Frage an Jochen Hanisch bezüglich Wirtschaft

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Jochen Hanisch
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Frage von Wiebke H. •

Frage an Jochen Hanisch von Wiebke H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Prof. Hanisch,

um am 22/Sept. die für mich richtige Entscheidung treffen zu können, würde ich gern von Ihnen wissen, wie Sie zu dem unseligen deutschen Kammerwesen stehen.

Jeder, der in Deutschland ein Gewerbe anmeldet, wird automatisch und ohne gefragt zu werden, Mitglied – besser gesagt Zwangsmitglied - einer Kammer. Die allermeisten dieser Zwangsmitglieder haben nicht den geringsten Nutzen von dieser Mitgliedschaft. Im Gegenteil, sie werden dazu verdonnert, teils horrende Beiträge zu zahlen, für die sie keinerlei Gegenwert erhalten. Und wenn sie dann tatsächlich einmal den Versuch unternehmen, Unterstützung von der jeweiligen Kammer zu erhalten, hält diese als erstes wieder die Hand auf und gewährt Hilfe ggf. nur gegen Bares. Das ist unverschämt! Außerdem erdreisten sich die Mitarbeiter – insbesondere die sog. höheren Chargen – permanent sich zu allen möglichen Themen, die sie in der Regel gar nichts angehen, in der Öffentlichkeit zu äußern und behaupten dann auch noch, "die Wirtschaft/das Handwerk usw." des jeweiligen Bundeslandes zu vertreten, was ganz sicher nicht zutrifft! Das drücken allein die Beteiligungszahlen bei den sog. Kammerwahlen aus.

Die Betreuung von Auszubildenden gehört, genau wie die allgemeine Schulbildung, in die Hand des Staates. Dafür bräuchte man also schon mal keine Kammern. Im- und Exportfirmen z.B., die Hilfe bei irgendwelchen Formalien brauchen, können sich diese auch woanders als bei den Handelskammern holen. (Dort müssen sie dafür auch extra zahlen.) Also braucht es auch dafür keine Anstalt öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedern. Und wer meint, dass er unbedingt so etwas wie einen Berufsverband braucht, kann sich ja gern mit Gleichgesinnten zusammenschließen und einen entsprechenden Verein gründen, dem dann jeder der mag, freiwillig beitreten kann. Die Kammern jedenfalls halte ich für so unnötig wie einen Kropf!

Sind Sie bereit, sich in der nächsten Legislaturperiode dafür einzusetzen, dass das Kammerwesen abgeschafft wird?

Mit freundlichem Gruß

Wiebke Hildener

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Hildener,

die von Ihnen geschilderten Sachverhalte beschäftigen uns schon seit langem.

Ich kenne diese Debatte aus meinem eigenen Berufskontext der Stadt-, Regional- und Landesplanung (Landschaftsplanung). Die Wahrung berufsständischer Interessen liegt in den Händen der Kammern und sollte auch dort bleiben. Für die gesellschaftspolitische Diskussion um "Planung" gibt es einen eigenen Berufsverband, der zwar auch berufsständische Interessen vertritt, diese aber in den gesellschafts- und planungspolitischen Kontext stellt. Ihre Hinweise auf Missstände aus der Sicht kleinerer Betriebe kennen wir deshalb seit langem und die Forderung nach einer Änderung des "Kammerwesens" steht auf der politische Tagesordnung.

Was wären denn positive Funktionen der Kammern? An erster Stelle steht die "Qualitätssicherung", heißt: berufsvorbereitende und berufsbegleitende Qualifizierung, Zertifizierung von Mitgliedern - das ist für die öffentliche Wahrnehmung von Bedeutung. Alle Kunden,-innen zertifizierter Betriebe können hohe Qualitätsstandards der geleisteten Arbeit erwarten. An zweiter Stelle stehen alle berufsständischen Fragen, diese reichen von der Betriebs- bzw. Unternehmensgründung bis zur Interessenvertretung des Handwerks gegenüber Politik und Gesellschaft.

Ich stimme zu dass das System der Zwangsbeiträge, die sich viele Betriebe nicht leisten können, geändert werden muss. Wir diskutieren hierfür Kappungsgrenzen unterhalb derer keine Beiträge anfallen, bzw. Beitragsgrößenordnungen, die für die Betriebe ohne Probleme aufgebracht werden können.

Sie sehen, das Thema ist bekannt, es gibt echten Reformbedarf und wir werden uns in dem hier skizzierten Sinne für entsprechende Reformen einsetzen.

Ob ich rückhaltlos die Auflösung der Kammern befürworte? An meiner Antwort können sie ersehen, dass vor einer solchen Auflösung doch noch Diskussionsbedarf sehe. Auch und vor allem im Interesse der Kleinst- und Kleinbetriebe.

Mit freundlichen Grüßen
Jochen Hanisch