Frage an Johanna Voß bezüglich Wirtschaft

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Johanna Voß
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Frage von Jennifer K. •

Frage an Johanna Voß von Jennifer K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Voß,

Wieso werden die großen Energieverbraucher von der EEG ausgenommen und Auszubildende, Arbeitnehmer und Rentner voll belastet?

Diese Mail ging auch an die Abgeordneten der SPD, CDU/CSU, Piratenpartei, Grünen, AFD und FDP und wird im Politikunterricht diskutiert.

MfG

Jennifer Koops

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DIE LINKE

Lieber Jennifer Koops und KlassenkameradInnen,

es freut mich sehr, dass Sie sich im Politikunterricht genauer mit dem EEG auseinandersetzen. Die Energiewende sozial gerecht zu gestalten und auch das Potential der Erneuerbaren zur Demokratisierung unserer Energiewirtschaft zu nutzen, halte ich für eines der wichtigsten Projekte in diesem Jahrhundert. Umso bedauerlicher ist es, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung insbesondere im vergangenen Jahr durch politische Maßnahmen, die sie ergriffen hat, und durch öffentliche Debatten, die sie angestoßen hat, die überwältigende gesellschaftliche Zustimmung zur Energiewende aufs Spiel setzt. Dazu bemüht sie in erster Linie das Kostenargument: der Ausbau der Erneuerbaren Energien komme die VerbraucherInnen zu teuer. Was verschwiegen wird ist, dass es gerade durch die schwarz-gelbe Politik die privaten VerbraucherInnen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) überdurchschnittlich mit der EEG-Umlage belastet werden. Hier ist u.a. die Ausweitung der von Ihnen angesprochenen Befreiung der Großverbraucher von der EEG- Umlage zu nennen.

Ursprünglich sollten die Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Diese müssten durch die EEG-Umlage Wettbewerbsnachteile befürchten, was letztendlich Arbeitsplätze gefährde. Dies trifft auf einzelne Unternehmen und Branchen zu! Doch die Bundesregierung hat die Ausnahmeregelung derart ausgeweitet - ohne von den begünstigten Unternehmen im Gegenzug Nachweise über ihre Position im internationalen Wettbewerb zu fordern -, dass dieses Jahr so viele deutsche Unternehmen wie noch nie einen Antrag gestellt haben, um sich im Jahr 2014 von der Zahlung der EEG-Umlage befreien zu lassen: 2.379 Unternehmen. Dazu zählen Unternehmen des Braunkohlebergbaus, der Zementindustrie, der Elektrizitätsverteilung, zahlreiche Stadtwerke mit ihrem schienengebundenen ÖPNV, Mineralwasserbrunnen sowie Unternehmen der Kälte-, Wärme-, und Wasserversorgung. Es ist offensichtlich, dass es sich dabei kaum abwanderungsgefährdete Branchen handelt. Für das Jahr 2013 waren es noch 2055 Unternehmen, für 2012 813, für 2011 650. Das bedeutet: DieKosten für die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage betrugenim Jahr 2012 2,7 Milliarden Euro und dieses Jahr fast 5 Milliarden, wie die renommierte Umweltorganisation /Deutschen Umwelthilfe/ in einer aktuellen Studie errechnet hat.

Auszubildende, Arbeitnehmer und Rentner werden hingegen, wie Sie in Ihrem Anschreiben zurecht formulieren, voll mit der EEG-Umlage belastet. Sie müssen für diese Milliardensummen aufkommen, da die Umlage infolge der Ausnahmeregelungen auf weniger Schultern verteilt wird! Und die EEG-Umlage ist nur die Spitze des Eisbergs: hinzu kommen die Befreiung bzw. Vergünstigungen von der Energie- und Stromsteuer, das sogenannte Eigenstromprivileg, das Stromverbraucher von der EEG-Umlage befreit, wenn sie ihren Strom zum Beispiel in eigenen Kohlekraftwerken selbst erzeugen, die Befreiung von Netzentgelten für Unternehmen, die die Netze mindestens 7000 Stunden im Jahr nutzen und dabei zehn Mio. kWh (10 GWh) Strom verbrauchen, Privilegien im Rahmen des Europäischen Emissionshandels bei der Zuteilung von CO_2 -Zertifikaten und anderes mehr. Dabei kommen die Milliardenentlastungen der Industrie oft ohne irgendwelche Gegenleistungen zustande, lediglich aufgrund der Überschreitung bestimmter Stromverbrauchsgrenzen. Insgesamt kostet das die Stromverbraucher und Steuerzahler weit über 10 Milliarden Euro pro Jahr.

Mithilfe der Bundesregierung konnten sich also immer größere Teile der Industrie aus einer solidarischen Finanzierung der Energiewende herauswinden. Wenn aber die Kosten einseitig dem Mittelstand und den privaten Haushaltskunden aufgebürdet werden, macht man diesen Kräften den Übergang zu den Erneuerbaren madig. Das Erfolgskonzept EEG zu zerpflücken bedeutet, die Energiewende abzuwürgen und die alten Oligopole zu stützen.

Zu beachten ist auch, dass die EEG-Umlage steigt, wenn der durchschnittliche Börsenpreis des Stroms sinkt - was gerade durch den günstigen Sonnen- und Windstrom der Fall ist! Doch diese Preissenkung geben die Stromkonzerne nicht an die Endverbraucher weiter. DIE LINKE will deshalb eine effektive staatliche Stromaufsicht im Endkundenbereich. Außerdem setzen wir uns ein für ein Stromtarifmodell, das Einsparungen anreizt, die Senkung der Stromsteuer für private Haushalte, um den EEG-Umlage-Anstieg zu kompensieren, sowie ein Verbot von Stromsperren, denn die Versorgung mit Strom ist eine Voraussetzung für ein menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.