betreuungsstrukturen in der Jugendhilfeplanung zu berücksichtigen.

Innerhalb Bayerns werden UMA grundsätzlich v. a. denjenigen Kommunen zugewiesen, die im Vergleich zu anderen bayerischen Kommunen unterhalb ihrer landesinternen Erfüllungsquote nach § 3 Abs. 1, 2 und § 29 DVAsyl liegen. Die Unterbringung und Versorgung von UMA erfolgt nach den Vorgaben des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Hierfür steht das gesamte Angebot der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung. Aktuelle Zahlen zu UMA finden sich auch auf https://www.stmas.bayern.de/uma/index.php

 

Zu Frage 2:

Wie oben dargelegt, obliegt es den Kreisverwaltungsbehörden selbst innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs gleichmäßige und lastengerechteVerteilergebnisse zu gewährleisten. 

Eine statistische Erfassung der Verteilzahlen innerhalb der Kreisverwaltungsbehörden erfolgt seitens des Bayerischen Innenministeriums nicht.  

 

Zu Frage 3: 

Eine Änderung des Verteilschlüssels ist nicht vorgesehen, denn die Verteilung nach den Quoten des Königsteiner Schlüssels bzw. innerhalb Bayerns nach den Quoten der DVAsyl hat sich in der Praxis bewährt. Eine Einbeziehung zusätzlicher Faktoren in den Verteilmechanismus mag zwar auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, würde jedoch zu Ende gedacht zu völlig ungerechten Verteilergebnissen führen. So würde die Berücksichtigung von Mietpreisen beispielsweise dazu führen, dass insbesondere Ballungsräume, wo erfahrungsgemäß hohe Mietpreise vorherrschen, nahezu keine Menschen aufnehmen müssten und kleinere Kommunen mit günstigeren Mietpreisen überproportional stark belastet würden. Eine gleichmäßige und gerechte Verteilung ließe sich durch die Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien also jedenfalls nicht erzielen. 

Ich hoffe Ihre Fragen beantwortet zu haben und wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen 
Joachim Herrmann, MdL 

 

1 Weiterführende Informationen enthalten auch folgende Webseiten und Publikationen:

https://www.bva.bund.de/DE/Services/Buerger/Migration-Integration/Spaetaussiedler/spaetaussiedler_node.html

https://www.bamf.de/DE/Themen/MigrationAufenthalt/JuedischeZuwanderer/juedischezuwanderer-node.html

https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/ResettlementRelocation/resettlementrelocation-node.html

Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan - Auswärtiges Amt (bundesaufnahmeprogrammafghanistan.de)

 

 

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