Frage an Jörg Vieweg bezüglich Wirtschaft

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Frage von Daniel B. •

Frage an Jörg Vieweg von Daniel B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Vieweg,

ich arbeite in der Gastronomiebranche und habe von der Dehoga-Aktion "Pro7%" erfahren, in dem es darum geht, in der Gastronomie 7% Mehrwehrtsteuer einzuführen und unsere Branche damit zu entlasten. Wie stehen Sie (als selbst davon Betroffener mit ihrem Südbahnhof in Chemnitz) denn dazu?

Herzlichen Gruß
D. Bergk

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SPD

Sehr geehrter Herr Berkg,

Vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de.

Die DEHOGA-Kampagne für die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7% für Hotel und Gastronomie ist mir bekannt. Aus Sicht eines Unternehmers in der Gastronomie klingt die Absenkung der Mehrwertsteuer erst mal sehr verlockend. Bedeutet es doch auch für mich zukünftig weniger an Umsatzsteuer an das Finanzamt zu überweisen. Mehr Spielraum für Investitionen, höhere Löhne, günstigere Preise. Die Argumente Chancengleichheit in Europa, Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Einzelhandel und Stärkung des Tourismusstandortes Sachsen klingen auch nachvollziehbar. Dass der deutsche Hotel- und Gaststättenverband, in dem ich selbst Mitglied bin, diese Kampagne im Wahljahr lostritt, verstehe ich auch. Dass er dabei bei den Konservativen auf große Zustimmung trifft, macht die Sache für mich durchschaubar. Hört das denn nie auf?

Aus meiner Sicht werden wesentliche Gesichtspunkte vollkommen ausgeblendet.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wurde eingeführt, um Produkte und Dienstleistungen die dem Gemeinwohl und der Sicherung des Lebensunterhaltes dienen, zu subventionieren. Er wurde ursprünglich für Lebensmittel, Bücher und Zeitungen eingeführt. Mittlerweile gibt es über 50 weitere Ausnahmeregelungen, die mit dem ursprünglichen Gedanken, dem geringen Einkommen ein Mindestmaß an Lebenshaltung und Teilhabe zu ermöglichen, nichts mehr zu tun haben.

Ich bin darum in diesen Dingen ganz pragmatisch: "Die Zukunft der Umsatzsteuer als Verbrauchsabgabe für einen funktionierenden Staat liegt nicht darin, immer mehr Ausnahmen zu formulieren. Ausnahmen müssen abgebaut werden. Die Zukunft liegt in einem einheitlichen Mehrwertsteuersatz."

Tourismus und Gastronomie, lebendige Städte mit viel Flair, Regionen in die viele Urlauber kommen, das ist gerade für Sachsen ein wichtiger Standortfaktor. Dafür kämpfe ich jeden Tag. Viele Unternehmer der Branche tun dies ebenfalls und leisten da hervorragende Arbeit. Dafür, dass das in Zukunft auch so bleibt und noch besser wird, sind Ideen in den Regionen gefragt. Vor Ort müssen Unternehmer, Städte und Gemeinden noch besser zusammenarbeiten. Die Stichworte Stadt ? und Regionsmarketing, Werbe- und Einkaufsgemeinschaften sind nur einige Beispiele, wie das praktisch funktionieren kann. Die Stadt Chemnitz hat es vorgemacht. Die Sondergebühr für Terrassen und Biergärten wurde für 2009 ausgesetzt. Gemeinsam mit den Gastronomen beraten die Verwaltung und der Stadtrat über eine Verlängerung für 2010.

Für den DEHOGA-Verband wäre das ein gutes Beispiel für eine sinnvolle Kampagne zum Nachmachen. Damit macht man zwar keine bundesweiten Schlagzeilen, man hätte aber ein funktionierendes Projekt für die Mitglieder. Vergessen wird auch, dass unsere Branche gegenüber anderen Dienstleistungsbranchen überproportional profitiert. Kurzfristige Beschäftigung, Saisonarbeit, Niedriglohn sind möglich. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Praktikantenausbeutung sind leider viel zu oft ein Thema.

Wenn der Verband nach Jahren der Stagnationen jetzt die Flucht nach vorn antritt, ist das zu begrüßen. Die Richtung muss aber stimmen!

Einige Handlungsfelder und Potentiale des DEHOGA-Verbandes für eine zukunftsfähige Unterstützung der Hotellerie und Gastronomie die ich mir Wünsche:

- stärkere Bildung von Einkaufs- und Rabattgemeinschaften gegenüber der Getränkeindustrie
- stärkere Bildung von Poollösungen gegenüber Energieversorgern
- Unterstützung von Standortvermarktung in den Regionen
- Vernetzung mit Banken und Sparkassen
- Vernetzung mit kommunalen Entscheidungsträgern

Keine Profilierung auf Kosten des Gemeinwesens! Hände weg von gefährlichen Steuerexperimenten! Keine ermäßigte Mehrwertsteuer für Hotel und Gastronomie!

Herzliche Grüße
Ihr
Jörg Vieweg